Kontinuität der Kulturhauptstadt

Events aus Luxemburg im Jubiläums-Jahr / Beiderseitige Beziehungen sollen ausgebaut werden

Daniel Plier (l.) bei der Vereidigung als Honorarkonsul durch Ministerpräsident Xavier Bettel
Foto: Guy Dockendorf

Daniel Plier und Krista Birkner in Taboris „Goldberg-Variationen“
Foto: Sebastian Marcovici

Ein Jubiläum der besonderen Art fand in Hermannstadt/Sibiu am 17. Juni statt: Im Beisein von Staatspräsident Klaus Johannis und Xavier Bettel, dem Ministerpräsidenten des Großherzogtums Luxemburg, wurden zehn Jahre seit der gemeinsam veranstalteten Europäischen Kulturhauptstadt begangen. Im Programm des zehnjährigen Jubiläums stand auch die Eröffnung des Honorarkonsulats des Großherzogtums Luxemburg im sogenannten Luxemburg-Haus am Kleinen Ring und die Einsetzung von Daniel Plier in dieses Amt. Sehr spät, kann man nicht umhin festzustellen. Die Renovierung des im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde Hermannstadt stehenden Schaser-Hauses mit Mitteln der staatlichen Denkmalpflege aus Luxemburg war das erste gemeinsame Projekt, das zur Zeit von Bürgermeister Klaus Johannis 2004 erfolgreich abgeschlossen worden ist. Die (erneut festgestellten) gemeinsamen Wurzeln der Siebenbürger Sachsen und der Luxemburger hatten das Interesse Luxemburgs an Hermannstadt ausgelöst. Die vor und während 2007 aufgebauten vielfältigen Beziehungen zwischen Hermannstadt und Luxemburg wurden auch nach dem erfolgreichen Kulturhauptstadt-Jahr fortgeführt. Die Personifikation der Kontinuität der Kulturhauptstadt ist Daniel Plier.

Der Honorarkonsul

Daniel Plier (Jahrgang 1968) wurde am Conservatoire de Luxembourg und an der Ecole Supérieure d’Art Dramatique-Académie Théâtrale Françoise Danell-Pierre Debauche ausgebildet, spielte an Theatern in Luxemburg und Frankreich sowie in Filmen. 2007 erhielt er eine Rolle am Theater in Esch in den von Silviu Purcărete im Rahmen des Kulturhauptstadt-Programms inszenierten „Metamorphosen“. Er lernte die Kollegen aus Hermannstadt kennen, erfuhr, dass es da eine deutsche Abteilung gibt, bewarb sich an dieser, erhielt in der Spielzeit 2010/2011 ein Festengagement und ist seit 2015 deren Leiter. In mehreren Stücken spielt er Hauptrollen, in einigen führte er auch Regie. Er ist zudem öfters auch bei Lesungen zu hören oder bei anderen Kulturprojekten. Nun kommt das Amt des Honorarkonsuls dazu. Wie viele Stunden sein Tag hat? „Ich arbeite noch an der Gabe der Ubiquität“, antwortet Plier im Scherz. Das Aufzählen der geplanten sowie angedachten Vorhaben machen jedoch klar, dass er das Verteilen der Stunden und Tage für die verschiedensten Aufgaben im Griff hat. Zudem wird an der deutschen Abteilung im Zuge einer Neustrukturierung ein guter Teil der administrativen Aufgaben im Bereich Planung und Organisation von Neuzugang Alexandra Murăruş, die Schauspiel und auch Übersetzung in Bukarest studiert hat (sie spielte in „Biedermann und die Brandstifter“ sowie „Märtyrer“ bereits mit), übernommen und dadurch ist er etwas entlastet.

Da die Kontakte zwischen Hermannstadt und Luxemburg hauptsächlich über Kultur laufen, bestehe seine Aufgabe als Honorarkonsul vorrangig darin, der Ansprechpartner für kulturelle Veranstaltungen zu sein, erläutert Plier. Auf jeden Fall sei es wichtig, an allen bedeutenden Events teilzunehmen – was auch einfacher ist, als eigene anzubieten, die jedoch nicht fehlen werden. Selbstverständlich werde er auch die anderen Aufgaben eines Honorarkonsul – Hilfestellung bieten für Luxemburger, Informationen über Luxemburg an Interessenten vermitteln usw. – gewährleisten. Auch bestehe der beiderseitige Wunsch, die Beziehungen zwischen Luxemburg und Hermannstadt auszubauen, wofür er sich ebenfalls einsetzen wird. All dies setze aber keinen 8-Stunden-Büro-Job voraus und Treffen im Konsulat werden vorher vereinbart. Demnächst wird er über eine offizielle E-Mail-Adresse und Telefonnummer verfügen, die über eine Pressemitteilung bekannt gegeben werden.

