„Ich habe das Gefühl, dass der deutsche Film glatt gebügelt ist“

Interview mit dem deutschen Filmemacher Nils Loof

Der Filmemacher Nils Loof vermisst gewagte Filmprojekte in Deutschland. Foto: Zoltán Pázmány

Der aus Hannover stammende Filmemacher Nils Loof besuchte zusammen mit einer Gruppe Studenten Ende Januar Temeswar/Timişoara, um einen Dokumentarfilm über das Deutsche Staatstheater und die deutschsprachige Schauspielschule zu drehen. Loof besuchte bereits vor einem Jahr die Stadt. Sie könnte Handlungsort seines nächsten Langfilms werden. In Temeswar stellte Loof drei seiner ausgezeichneten Kurzfilme vor, darunter auch den Schwarz-Weiß-Film „Czarna“. Der ADZ-Redakteur Robert Tari sprach mit dem Filmemacher über den Stellenwert des Kurzfilms in Deutschland.

Herr Loof, bei Ihrem Besuch in Temeswar erwähnten Sie unter anderem, dass der Kurzfilm in Deutschland meist als Ausbildungsfilm abgestempelt wird. Wieso wird dem Kurzfilm weniger Bedeutung beigemessen als dem Langfilm?

Unterm Strich ist es so, dass beim Kurzfilm auch die Zielgruppe relativ klein ist. Es gibt in Deutschland zwei Kurzfilmprogramme bei arte, wo mehrere Kurzfilme hintereinander laufen, und es gibt Festivals. Aber es ist immer noch so, dass der Kurzfilm als Übung angesehen wird, bei der man sich dann weiterentwickelt und einen Langfilm macht und dann ist man erst etabliert.

In anderen Ländern ist das einfach anders. Man sieht das auch mittlerweile daran, dass der Deutsche Kurzfilmpreis – eben die höchste Auszeichnung – früher ein eigenes Kino hatte, in dem die Preise vergeben wurden. Heute wird die Preisverleihung an den Filmhochschulen veranstaltet. Daran erkennt man auch schon eine gewisse Symbolik: Dass der Deutsche Kurzfilmpreis, die wichtigste Auszeichnung, die natürlich nicht immer nur – und momentan eher selten – Studenten kriegen, in Hochschulen verliehen wird.

Das finde ich schrecklich. Weil der Kurzfilm eine eigene Dramaturgie hat und ein eigenes Genre ist. Er kann natürlich auch eine Übung für den Langfilm sein, aber er ist eigentlich in erster Linie eine eigene Kunstform. Gerade die deutschen Kurzfilme sind eigentlich sehr gut gelaufen in den letzten 20 Jahren im Ausland.

Wie erklären Sie sich diese Tendenz in Deutschland?

Ich glaube, das hat sich in Deutschland so entwickelt, weil der Kurzfilm nicht kommerziell ist, sondern wirklich ein Kunstprodukt. Es ist schwierig, den Kurzfilm weiterzuverarbeiten und auszuwerten. In Deutschland habe ich das Gefühl, dass alle Filme relativ glatt geschoren werden. Dass sie sehr amerikanisch sind. Ich war einmal in Griechenland auf einem Kurzfilmfestival und es wurden sehr viele Filme aus der Ukraine gezeigt. Filme, die man in Deutschland oder auf westlichen Festivals gar nicht so oft sieht.

Diese Filme werden mit einem geringeren Budget gemacht, aber dafür mit viel mehr Herzblut. Es ist wirklich erfrischend, ausnahmsweise andere Bilder zu sehen. Ich habe das Gefühl, dass der deutsche Film glatt gebügelt ist. Es gibt nur ein paar Filme, die hervorstechen, obwohl extrem viel produziert wird. Die meisten sind mittelmäßig und ein bisschen beliebig.

Glauben Sie, dass sich der deutsche Film in einer kreativen Schaffenskrise befindet?  

Ich finde ja. Ich bin auch Mitglied der Deutschen Filmakademie und alle, die in der Akademie sind, sind auch in der Jury für den Deutschen Filmpreis. Ich erhalte jedes Jahr rund 50 vornominierte Filme. Die meisten werden von mir nach 20 Minuten verworfen. Ich schaue sie mir an und denke nur: „Okay, weg an die Seite. Nächster Film.“ Die meisten sind so mittelmäßig.

Dadurch, dass auch das Fernsehen so stark involviert ist und die Produktionen mitfinanziert und die Redakteure mehr zu sagen haben als die Produzenten, werden diese ganzen Filme eher fürs Fernsehen gemacht. Dann gibt es ein paar Ausnahmen, über die man nur staunen kann, weil man endlich etwas anderes sieht. Aber wenn man nach 40 Filmen nur drei oder vier solcher Filme sieht und ich bin mir selbst bei diesen Filmen nicht ganz sicher, dann ist das wirklich enttäuschend, obwohl viel gemacht wird. Mich haut das einfach um.

Welche Fördermittel stehen einem freien Filmemacher in Deutschland zur Verfügung?

Es gibt verschiedene Konzepte. Die meisten Bundesländer haben eine eigene Landesförderung. Diese sind meist an einen Sender gebunden. Ich lebe und arbeite in Hannover, im Bundesland Niedersachsen. Die Förderung wird hier vom Norddeutschen Rundfunk, dem NDR, unterstützt. Er gibt das meiste Geld. Das Land Niedersachsen auch, aber es hat in der Regel weniger Mittel. Dann gibt es die Bundesförderung. Es gibt ein Programm für den Nachwuchs, und zwar die Stiftung Kuratorium junger deutscher Film.

Es gibt die Bundesregierung mit dem Staatsminister für Kultur und Medien (BKM), die den Deutschen Filmpreis verleiht, und die Filmförderungsanstalt (FFA). Die FFA hat ein ganz attraktives Punktesystem. Wenn man zum Beispiel viele Leute ins Kino holt, kriegt man Punkte und dadurch wieder Gelder für das nächste Projekt. Es ist sehr wirtschaftlich gedacht, aber eine Idee.

Gleichzeitig gibt es ein anderes Punktesystem, wenn man viele Festivalpreise oder einen Oscar beziehungsweise einen Auslandspreis erhält. Es gibt eine Liste mit Festivals. Wenn man auf einem dieser Festivals einen Preis gewinnt oder am Festival teilnimmt, kommt man auch in das Punktesystem rein. Das wäre dann so die kulturelle Seite. Das heißt, wenn man einen kulturell starken Film macht, kriegt man Gelder, aber auch wenn man einen kommerziell guten Film macht.

Diese Förderung finde ich ganz interessant, weil sie nicht von einer Jury abhängig ist. Natürlich hängt es schon von einer Jury ab, ob man einen Preis gewinnt, der für das Punktesystem entscheidend ist. Aber es gibt keine Kommission, die darüber entscheidet, ob dieser Film toll ist oder nicht. Man kann weiter arbeiten.