Knotenpunkt der musikalischen Kräfte Kronstadts

Noch eine erfolgreiche Auflage des Festivals „Musica Coronensis“

Das Quartett „Unisono“ – eine neue Präsenz im Rahmen des Festivals „Musica Coronensis“
Foto: Steffen Schlandt

„Musica Coronensis“ wird von Jahr zu Jahr professioneller und nähert sich zunehmend dem Ziel, ein Knotenpunkt der musikalischen Kräfte Kronstadts zu werden. Im Rahmen der Konzertreihe, die 2003 ins Leben gerufen wurde, gibt es praktisch nichts, was es nicht gibt. Kern des Festivals ist bekanntlich die Aufführung der Werke Kronstädter Komponisten (nicht nur) durch Kronstädter Interpreten – und unter Mitwirkung möglichst vieler Kulturinstitutionen der Stadt. Die Festspiele sind somit ein regionales Gemeinschaftswerk – vielleicht das einzige in diesem Umfang auf dem Gebiet der Tonkunst.

Mit der Programmvielfalt ist das Publikum schon seit den Anfängen der Festspiele vertraut. In diesem Jahr waren es konzertante und kammermusikalische Werke, Lieder und Vokalsinfonik, alte Musik, Meisterwerke der Klassik, neue Kompositionen in Uraufführung, Archivfunde oder frisch geschriebene Stücke junger zeitgenössischer Tondichter – die weniger bekannten unter den Komponisten wurden erfreulicherweise auch im Programmheft detailliert vorgestellt. Es wurden musikalische Jubiläen begangen, die Wiedereinweihung einer Orgel gefeiert, eine Medaille verliehen, eine CD vorgestellt. An den Konzerten beteiligten sich nicht nur die Musikensembles der (organisatorisch federführenden) Evangelischen Kirchengemeinde A.B. Kronstadt/Braşov, sondern gleichermaßen die Kronstädter Schüler, Studenten und Lehrer des Musiklyzeums, des [aguna-Kollegiums und der Musikhochschule, sowie die Oper, die Philharmonie, das Kulturzentrum Redoute und das Museum „Casa Mure{enilor“.

Dank der Förderer (Deutsche Botschaft Bukarest und weitere Partner) war der Eintritt zu den meisten Konzerten frei – und dort, wo er es nicht war, kam der Konzerterlös den Orgelrestaurierungsprojekten zugute. Einen Mehrwert für das Ansehen der Festspiele stellte in diesem Jahr auch die diplomatische Präsenz dar: Das Konzert der beliebten „Napocelli“, der zwölf Cellisten aus Klausenburg/Cluj, fand im Beisein des deutschen und des französischen Botschafters in Rumänien statt, die gemeinsam mit dem Publikum die 50-Jahrfeier seit Unterzeichnung des Elysée-Vertrags begingen. Das gesamte Festival stand im Zeichen der Freundschaft, wie die Diplomaten Werner Hans Lauk und Philippe Gustin unterstrichen, der Hoffnung und der Zuversicht, wie Stadtpfarrer Christian Plajer hervorhob, sowie der Verantwortung für das Kulturerbe, wie es der neue Träger der Honterusmedaille, Uwe Stiemke, bestätigte.

Nachdem am zweiten Festivalabend die „Napocelli“ eine bunte und publikumsnahe musikalische Reise von Wagner über Bizets „Carmen“ bis hin zu Piazzolla- und Gospelbearbeitungen unternommen hatten, wurde der darauffolgende Abend im neuen „Patria“-Saal den jungen Nachwuchstalenten gewidmet. „Eine ‘Radiografie‘ des einheimischen musikalischen Potenzials“ hatten sich die Veranstalter mit dem Schüler- und Studentenkonzert vorgenommen – und es war ein großer Gewinn, dass gerade der Dirigent Ilarion Ionescu-Gala]i durch den Abend führte. Weniger als prominenter Musiker, vielmehr als ‘dienstältester‘ Orchesterleiter der Stadt und als erfahrener Pädagoge erinnerte er an Generationen von Spitzenmusikern, die Kronstadt in der Vergangenheit hervorgebracht hat und kritisierte die sich stetig vermindernde staatliche Kulturförderung. Das Konzert bewies, dass es trotzdem an begabten angehenden Interpreten nicht mangelt – und dass es sich lohnt, sie zu unterstützen.

Ein Museum, das traditionsgemäß jungen Musikern Auftrittsmöglichkeiten bietet und Kammermusik in den Mittelpunkt seiner Veranstaltungen stellt, ist „Casa Mure{enilor“. Diesmal gaben zwei Sopranistinnen der Kronstädter Oper hier einen Liederabend. Cristina Radu gehört seit Jahren zu den hochkarätigen Solisten der Musikereignisse, die rund um die Schwarze Kirche stattfinden, und war im diesjährigen Festival an drei Abenden als Lied- und Oratoriensängerin beteiligt. Im Opernhaus teilt sie sich Rollen wie Donna Elvira oder Marguerite mit Anda Pop, die erstmals in diesem Jahr auch im Rahmen der „Musica Coronensis“ auftrat. Mit einem Repertoire, das sich auf Enescu und Debussy konzentrierte, und mit harmonierenden, reichen, flexiblen Stimmen gaben beide eine Kostprobe ihres Könnens.

Schließlich schlug die Musik, die vom Organisten Paul Cristian und dem Vokalquintett „Anatoly“ in der römisch-katholischen Kirche im Astra-Viertel mit Feingefühl und großer Ausdruckskraft dargeboten wurde, einen Bogen über die Jahrhunderte. Nicht nur die Auswahl der Werke ging vom siebenbürgischen Barock des „Codex Caioni“ bis hin zur Uraufführung einer Komposition von Lauren]iu Beldean, Jahrgang 1970; auch die Instrumente, die zum Einsatz kamen, stellten ein einzigartiges Duo dar. Es geht dabei um die älteste Orgel der Stadt, einem Instrument aus dem 17. Jahrhundert, das aus Budila hierher umgesiedelt wurde, und um die neueste Orgel Kronstadts, voriges Jahr errichtet von dem Orgelbaumeister László Bors. Die Kirche ist eine musikalische Entdeckung der „Musica Coronensis“–Veranstalter und verdient es – mit dieser bemerkenswerten Ausstattung – ins Konzertleben der Stadt aufgenommen zu werden. Man kann sich nur noch wünschen, dass noch mehr Förderer die Konzertreihe für sich entdecken und dass der musikalische „Lokalstolz“ der  Kronstädter zur Selbstverständlichkeit wird.