Kinder haben leichter Zugang zur Improvisation

Kurzgespräch mit der Improvisationskünstlerin Mihaela Sîrbu

Wie entschlossen Sie sich, Theater zu studieren?
Es war mein großer Wunsch schon seit Kindesalter, aber zu der Zeit war es noch sehr schwierig. Als die Wende kam, war ich also Germanistikstudentin. Erst danach konnte ich es endlich mit dem Theater probieren. Ich hatte Glück, schon beim ersten Versuch einen Studienplatz an der Schauspielhochschule zu bekommen.

Wie kam es zur Spezialisierung auf Improvisation?
Ein gewisses Improvisieren erlernen wir alle in der Schule, doch dieses ‘hilft’ uns eher, in die Rollen zu schlüpfen, die von uns erwartet werden. Das Improvisationskonzept von Keith Johnstone unterscheidet sich stark davon: Diese Technik lehrt uns eigentlich – so komisch es auch klingen mag – Geschichten zu erzählen.
Damit habe ich 2002 angefangen. Ein Kollege und Freund von mir, der Regisseur Vlad Masaci, hatte zum ersten Mal in Deutschland Theatersport gesehen und kam mit der Idee, etwas Ähnliches auch in Rumänien zu veranstalten. Ich entschloss mich mitzumachen. Theatersport ist eigentlich Improvisationstheater, nur dass man in zwei Gruppen miteinander und gegeneinander improvisiert –  es ist wie in einem Sportwettkampf. Ziemlich bald entdeckte ich, dass man Improvisieren sehr erfolgreich auch mit Kindern üben kann. Ich war auf Anhieb begeistert, denn die Kinder haben noch viel mehr Zugang zu ihrer Kreativität, sodass Theaterimprovisation für sie sogar einfacher ist als für Erwachsene. Je älter wir werden, desto mehr lässt unsere Kreativität nach.

Wieso?
Hauptsächlich weil die ganze Erziehung darin besteht, dass man uns sagt, wie die Sachen ‘sind’. Wir müssen sie nicht erfinden, wir müssen keine Geschichten erzählen, wir müssen meistens auswendig lernen, wie die Welt ‘ist’. Dadurch geht die Kreativität verloren. Bei Kindern ist es einfacher, aber die Erwachsenen müssen ihre Fantasie neu entdecken oder wieder entdecken.
Um zurück zu unserem Thema zu kommen: 2007 habe ich begonnen, mit Nichtprofis zu arbeiten. Den allermeisten Teilnehmern macht es Spaß, sie amüsieren sich bei den Übungen, sie lernen, flexibler und spontaner zu sein, und überwinden ihre Hemmungen. Es ist selbstverständlich keine schnelle Entwicklung. Man muss lange üben, bevor es wirkt und quasi zum Automatismus wird. Letztendlich geht es um eine bestimmte Denkweise, die man sich aneignen muss.

Was ist beim Improvisieren das Schwierigste – für Profis, beziehungsweise für Laien?
Die Profis sind gewöhnlich angstvoll, weil sie sehr viel an Status zu verlieren haben. Sie haben normalerweise ihren festen Text, an den sie sich gewöhnen, den sie interpretieren und mit Leben füllen, aber sie müssen den Text nicht erfinden. Sie „müssen gut sein“, deswegen sind sie oftmals sogar gehemmter als die Laien. Nichtprofis haben dadurch einen Vorsprung, dass sie Schauspiel nicht „können müssen“, sie lernen es erst jetzt und dies ist ihnen bewusst. Es gibt jedoch viele, die sich ohne Zugang zu Kunst entwickelt haben und sich seit der Kindheit keine Geschichten mehr ausgedacht haben – das ist natürlich ein Hindernis. Selbst wenn man Filme sieht, tut man nichts anderes, als aufzunehmen. Man denkt – leider! – nicht nach, wie man einen Film selber machen würde.