Kultur als Heilmittel für europäische Krisen

Eröffnung des europäischen Jahres des Kulturerbes 2018: Gedanken und Perspektiven

Mit einem Auftritt der Gruppe Blue Noise wurde das Jahr des Kulturerbes 2018 im Bukarester Bragadiru-Palast eröffnet.

Der Initiator: EU-Parlamentarier Mircea Diaconu

Alexandru Oprean (Kulturministerium): 2018 ist für Rumänien ein gutes Jahr für den interkulturellen Dialog.
Fotos: George Dumitriu

Welcher Schauplatz könnte für die Eröffnung des europäischen Jahres des Kulturerbes 2018 besser geeignet sein, als ein historisches Denkmal selbst? So fand der festliche Akt, zu dem die Vertretung der EU-Kommission in Rumänien zusammen mit dem Institut für Denkmalschutz (INP) am 15. Februar geladen hatten, in würdigem Rahmen statt: im Gebäude des Bragadiru-Palastes, 1905 von Dumitru Marinescu Bragadiru nach Plänen des österreichischen Architekten Anton Schuckerl (1894) errichtet. In festlicher Atmosphäre erläuterten Angela Cristea, die Vertreterin der EU-Kommission in Rumänien, der Europarlamentarier Mircea Diaconu, Alexandru Oprean vom Kulturministerium und INP-Direktor Ştefan Bâlici mit seiner Stellvertreterin Irina Iamandescu die Bedeutung von Kulturerbe im europäischen Kontext.

Mit Kultur einen Anker setzen

„Warum organisieren wir dann und wann ein europäisches Jahr?“ Mit dieser Frage leitet Angela Cristea die Veranstaltung ein. „Um Ressourcen zu fokussieren und einem Thema Gewicht zu verleihen“, beantwortet sie dann selbst. Im Brennpunkt der europäischen Aufmerksamkeit stehen 2018 regionale und nationale Denkmäler, die gemäß dem Slogan „Wo sich Vergangenheit und Zukunft treffen“ unsere europäische Identität in einem multikulturellen Rahmen definieren. „In Anbetracht der Verwirrungen und Fehlentwicklungen der letzten Zeit sei es wichtig, sich auf Wurzeln zu besinnen und einen Anker zu setzen“ fährt Cristea fort.

„Und was könnte ein besserer Anker sein als Kulturerbe, zu dem jeder Mitgliedsstaat seinen einzigartigen Beitrag leisten kann?“
„Für dieses und auch nächstes Jahr stehen wichtige Ereignisse in Rumänien an“, erinnert Cristea: das hundertjährige Jubiläum der großen Vereinigung von 1918 und die Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2019, die mit einer Versammlung der Vertreter der 27 Mitgliedsstaaten in Hermannstadt/Sibiu eingeleitet werden soll, so die Pläne von Staatspräsident Klaus Johannis. „Für diesen Weg Rumäniens in die Zukunft wurde ein Slogan geprägt: „The road to Sibiu“ (die Straße, die nach Sibiu führt). Auf diesem Weg, der mit dem Jahr des Kulturerbes beschritten wird, könne Rumänien Anker setzen.

Nationalismus – neu interpretiert

Warum der Kultur plötzlich eine so hohe Bedeutung eingeräumt wird, erklärt der Schauspieler, ehemalige Kulturminister und aktuelle EU-Parlamentarier Mircea Diaconu als Initiator der Idee des europäischen Jahres des Kulturerbes. Er plädierte damit für eine neue, lebendige, vor allem aber integrative Herangehensweise an das Kulturerbe der einzelnen Länder zu einem gemeinsamen, europäischen. Schon vor zwei Jahren hatte er den Antrag im EU-Parlament eingereicht - zu seiner Überraschung erhielt er ihn (nach einem längeren bürokratischen Weg) zurück, versehen mit der Aufschrift „dringend“! Was kann so dringend daran sein?