In rumänischen Medien wurde seine Beauftragung mit diesem Ehrenamt als Überraschung dargestellt, war sie eine Überraschung auch für ihn? Dass Leute von seiner Ernennung überrascht sind, verstehe er, denn er entspreche dem gängigen Image des Honorarkonsuls nicht, der meist Rechtsanwalt oder Unternehmer ist, meint Plier. Es habe jedoch der Wunsch bestanden, einen Vertreter zu haben, der für Kultur zuständig ist – und dieser Wunsch wurde unterstützt von Botschafter Christian Biever, der, für Rumänien und Griechenland zuständig, in Athen residiert, sowie Guy Dockendorf, einem der Kulturhauptstadt-Projekt-Betreiber. Von daher war Daniel Plier der Einzige, der in Frage kam. Im Luxemburg-Haus war bereits 2007 ein Büro der europäischen Kulturwege eröffnet worden, es hat wiederholt Aktivitäten und gemeinsame Programme gegeben, die aber ausliefen und nicht erneuert wurden, da bislang kein dauerhafter Ansprechpartner vor Ort war.

Events im gesamten Jahr

Dass Luxemburg 2017 in Hermannstadt im Jubiläumsjahr der gemeinsamen Kulturhauptstadt mit einer Vielzahl an Events präsent sein wird, hatte Daniel Plier bei der ersten Veranstaltung der Reihe im Februar angekündigt. Stattgefunden hatte die szenische Lesung von „Pegel der Gerechtigkeit“ von Nico Helminger, einem Schriftsteller in Esch an der Alzette, geboten wurde sie von Johanna Adam und Daniel Plier. Beim Jazz-Festival im Mai war eine Gruppe aus Luxemburg im Programm gestanden, der Fluglotsen-Streik verhinderte jedoch ihr Eintreffen. Drei luxemburgische Programmpunkte gab es beim Internationalen Theaterfestival – Werner Schwabs „Die Präsidentinnen“ in der Regie von Charles Muller wohnten Präsident Johannis und Ministerpräsident Bettel bei. Für den Honorarkonsul besonders beeindruckend war der Cello-Vortrag von André Mergenthaler in der Michelsberger Burg. „Für mich ist das ein besonderer Ort, es war das Erste, was ich vom Internationalen Theaterfestival 1999 gesehen habe“, sagt er. Mergenthaler möchte Daniel Plier nochmals einladen – um eventuell ein gemeinsames Konzert mit anderen Musikern aus Hermannstadt zu bieten. Beim Hermannstädter Ableger von TIFF war sodann ein Luxemburger Film („Barrage“) in der Regie von Laura Schroeder mit Isabelle Huppert zu sehen.

