Lebenswege und Landschaften

Sonderausstellung „Siebenbürgische Künstlerinnen und Künstler in Europa“

Friedrich Miess: „Italienische Landschaft mit Zypressen und Disteln“, um 1910, Öl/Lwd., Siebenbürgisches Museum, Dauerleihgabe des Bundes

Anlässlich der EU-Ratspräsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland zeigt das Siebenbürgische Museum noch bis zum 4. Oktober die Sonderausstellung „Siebenbürgische Künstlerinnen und Künstler in Europa. Lebenswege und Landschaften“, heißt es in einer Pressemitteilung des Museums.

Anhand des eigenen Bestands an Gemälden und Grafiken vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart lassen sich europäische Bezüge der siebenbürgischen Künstlerinnen und Künstler, ihre Einflüsse sowie ihr Wirken außerhalb Siebenbürgens beispielsweise in Italien, Griechenland, Frankreich und Deutschland nachzeichnen.

Siebenbürgen, das Land jenseits der Wälder, ist ein Teil Europas, Mitteleuropas um genau zu sein. Diese Tatsache verschwand durch die Teilung des Kontinents in West und Ost in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die geografische Entfernung hierzulande lange aus dem öffentlichen Bewusstsein. Siebenbürgen ist durch seine ethnische wie landschaftliche Vielfalt aber auch eine plurikulturelle Region, sozusagen ein Europa im Kleinen. Seit dem Mittelalter bestanden, insbesondere auch durch den Einfluss der Siebenbürger Sachsen, rege wirtschaftliche aber auch kulturelle Kontakte in den Westen des Kontinents. Nach einer Phase der Stagnation der Malerei und Bildhauerei Siebenbürgens während der Epoche der sogenannten Türkenkriege blühte die lokale Kunstproduktion Ende des 18. Jahrhunderts wieder auf. Mit der Stiftung seiner in Wien zusammengetragenen Sammlung als öffentliches Museum für Hermannstadt/Sibiu legte Baron Samuel von Brukenthal (1721-1803) hierzu den Grundstein.

Zunächst war die Malerei in Siebenbürgen noch getragen von eingewanderten Künstlern. Aus der folgenden Generation erwuchsen jedoch bereits Künstlerpersönlichkeiten wie Arthur Coulin oder Friedrich Miess, die zu den Wegbereitern der modernen siebenbürgischen Malerei werden sollten. Einerseits fanden diese Künstler ihre Motive in der Heimat und gehörten 1904 zu den Gründungsmitgliedern des „Sebastian-Hann-Vereins für heimische Kunstbestrebungen“. Andererseits zog es sie bereits zum Studium nach München, Graz und Wien. Während Friedrich Miess nach einigen Schaffensjahren in Italien in seine Heimatstadt Kronstadt/Bra{ov zurückkehrte, ließ sich Arthur Coulin 1908 für immer in Rom nieder.

Mehr noch als bei diesen beiden Künstlern spiegeln die Lebenswege der folgenden Generation sich in ihren Werken wider. Sie brachen aus der bürgerlichen Enge ihrer Heimatstädte aus und wurden Teil der Münchner, Berliner oder Pariser Boheme. Expressiv und abstrakt befreiten sich in gleichem Maße Farbe und Form in ihrer Kunst. Voller Wissensdurst und Tatendrang sogen sie die revolutionären künstlerischen Strömungen ihrer Zeit auf und gelangten zu ganz eigenen Interpretationen und Experimenten.

Zu diesen zählen unter anderen Hans Mattis-Teutsch sowie Grete Csaki-Copony, Ernst Graeser oder Henri Nouveau, der in Paris zu einem bedeutenden Vertreter des Surrealismus wurde. Hans Mattis-Teutsch ist sicherlich der kosmopolitischste Künstler Siebenbürgens, da er sowohl Teil der Berliner als auch der ungarischen und rumänischen Kunstavantgarde war. Der Kronstädter Ernst Graeser gehörte zusammen mit Willi Baumeister, Oskar Schlemmer und Ida Kerkovius zum Kreis um Adolf Hölzel. Er ließ sich in Stuttgart nieder, während seine älteren Brüder Karl und Gusto bereits zu Mitbegründern des Monte Verità bei Ascona und zu Galionsfiguren der Lebensreformbewegung geworden waren. Grete Csaki-Copony wurde 1927 Mitglied des „Vereins der Künstlerinnen zu Berlin“. Dort feierte sie künstlerische Erfolge und lernte u. a. Gabriele Münter kennen, mit der sie fortan eine lebenslange Künstlerfreundschaft verband. 1934 zog sie mit ihrer Familie nach Stuttgart. Griechenland, insbesondere die Insel Ägina, wurde ihr ab 1954 eine zweite Heimat.
Diese Generation siebenbürgischer Künstlerinnen und Künstler war allerdings auch die erste, die nicht nur aus selbstbestimmten Gründen Ortswechsel innerhalb Europas vollziehen musste. Die zwei Weltkriege brachten Zwänge mit sich, die auch in den Werken ihren Widerhall fanden.

Die nächste Künstlergeneration konnte teils nach dem Zweiten Weltkrieg nicht nach Siebenbürgen zurückkehren, teils erlebte sie Deportation und Stalinismus im kommunistischen Rumänien. Angekommen in der Bundesrepublik finden sich bei diesen Künstlerinnen und Künstlern Schilderungen der neuen Lebensrealität, besonders aber auch Darstellungen von Reisen durch Europa, die den Aufbruch in Freiheit und Wohlstand der Wirtschaftswunderzeit wiedergeben, so etwa in den Farbholzschnitten von Heinz Schunn oder den Grafiken Hildegard Schiebs.

Die Ausstellung wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien.