Kreativität, Raffinesse und Humor trotz totalitaristischen Regimes

Illustrierte Kinderbücher aus dem sozialistischen Rumänien und der DDR

Foto: die Verfasserin

Im Nationalmuseum für Rumänische Literatur in Bukarest MNLR (Str. Nicolae Crețulescu Nr. 8) hat eine besondere Ausstellung illustrierter Bücher, insbesondere für Kinder, die von bedeutenden rumänischen und ostdeutschen Grafikern in den 60er bis 80er Jahren hergestellt wurden, bis Mitte Oktober stattgefunden.

Die unter der Betreuung von Projektkoordinatorin Carla Duschka (Atelierul de Grafică) ausgewählten knapp 40 Bücher sind im Zeitraum von 1957 bis 1989 entstanden und stammen aus der persönlichen Sammlung des Bukarester Journalisten Herbert Gruenwald sowie der GraphicFront-Bibliothek.

Ziel der Ausstellung war es, Licht in die vorbildhafte Professionalität der damaligen rumänischen Illustratoren und Drucker zu bringen, die noch wenigen Fachleuten in der Branche bekannt und für die breite Öffentlichkeit in Vergessen geraten oder eher unbekannt sind.

Durch die Ausstellung erfuhren die Besucher von Kooperationen zwischen heimischen und DDR-Verlagen wie zum Beispiel rumänische Übersetzungen mit Originalillustrationen und von der Zusammenarbeit zwischen rumänischen Illustratoren und deutschen Verlagen. Nicht zuletzt thematisierte die Ausstellung die Teilnahme und Auszeichnung rumänischer Bücher an internationalen Wettbewerben und Ausstellungen, wie der renommierten Internationalen Buchkunstausstellung in Leipzig sowie dem Wettbewerb „Schönste Bücher der Welt“, der in Deutschland seit 1963 stattfindet.

In diesem Sinne rief die Präsentation der rumänischen Titel neben Werken aus der ehemaligen DDR, die von Verlagen in den großen ostdeutschen Buchdruckzentren wie Leipzig und Berlin herausgegeben wurden, interessante stilistische, technische oder redaktionelle Parallelen hervor. Diese Zusammenführung verriet viel über die damalige Lage der Buchproduktion, über die oft beeindruckende Sorgfalt und das Engagement aller, die sich am Vorgang der Buchherstellung beteiligten.

Das außergewöhnliche Niveau der Zeichnungen und Komposition, die Kraft, Eleganz und der Humor mit manchmal surrealistischen Nuancen – gemischt mit der technischen Meisterschaft, der Platzierung auf dem Blatt und dem kohärenten Denken der Bücher als ein Ganzes – diese besonderen Eigenschaften gaben östlichen Werken einen soliden Status und eine Identität, die sie in der freien Welt jenseits des Eisernen Vorhangs mit Werken dieser mindestens auf dieselbe Stufe bezüglich der Buchgestaltung stellten.

In einem Interview für Pionier Press 2013 erzählte der Sammler Herbert Gruenwald über die Sonderexemplare während des Kommunismus entstandener rumänischer Buchkunst aus seiner Buchsammlung. „Ich erkannte die enorme Sorgfalt, mit der diese Illustratoren alle Aspekte des Buches behandelt hatten, einschließlich der Buchstabengröße, der Platzierung der Illustrationen und Vignetten auf der Seite. (…) Im kommunistischen Rumänien gab es zum ersten Mal nicht nur eine zusammenhängende Entwicklung der Buchgrafik im Sinne des modernen Designs, sondern auch eine beeindruckende Anzahl von Fachleuten. Es ist sicherlich ein Paradoxon, dass ein politisches System, das auf totaler Kontrolle des künstlerischen Schaffens und ideologischer Einheitlichkeit beruhte, das Entstehen einer echten stilistischen Vielfalt und sogar des spielerischen Experimentierens in der Kunst der Buchgestaltung ermöglicht hat.“

Warum eine Parallele zur DDR?

