Herausforderungen und Rätsel statt beschreibende Abbildungen

Alexia Udrişte spricht über ihre Verantwortung als Illustratorin von Kinderbüchern

„Es war keine Wahl, ich arbeite für Kinder und ich könnte nicht sagen, dass ich etwas anderes wollte“, sagt Alexia Udrişte.

Auch der Umschlag des Buches „Der Held vom Dachboden“ wurde von Alexia Udrişte illustriert.

Eine Illustration aus dem Buch „Die Abenteuer von Sascha“ von Iulian Tănase

Weiterhin möchte Alexia Udrişte an persönlichen Projekten arbeiten.
Fotos: Alexia Udrişte

„Die Abenteuer von Sascha“ von Iulian Tănase, „Das Buch des Muts“ von Adina Rosetti, „111 Liebesgedichte“ - eine Anthologie im Nemira-Verlag. Diese Bücher und viele andere wurden von der jungen Künstlerin Alexia Udrişte illustriert. Die Autodidaktin arbeitet als freischaffende Künstlerin in Bukarest, umgeben von Büchern, Pastellfarben und ihren vier Katzen. Eine kleine Frau mit durchdringendem Blick und von empfindsamem Gemüt, die von der Welt erzählt, in der sie ihrer Kreativität freien Lauf lassen kann.

„Es war ein Zufall, dass ich angefangen habe, Kinderbücher zu illustrieren“, erinnert sich Udrişte. Noch gut im Gedächtnis hat sie das erste Projekt, in dem sie die Figuren eines Musicals für ein Bukarester Theater illustrieren musste. Dazu wurde auch ein Buch veröffentlicht, das sie mit Illustrationen ausgestaltet hat. Für sie war das ein schrecklicher Anfang: Bei jeder E-Mail, die sie schrieb, musste sie weinen. Denn sie wusste noch nicht, wie man mit Kunden umgeht. „Damals war ich freie Mitarbeiterin und betätigte mich als Onlineassistentin“, sagt sie. Als sie mit ihrem ersten Buch beauftragt wurde, verzichtete sie auf andere Tätigkeiten: „Ich habe mich nur auf die Illustrationen konzentriert“. Darauf folgten immer wieder neue Projekte, die sie angenommen hat. So wurde sie im Laufe der Zeit selbstbewusster und nun kann sie sich selbst Illustratorin nennen.

Von ihrem neuesten Projekt – dem Buch von Iulian Tănase – war sie lange Zeit begeistert: „Das war das erste Buch, bei dem ich nahezu Angst hatte, daran zu arbeiten. Ich wollte keine Fehler machen und deshalb hat es sehr lange gedauert“. Doch wie viel Zeit braucht man, um ein Buch zu bebildern? Die Verlage hierzulande haben meistens kein Geld für langfristige Projekte, meint Udrişte. Und man wisse, vor Buchmessen wie Bookfest und Gaudeamus häufen sich die Projekte an. „Es ist sehr frustrierend und ich werde immer wieder mit dieser Geschichte konfrontiert“, sagt sie. Keiner könne sich leisten, Projekte abzulehnen: „Außer diesem Zeitraum gibt es kaum andere Bücher, an denen man arbeiten kann“. So arbeitet sie für ein Buch zwei Wochen oder einen Monat lang. „Dabei wird rund um die Uhr gearbeitet”, erklärt sie.

Wie verläuft der Schaffensprozess einer Illustratorin? Besonders anziehend findet Udri{te den Rhythmus eines Textes. Meistens, wenn sie eine Geschichte liest, stellt sie sich diese vor. „Der erste Gedanke, der dir einfällt, ist von persönlichen Erlebnissen beeinflusst. Ich muss den ganzen Text lesen, Schlüsselwörter und -szenen markieren, und muss mehr von mir selbst verlangen“, erklärt die Künstlerin.

Die Arbeit für und mit Kindern

Udrişte kümmert sich nicht nur um Kinderbücher, sie macht auch Design für Teller, Illustrationen für Erwachsene und – ab und zu – Workshops mit Kindern. Es gefällt ihr, mit Kindern unter fünf Jahren zu arbeiten, weil sie vom Bildungssystem und von den Anforderungen der Eltern noch nicht beeinflusst wurden – „sie haben eine so reine Denkweise“. Sie zeigt sich empört über das Schulsystem, da sie einen großen Unterschied zwischen Kindern verschiedenen Alters feststellen kann: „Die fünfjährigen Kinder leben in ihrer eigenen Welt und drücken sich frei aus. Die sechsjährigen Kinder, die schon in die Schule gehen, die wirken wie belastete kleine Erwachsene.“ Kinder werden unterschätzt, findet sie. Udrişte versteht, dass sie durch ihre Arbeit die Kleinen stimulieren soll. Sie betrachtet beschreibende Illustrationen als Fehler, denn diese regen die Fantasie des Kindes nicht an. „Es hat keinen Sinn, dem Kind einfach nur die Geschehnisse in der Geschichte auf der anderen Buchseite zu zeichnen. Rätsel soll es geben, die den Text unterstützen und die Kinder herausfordern. “Als Illustratorin spürt Alexia Udri{te eine Verantwortung für das, was sie weitergibt.
 

Sie findet, dass jedes Kind Potenzial hat: „Es ist wichtig, Kindern zu helfen, ihre Empfindungen in einer Zeichnung auszudrücken. Man kann verstehen, was mit ihnen los ist, wenn man ihre Zeichnungen betrachtet – besonders wenn sie nicht viel sprechen“. Sieht sie ein zurückhaltendes Kind, so denkt sie an das, was in seinem Leben passiert und möchte wissen, was die Ursache seiner Reaktion ist. Sie hat angefangen, mit Kindern zu arbeiten, nachdem sie als Illustratorin gearbeitet hatte. Auf diese Weise hat sie verstanden, dass auch sie noch viel zu lernen hat. „Bevor man mit Kindern arbeitet, hat man eine ‘geliehene’ Perspektive“, sagt Udrişte.

Wie hat diese Erkenntnis ihre Werke beeinflusst? Udrişte will Kinder mehr herausfordern, denn sie brauchen Anregungen. In ihrem Alltag bekommen die Kleinen zu viele Informationen. Was sie brauchen, ist Zeit, um ihrer Fantasie zu folgen. Man soll möglichst wenig eingreifen und nicht korrigieren. „Dass man einem Kind im Alter von 5-6 Jahren das Zeichnen beibringt, finde ich absurd. Einem Kind braucht das Zeichnen nicht beigebracht zu werden, es kann zeichnen. Dass man nicht versteht, was es gezeichnet hat, ist etwas völlig anderes“, sagt die Illustratorin. Viele Erwachsenen seien unfähig, sich auf die Fantasie des Kindes zu beziehen.

Disney oder Illustrationen inländischer Künstler?

Auch konnte die Künstlerin feststellen, dass Leute hierzulande kaum lesen. Deshalb hat sie den Eindruck, dass sie in einer Seifenblase lebt – zusammen mit den Leuten, die die Bücher schreiben. „Das sind die Leute, mit denen du arbeitest und du denkst, sie sind berühmt. Aber eigentlich sind sie nur in unserem Kreis berühmt“, sagt sie. Dass Leute kein großes Interesse an Büchern haben, merkt sie auch daran, dass die meisten Eltern standardisierte Disneybücher für ihre Kinder kaufen.„Wenn die Eltern ein Buch sehen, das nicht diesen gewohnten Illustrationsstil haben, kaufen sie es nicht“, meint Udrişte. Es gibt aber Hoffnung: Udrişte glaubt, dass Menschen allmählich auf Disneypublikationen verzichten. Das heißt, es gibt eine Chance für eine andere Art von Kinderillustrationen. Die meisten Verlage hierzulande haben jedoch nicht allzu viel Erfahrung mit Illustratoren. „Das beurteile ich nicht, auch Illustratoren werden nicht auf die Zusammenarbeit mit Verlagen vorbereitet“, sagt sie.