„Dieses Jahr des Kulturerbes als gemeinsame Übung hat sehr große Chancen, die jüngsten Krisen und Probleme der EU zu behandeln“, erklärt der Parlamentarier. „Man lässt die Mitgliedsstaaten sich selbst darstellen - sich als Nation präsentieren, in einem riesigen Museum, wo jeder jeden betrachtet“ fährt er fort. Europa als buntes Kulturpuzzle, bei dem jeder Stein einzigartig ist - und unentbehrlich für das Gesamtbild. „Sharing Heritage“ lautet der Slogan.

„Es ist eine neue Form von Nationalismus – eine Chance, zu zeigen, wie europäisch wir sind“, erläutert Diaconu und hofft, damit eine andere Sichtweise auf die europäische Identität anzuregen. Einen Stolz auf die Vielfalt Europas - und auf das eigene, in diesem besonderen Sinne „typisch europäische“ Land. Auch im Zusammenhang mit der immer noch nicht überwundenen, vermutlich noch lange andauernden Migrationskrise sei es wichtig, den Zuwanderern, die aus Ländern mit bestimmten Religionen und Werten plötzlich in einen Raum kommen, in dem solche Werte weitgehend verloren gegangen sind, einen kulturellen Rahmen zu bieten, meint Diaconu.

„Ich hoffe, dass Rumänien dabei eine gute Figur abgibt“, plädiert der EU-Parlamentarier, „denn Rumänien kann mit Kulturerbe aufwarten, Rumänien ist eine kulturelle Macht.“ In diesem Sinne, schließt Diaconu, sei Kultur sogar ein Element der nationalen Sicherheit - und damit von größter Bedeutung.

Kulturerbe – der beste Botschafter

2018 sei ein gutes Jahr für den interkulturellen Dialog und die nachhaltige Bewerbung von rumänischem Kulturerbe, ergänzt Staatssekretär Alexandru Oprean vom Kulturministerium, zuständig für internationale und europäische Angelegenheiten und die Beziehungen zur UNESCO. Rumänien sei heuer auf gleich mehreren bedeutenden internationalen Messen vertreten. Kontinuität für die nächsten Jahre liefern: die rumänisch-französische Kultursaison vom 28. November 2018 bis 14. Juli 2019 (www.cultura.ro/sezonul-romania-franta), die rumänische EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2019, das 50. internationale Kunstfestival Europalia (www.cultura.ro/europalia) von Oktober 2019 bis Januar 2020, zu dem Rumänien als Ehrengast und Partner geladen ist, und schließlich die Europäische Kulturhauptstadt Temeswar/Timişoara 2021.

[tefan Bâlici und Irina Iamandescu vom INP bieten einen Ausblick auf die geplante Umsetzung des Kulturjahres auf nationalem Niveau. Der wichtigste und erste Schritt sei, die Wertschätzung von Kulturerbe zu fördern. Die Jugend müsse begeistert und aktiviert werden. Das Thema soll als Subjekt auf allen Ebenen im Unterrichtswesen eingeführt, sowie als wirtschaftliche Ressource erkannt und entsprechend kreativ genutzt werden (Tourismus, Events). Ein in Rumänien noch viel zu wenig praktizierter, neuer Ansatz ist der Schutz ganzer Kulturlandschaften im Ensemble (Beispiel: Roşia Montană), also die Verbindung von Kultur- und Naturerbe. Aber auch die kreative Erschließung von weniger bekannten Formen - etwa industriellem, kirchlichem oder militärischem Kulturerbe – sei geplant.

Was den Denkmalschutz betrifft, könne man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, räumt Bâlici ein. Auf jeden Fall müsse aber auch immaterielles Kulturerbe – bestehende, lebendige Traditionen – gefördert und genutzt werden. Iamandescu fasst treffend zusammen: „Unser Kulturerbe ist unser bester Botschafter!“