Zum einen, weil es Verbindungen und Erfahrungsaustausch zwischen den beiden Ländern des ehemaligen kommunistischen Blocks gab: Der Zugang rumänischer Grafiker zur deutschen Buchwelt, zur Buchstadt Leipzig, gab sogar Impulse zur Gestaltung von Büchern und Illustrationen aus Rumänien. Zweitens waren die von der ehemaligen DDR produzierten Bücher auf dem rumänischen Markt vorhanden, es gab sie in Buchhandlungen und Bibliotheken in Rumänien. Sie koexistierten mit den deutschsprachigen Büchern der Verlage Ion Creangă und Kriterion, die Titel in den Minderheitensprachen im Programm hatten. Und nicht zuletzt, weil der deutsche Raum durch eine lange, wohlbekannte Tradition ein unbestreitbares Zentrum der Buchproduktion ist. Die Leipziger Buchmesse war und bleibt – unabhängig von der politischen Lage – ein Meilenstein in puncto Exzellenz in der Buchgrafik. All dies sprach die Kuratorin der Ausstellung, Carla Duschka, in ihrer Rede bei der Vernissage an.

Gemeinsamkeiten und persönliche Kennzeichen der Illustratoren

Die stilistischen Gemeinsamkeiten zwischen den Illustratoren lassen sich wohl als Teil des damaligen Zeitgeistes interpretieren, es ist aber sehr gut möglich, dass sie zum Teil das glückliche Ergebnis konstruktiven Erfahrungsaustausches sind. Val Munteanu, der berühmteste rumänische Illustrator erkennt die Prägung durch den Meister Werner Klemke ausdrücklich. Munteanu und Klemke, beide Autodidakten, mit einer äußerst intensiven Tätigkeit, schufen jeweils eine beeindruckende Anzahl von Werken. Klemke, eine wirkliche Ausnahmepersönlichkeit, war eine Art Superstar unter den Illustratoren: besonders beliebt, geachtet und ausgezeichnet. Der große Umfang seiner Illustrationen, der vielfältig produzierten Bücher und Zeitschriften, sowie die Präzision, aber auch die Frische seiner Herangehensweise sind beeindruckend.

Die ausgestellten Bücher belegen vor allem das solide zeichnerische und handwerkliche Können, aufgrund dessen sich die Persönlichkeiten dieser Grafiker formten.

Die Ausstellung ermöglichte den Besuchern die Kreativität, Freude und kalligraphische Finesse von Klaus Ensikat, Vasile Olac oder Eva Johanna Rubin, die einfachen, monumentalen und dynamischen Formen von Eugen Taru, die genussvollen Kompositionen mit archaischer Neo-Dada-Fröhlichkeit bei Done Stan, die Kraft, Sicherheit und makellose Spontaneität bei Josef Hegenbarth, die dramatische Geste von Florica Cordescu, den sowohl raffinierten als auch poetischen Charakter von Marcela Cordescu, die technische und kompositorische Meisterschaft in den Stichen von Ion State und Mircia Dumitrescu, die großzügigen und verspielt-grotesken Szenen von Silviu Băieș, die sowohl modernen als auch monumentalen Figuren von Geta Brătescu und die Kühnheit von Dan Stancius Zeichnungen im Pop-Art-Stil (wieder) zu entdecken.

Diese Bücher und Illus-trationen veranschaulichen ein meisterhaftes Zusammenspiel zwischen künstlerischer Reife, spielerischem Geist und technischer Genauigkeit. Manchmal erreichen sie ein Niveau, das als klassischer Maßstab in Bezug auf den Begriff „schönes Buch“ angesehen werden kann und unabhängig von der heutigen Entwicklungsrichtung der Kinderbuchillustration und Buchgestaltung im Allgemeinen wichtig zu kennen und zu verstehen ist.

Der Weg des rumänischen Bildbandes wurde in den Jahrzehnten nach 1989 nicht nur unterbrochen, sondern es trat ein schmerzhafter Bruch auf, der nur teilweise, mühsam und mit kleinen Schritten überwunden werden konnte. Auch die Teilnahme an internationalen Ausstellungen, insbesondere an dem von der deutschen Stiftung Buchkunst organisierten Wettbewerb, was die Veranstaltung eines nationalen Wettbewerbs im Vorhinein voraussetzt, findet sehr selten oder gar nicht statt.

Es ist jedoch bewundernswert, wie unter dem kommunistischen Regime, trotz der totalitären Ideologien, des Mangels an Freiheit, der absurden Zensur, die Kreativität und Raffinesse der Illustratoren die vom sozialistischen Realismus auferlegten Grenzen überschritten und dabei die Zeichnung sowie technische und visuelle Lösungen Vorrang hatten.