Kammermusikalische Juwelen

Drei renommierte Streichquartette beim Bukarester Enescu-Festival

Das Mandelring-Quartett trat mit der Saxophonistin Amy Dickson auf.
Fotos: festivalenescu.ro

Die 20. Folge des Internationalen Musikfestivals „George Enescu“ wartet im gegenwärtigen und inzwischen bereits weit fortgeschrittenen Festivalmonat mit einer Vielfalt verschiedener Konzertreihen auf, die sich jeweils über den gesamten Zeitraum dieser vierwöchigen musikalischen Großveranstaltung erstrecken.

Dabei glänzt das Bukarester Enescu-Festival nicht nur mit solchen Konzertreihen, in denen ganze Orchester, seien es nun Opern-, Sinfonie- oder Kammerorchester, die Bühne betreten. So kamen beispielsweise in der Opernreihe des Festivals die Wagner-Oper „Lohengrin“ und George Enescus Oper „Oedipe“ zur Aufführung. In der Reihe „Mitternachtskonzerte“ waren bekannte Kammerorchester wie das Orchestre de Chambre de Lausanne unter Leitung des Pianisten und Dirigenten Christian Zacharias oder am letzten Wochenende die Camerata Salzburg unter dem Dirigat von Cristian Mandeal in Bukarest zu Gast. Und in der Reihe „Große Orchester der Welt“ waren in der vergangenen Woche unter anderem die Wiener Philharmoniker und das Royal Liverpool Philharmonic Orchestra in der rumänischen Hauptstadt zu hören.

Doch nicht nur im Rahmen dieser hochkarätig besetzten orchestermusikalischen Konzertreihen konnte man auf dem Enescu-Festival erlesener Hörgenüsse teilhaftig werden. Auch in den diversen Konzerten der kammermusikalisch ausgerichteten Reihen des Festivals, etwa in der Reihe „Soloabende und Kammerkonzerte“ oder in der Reihe „Enescu und seine Zeitgenossen“, konnte man sich am Genuss musikalischer Kleinodien erfreuen.

So traten am vergangenen Wochenende an drei aufeinanderfolgenden Tagen drei renommierte Streichquartette in der rumänischen Hauptstadt auf: das an der University of Wisconsin in Milwaukee ansässige Fine Arts Quartet, das in Neustadt an der Weinstraße beheimatete Mandelring-Quartett und das Bukarester Voces-Quartett.

Im Rahmen dieser kammermusikalischen Veranstaltungen wurden nicht nur Werke der Quartettliteratur zu Gehör gebracht, sondern jedes der drei Streichquartette interpretierte zusammen mit verschiedenen Gästen auch Werke in gemischter Quintett- oder Sextettbesetzung: So trat das amerikanische Quartett zusammen mit der rumänischen Pianistin Alexandra Costin auf, das deutsche Quartett zusammen mit der australischen Saxophonistin Amy Dickson und das rumänische Quartett zusammen mit dem rumänischen Klaviervirtuosen Horia Mihail und dem rumänischen Meistergeiger Alexandru Tomescu.

Das Fine Arts Quartet, das wegen des Todes seines langjährigen Ensemblemitglieds Wolfgang Laufer im Juni dieses Jahres den amerikanischen Cellisten koreanischer Abstammung Eric Kim verpflichtet hatte, brachte am vergangenen Freitag im Bukarester Athenäum ein klassisches und ein romantisches Streichquartett zu Gehör: Joseph Haydns op. 77 Nr. 1 in G-Dur und Robert Schumanns op. 41 Nr. 1 in a-Moll. Bestechend war dabei die Homogenität des Klangs, insbesondere in den Unisono-Stellen des Finalsatzes im Haydn-Quartett, und die expressive Dynamik, spürbar vor allem in den Modulationen des langsamen dritten Satzes im Schumann-Quartett.

In jedem Moment war aber die stupende Virtuosität der vier Musiker zu spüren, vor allem im Allegro-Eröffnungssatz des Haydn-Quartetts und ganz besonders im rauschenden Presto-Schlusssatz des Schumann-Quartetts.
Nach der Pause kam dann die in Bukarest geborene und in Boston/Massachusetts lebende Pianistin Alexandra Costin dazu, um gemeinsam mit dem Fine Arts Quartet das Klavierquintett in a-Moll (op. 29) zu interpretieren, das George Enescu im Jahre 1940 komponiert hatte.

