Klassische und zeitgenössische Musik aus Rumänien, Polen und Russland

Konzert des Radioorchesters unter Gerd Schaller mit Marta Kowalczyk als Solistin

Dan Dediu ist einer der erfolgreichen rumänischen Gegenwartskomponisten.

Wer am vergangenen Freitag das Konzert des Sinfonieorchesters des Rumänischen Rundfunks im Bukarester „Mihail Jora“-Saal besuchte, konnte klassische und zeitgenössische Musik aus drei Ländern und aus drei verschiedenen Jahrhunderten vernehmen.

Eröffnet wurde das Sinfoniekonzert mit der Aufführung eines zeitgenössischen Werkes: mit dem 2014 entstandenen Orchesterstück „Spini“ (Dornen) des 1967 in Brăila geborenen rumänischen Komponisten Dan Dediu. Das erstmals im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks dargebotene Werk mit der beeindruckenden Opuszahl 153 hatte seine Uraufführung am 19. März 2015 im Bukarester Athenäum unter Horia Andreescu erlebt.

Des Weiteren wurde das erste Violinkonzert (op. 35) des polnischen Komponisten Karol Szymanowski mit Marta Kowalczyk als Solistin dargeboten. Mit der Aufführung dieses selten gespielten Werkes durch eine polnische Violinsolistin feierte das Polnische Kulturinstitut in Bukarest, das an der Organisation des Konzertabends mit beteiligt war, nicht nur sein achtzigjähriges Bestehen und damit acht Dekaden rumänisch-polnischer Kulturbeziehungen, sondern zugleich auch neunundneunzig Jahre polnischer Unabhängigkeit.

Den Abschluss des Sinfoniekonzertes bildete die Aufführung von Pjotr Iljitsch Tschaikowskys fünfter Sinfonie (op. 64), die zusammen mit seiner vierten und seiner sechsten zu den beliebtesten Sinfonien des russischen Komponisten zählt und zugleich als integraler Bestandteil des Repertoires klassischer Musik auf den Konzertbühnen Europas betrachtet werden kann.

Die Erstaufführung von Dan Dedius zeitgenössischem Werk „Spini“ (op. 153), mit dem der Abend eröffnet wurde, war bereits ein erster Höhepunkt des Konzerts im Bukarester „Mihail Jora“-Saal. Zur allgemeinen Verblüffung der Zuhörer und Zuschauer drehten die Stimmgruppen der ersten Violine und des Cellos zu Beginn des Orchesterstücks die Resonanzböden ihrer Instrumente von sich weg und bestrichen mit ihren Bögen den ihnen nun zugekehrten schmalen Saitenabschnitt zwischen Sattel und Wirbeln.

Dabei erklangen metallisch-gläsern sirrende Töne, die von tiefen Quelllauten der Klarinetten begleitet wurden. Dieser ruhige und elegische Teil ging bald darauf in stark rhythmisierte Passagen über, in denen vor allem die Schlaginstrumente, unter ihnen das alles beherrschende Xylophon, die Führung übernahmen. Aber auch Streicher und Bläser ordneten sich diesem ubiquitären hackenden Gestus unter, bevor dann die Streicher endlich in Legati schwelgen durften.

In diesem Mittelteil wurde die Nähe der Kompositionen Dan Dedius zur Gattung der Filmmusik deutlich, die nicht vor gefälligem Sound und schwelgerischem Gehabe zurückschreckt. Doch bald befreiten sich die Instrumente wieder von diesem Ausflug ins Unterhaltungsgenre und besannen sich auf ihre ureigene Ausdruckskraft. Gewaltige Schläge, gemeinsam ausgeführt von allen Orchestergruppen dieses monumentalen Instrumentalensembles, durchschütterten das musikalische Geschehen, das wunderbar sacht mit denselben seraphisch-ätherischen Klängen des Anfangs zu Ende ging, umspielt von den tiefsten Tönen der Kontrabässe, des Bassfagotts und, in einer Schlussvolte, der Harfe mit einer letzten aufsteigenden Tonleiter. Der Komponist, der bei der Erstaufführung seines Werkes im Großen Saal des Rumänischen Rundfunks anwesend war, bedankte sich am Ende bei Dirigent und Orchester, die ihm ihrerseits Beifall zollten.

Nach einigen Bühnenumbauten betrat die polnische Violinsolistin Marta Kowalczyk im roten Galakleid die Szene, um gemeinsam mit dem Nationalen Radioorchester das erste Violinkonzert von Karl Szymanowski aufzuführen, der zu den bedeutendsten Vertretern der Komponistengruppe „Junges Polen“ gehörte und von Ravel, Bartók, Strawinsky und Skrjabin gleicher-maßen beeinflusst war. Das einsätzige Werk, das höchste Ansprüche an den Solisten stellt, ist weniger ein Violinkonzert im klassischen Sinne als vielmehr ein Orchesterwerk, das – wie schon Brahms’ Violinkonzert – Wert auf den Dialog zwischen Soloinstrument und Tutti, auf das musikalische Zwiegespräch zwischen der Violine und sämtlichen Orchestergruppen legt. Auch wenn manche Passagen der Solovioline vom Tutti des Orchesterensembles regelrecht zugedeckt wurden, so konnte die polnische Virtuosin, die momentan die Position der ersten koordinierenden Konzertmeisterin des Sinfonieorchesters Basel bekleidet, doch durchgängig zu ihrem Spiel finden: Allerhöchste Töne auf der E-Saite, teilweise als Flageoletts, rasende Doppelgriffpassagen, wuchtige Bogenschläge und zarteste hauchraue Bogenstriche machten die Darbietung des Szymanowskischen Violinkonzerts zu einem einzigartigen ästhetischen Genuss.

Angesichts der technischen Schwierigkeit dieses Werkes und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Violine darin kaum ganz alleine zu Worte kommt, ist es durchaus nachzuvollziehen, dass Szymanowskis erstes Violinkonzert auf den Konzertbühnen der Welt kaum zur Aufführung kommt. In der brillanten Kadenz und in der ebenso grandiosen Zugabe machte die Solistin freilich deutlich, dass man auf den Genuss reiner Solopassagen durchaus nicht verzichten muss, wenn man sinfonischen Solokonzerten lauscht.

Nach der Pause kam dann zum Abschluss des Bukarester Konzertabends Tschaikowskys Fünfte zur Aufführung. Hier konnte der in Bamberg geborene Orchesterleiter Gerd Schaller, der sich vor allem als Bruckner-Dirigent einen exzellenten internationalen Ruf erworben hat, sein ganzes sinfonisches Können zur Geltung bringen und das Nationale Radioorchester zu intensivsten Momenten musikalischen Ausdrucks beflügeln. Die wegen des Schicksalsmotivs als eines durchgängigen Leitmotivs in allen vier Sätzen auch als Schicksals-Sinfonie apostrophierte Fünfte von Tschaikowsky begeisterte die Zuhörer durchweg. Insbesondere das gelungene Zusammenwirken der einzelnen Orchestergruppen, der geschmeidige Klang der Streicher, die warmen Töne der Hörner, die strahlenden Fanfaren der Blechbläser und die melancholischen Melodien der Holzbläser formten sich zu einem musikalischen Ganzen, das von den Zuhörern mit lang anhaltendem Beifall akklamiert wurde. Es wäre zu wünschen, dass Gerd Schaller bald wieder einmal in Bukarest gastiert, das nächste Mal vielleicht mit einem Bruckner-Abend!