Als nächste luxemburgische Events in Hermannstadt bereits fest geplant sind zwei Orgelkonzerte an Samstagen und also außerhalb der Orgelspielreihe: am 17. September wird Laurent Felten und am 24. September Gilles Leyers in der evangelischen Stadtpfarrkirche konzertieren. Im Oktober möchte Daniel Plier eine Doppelveranstaltung mit den Goldberg-Variationen anbieten: Jean Müller, ein junger luxemburgischer Pianist, wird voraussichtlich am 13. Oktober die Bach’schen Goldberg-Variationen im Thalia-Saal interpretieren, vorher oder nachher soll George Taboris „Goldberg Variationen” (an der deutschen Abteilung von Charles Muller 2015 inszeniert) im Theater zu sehen sein. Durch die Goldberg-Variationen möchte Plier die Musik- und Theaterliebhaber vereinen. Für Dezember steht eine weitere Koproduktion des Radu-Stanca- mit dem Stadttheater Esch fest: Krista Birkner (in Neumarkt/Tg. Mureş geborene Schauspielerin, u. a. an der Schauspielbühne in Berlin und bereits in den „Goldberg-Variationen“ in Hermannstadt zu sehen) und Daniel Bucher (Absolvent der Athanor Akademie für Schauspiel und Regie in Passau und seit 2012 an der deutschen Abteilung des Radu-Stanca-Theaters) werden „Szenen einer Ehe“ von Ingmar Bergmann in der Regie von Charles Muller auf die Bühne bringen. Die luxemburgische Premiere findet am 5. und 6. Dezember statt, in Hermannstadt wird sie am 15. Dezember erfolgen, wonach das Stück im Repertoire der Hermannstädter Bühne bleibt, denn die Bühne in Esch ist kein Repertoire-Theater. Was die Hermannstädter Kultur-Events in Luxemburg angeht, so wurden die „Goldberg-Variationen“ im April in Esch gespielt und die „Metamorphosen“ wurden und werden genau gestern und heute gezeigt. Die Ovid-Inszenierung von Purcărete gelangt diesmal in der rumänischen Variante zur Aufführung – in der Daniel Plier ebenfalls mitspielt. Die Vorstellung, „die mich metamorphosiert hat“ (so Plier), wird in Esch gespielt (2007 waren die Aufführungen in Luxemburg-Stadt), der Kandidatin für die europäische Kulturhauptstadt 2022.

Ein nächstes Hermannstadt-Luxemburg-Projekt wird den luxemburgischen Regisseur und Autor Raphael David Kohn erneut an die deutsche Bühne bringen, um die „sehr schwarze Komödie“ (Plier) „Reasons to be pretty“ von Neil LaBute zu inszenieren. Neil LaBute hatte vor zwei Jahren beim Theaterfestival in Hermannstadt einen Workshop geboten, fuhr danach zu einem nächsten nach Konstanz, an dem auch Kohn teilgenommen hat, erzählt Plier. Da Rafael David Kohn im November seinen ersten Roman in Luxemburg vorstellt, möchte er mit dem Autor ganz gerne auch eine Lesung veranstalten. Der Raum des Konsulats bietet sich hierfür an. Eine Lesung aber möchte Daniel Plier auch selbst im Herbst halten: Beim Sortieren der vorhandenen Bücher stieß er auf einige mit interessanten Texten über Luxemburg und die möchte er dem Publikum nicht vorenthalten.

Auch Luxemburgisch

In Erwägung zieht Daniel Plier sodann Lesungen in Luxemburgisch (Letzebuergesch in der Eigenbezeichnung) – eventuell mit Übersetzung. Entwickelt hat sich in den letzten Jahren eine Luxemburger Literatur in zeitgenössischem und nicht mehr dem alten und verstaubten Luxemburgisch, vertreten insbesondere durch junge Dichter. Einen dieser Dichter – Jean-Michel Treinen – lernte Plier vor einigen Jahren bei der Aufführung des „Sommernachtstraums“ auf Luxemburgisch auf dem Wasser eines Stausees kennen. Auf Luxemburgisch lesen wäre überhaupt kein Novum mehr: Im vergangenen Jahr hatte Plier beim sächsischen Mundartwettbewerb in Michelsberg bereits Luxemburgisch gelesen und möchte versuchen, heuer ebenfalls dabeizusein. Ob er mit Sachsen in Siebenbürgen Luxemburgisch spreche? „Das Hermannstädter Sächsisch ist ein wenig anders, aber wir können uns verstehen. Das Bistritzer Sächsisch ist dem Luxemburgisch ähnlicher“, so Plier.


Wie viele Luxemburger außer ihm in Hermannstadt und Siebenbürgen leben? Er wisse es nicht. Er werde aber einen Appell ausschicken und bitten, sie mögen sich melden, sofern sie das möchten, sagt der Honorarkonsul. Da es heuer zu knapp an der Zeit war, konnte er keine Feier mehr zum Nationalfeiertag – am 23. Juni – organisieren, im kommenden Jahr aber soll es eine Veranstaltung geben. Weil das Datum so kurz nach dem Theaterfestival für ein kulturelles Event ungünstig fällt, könnte es ein gastronomisches sein. „Damit die Leute dann feststellen, dass sie das, was wir als typische Luxemburger Gerichte servieren, teilweise schon kennen“, meint Plier. Denn Gemeinsamkeiten bestehen auch bei Speisen.