Das außerordentlich schwierige Werk des rumänischen Komponisten und Geigenvirtuosen, das zwei langsame Anfangssätze zwei schnellen Finalsätzen gegenüberstellt, integriert den Pianopart in das Klanggeschehen, ohne ihm dabei eine dienende oder dominierende Rolle zuzuschreiben. Vielmehr fordert es vom Klavier, sich als gleichberechtigtes Instrument in das subtile und an Nuancen reiche Klangbild einzufügen, eine Aufgabe, die von Alexandra Costin mit Bravour gelöst wurde.

Die Bühne des Kleinen Palastsaales gehörte dann am vergangenen Samstagmorgen dem Mandelring-Quartett, das aus den Geschwistern Schmidt (Sebastian, Nanette und Bernhard) besteht, die durch den Bratscher Roland Glassl zu einem Streichquartett ergänzt werden. Das Programm der Matinee wurde eröffnet mit einem Spätwerk Enescus, dem Streichquartett Nr. 2 in G-Dur (op. 22 Nr. 2), das der Komponist bis zur Endfassung des Jahres 1953 mehrfach umgearbeitet hat.

Es war ein Genuss, dem Mandelring-Quartett, das in den vergangenen Jahren sämtliche Streichquartette Schostakowitschs eingespielt hat, bei der Interpretation des an Klangfarben reichen und traditionelle Form mit expressiver Modernität verbindenden Werkes zuzuhören. Gesteigert wurde das Hörerlebnis noch durch das Hinzutreten der Saxophonistin Amy Dickson vor und nach der Pause, die durch ihre sinnliche Tongebung und ihr bis ins Hauchen zurücksinkendes Pianissimo die Zuhörer in Bann zu schlagen wusste, sowohl in Alphonse Stallaerts als auch in Leo Steins Saxophonquintett, beides Werke, die wenige Jahre nach Enescus zweitem Streichquartett entstanden.

Den Abschluss und zugleich den Höhepunkt der Matinee bildete dann Maurice Ravels Streichquartett in F-Dur, eines der schwierigsten Werke der Quartettliteratur. Hier war das Mandelring-Quartett ganz bei sich selbst und genoss es sichtlich, sich mit spielerischer Leichtigkeit über die enormen technischen Schwierigkeiten zu erheben und aus dem rhythmisch und klanglich diffizilen Notentext reine Musik freizusetzen, die in impressionistischer Manier farbenprächtig zu leuchten und juwelengleich zu funkeln begann.

Den kammermusikalischen Abschluss des vergangenen Festivalwochenendes bildete dann der Auftritt des Voces-Quartetts, das zusammen mit Horia Mihail am Steinway-Flügel im Bukarester Athenäum die Klavierquartette Nr. 1 (KV 478) und Nr. 2 (KV 493) von Wolfgang Amadeus Mozart mit vollendeter Technik und großer Hingabe aufführte.

In der ersten Hälfte dieses Kammerkonzerts war ein Werk von Ernest Chausson erklungen, sein Konzert für Violine, Klavier und Streichquartett in D-Dur (op. 21). Zur Komplettierung der dafür notwendigen Sextettbesetzung betrat neben dem Voces-Quartett und dem Pianisten Horia Mihail auch der Violinvirtuose Alexandru Tomescu die Bühne, der in dem ungewöhnlichen Werk den deutlich hervorgehobenen Part der konzertierenden Solovioline zu bewältigen hatte.

Das viersätzige impressionistische Werk, das auf Anregung des berühmten Violinisten Eugène Ysaÿe entstand und sich eng an das musikalische Vorbild César Francks anlehnt, erklang in filigraner Konturierung sowie in preziöser Kolorierung, bei der das Stimmengewebe des Voces-Quartetts als wertvolles musikalisches Geschmeide wirkte, aus dem die wunderbaren Klänge der von Horia Mihail und Alexandru Tomescu gespielten Instrumente solchermaßen eingefasst als strahlende Solitäre hervorglänzten.