„Monster, blutrünstige Verschlinger von Menschenfleisch“

ADZ-Serie Geschichte Siebenbürgens – Teil 2/5: Hintergründe und Folgen der Mongoleninvasion von 1241-1242

Krönungszeremonie von Dschingis Khans Sohn Ögodei zum Großkhan

Musste Dschingis Khan seine „niedere Herkunft“ und sein schwächliches Image als Kind mit blutigen Eroberungen wettmachen?
Fotos: Wikimedia Commons

Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung wurde Dschingis Khan nicht in einen stolzen Steppenclan hineingeboren. Er gehörte einem verachteten Stamm der Wälder an. Wie in vielen ähnlichen Fällen ehrgeiziger Persönlichkeiten spornte ihn seine niedrige Herkunft zu Höchstleistungen an. Dies umso mehr, als seine frühen Erfahrungen eher Rückschläge waren: In der Kindheit tötete er seinen älteren Halbbruder, er wurde von einem rivalisierenden Stamm gefangen genommen, konnte jedoch fliehen. Unter solchen Umständen konnte der gequälte Junge seinen Instinkt zum Überleben und zur Selbsterhaltung schärfen, vielversprechende Eigenschaften für die später zu erzielenden Errungenschaften. Weiter ist bekannt, dass er als Kind Hunde fürchtete und leicht in Tränen ausbrach, während sein jüngerer Bruder als stärker galt, als besserer Ringer und Bogenschütze. Sein Halbbruder hingegen kommandierte ihn herum und piesackte ihn, wo es nur ging.

Wohl aus diesem Leidensdruck heraus besiegte Dschingis Khan als Erwachsener alle Mächtigeren als er selbst und eroberte alle Stämme der mongolischen Steppe. Im Alter von fünfzig Jahren, wenn die meisten Menschen bereits an ein ruhigeres Leben denken, ließ er die eroberten Mongolengebiete dann hinter sich und nahm neue Territorien unabhängiger Völker wie chinesische Königreiche oder die verwandten Türken Zentralasiens ein. Mit seiner Eroberungswut setzte er hohe Standards für seine Söhne und über dreißig Enkel.

Das Vermächtnis von Dschingis Khan

Dschingis Khans hohe Ansprüche führten nicht nur zu Erfolg auf den Schlachtfeldern. Er wandte sie auch auf seine eigene, außergewöhnliche Persönlichkeit an, was zu seinem Vermächtnis beitrug.

Dieses Bild wurde aller-dings durch die Verbindung mit den Taten seiner manchmal ausschweifenden Nachfolger getrübt, denen die Disziplin und die Ehrerbietung gegenüber schamanistischen spirituellen Traditionen Dschingis Khans fehlten. Letztere veranlasste ihn oft dazu, vor seinen Schlachten allein Eintracht mit den Mächten des Himmels zu suchen.

Seine Nachfolger hingegen erzielten ihre Erfolge meist auf pragmatischeren Wegen. Zum Teil führten sie Dschingis Khans Methoden manchmal übertrieben weiter, manchmal aber verwendeten sie ganz neue. Kubilai etwa, Toluis ältester Sohn, erreichte die mongolische Expansion in den Süden Chinas auf politischem Wege. Außerdem übernahm er buddhistische Ideen, die ihn den Einheimischen näher brachten.

Die üblichere Methode der Nachfolger Dschingis Khans aber war eine, die sich bei seinen Eroberungen bewährt hatte: Frieden anzubieten als Gegenleistung für freiwillige Unterwerfung. Wenn das „großzügige“ Angebot allerdings abgelehnt wurde, war die Brutalität des darauffolgenden Angriffs grenzenlos.

Ein Beispiel ist das Friedensangebot, das Dschingis Khan 1218 dem benachbarten muslimischen Khwarezmid-Reich unterbreitete. Als der zweite Anlauf der Emissäre durch den Schah mit deren Enthauptung vergolten wurde, alle bis auf einen, war die folgende Invasion gnadenlos. Viele der Stadtbewohner wurden auf schreckliche Weise hingerichtet. Dem Gouverneur wurde geschmolzenes Silber in Augen und Ohren gegossen. Bis 1220 war das gesamte Reich ausgelöscht.

Ungeplante Schlacht am Kalka-Fluss

Vor dem Einfall in Siebenbürgen kämpften die Mongolen gegen die Kumanen und stießen dabei auf die Streitkräfte der Rus, die sich durch das Vordringen in ihre Gebiete bedroht fühlten. Ob es sich um eine List oder eine echte Friedensbotschaft handelte, bleibt unklar; Tatsache ist jedoch, dass die Mongolen 1223 Gesandte an den Fürsten der Rus, Mstislaw III. von Kiew, schickten. Die Nachricht muss auf diesen eher wie eine Aufforderung zur Unterwerfung als ein Friedensangebot gewirkt haben, denn der Prinz beschloss umgehend, die Abgesandten hinrichten zu lassen.

Eine solche Tat ließ den mongolischen Generälen Subutai und Jebe, stolze Sieger vieler Schlachten, keine andere Wahl, als die Armee der Rus anzugreifen, obwohl sie größer war als die eigene (dies, weil die meisten Prinzen der Rus daran teilnahmen). Subutais brillante Strategie, den Rückzug vorzutäuschen, bis er den richtigen Moment für einen Angriff erachtete, zahlte sich wie in der Vergangenheit auch hier aus und sollte sich auch in den zukünftigen Schlachten gegen die Wolga-Bulgaren, die Städte der Rus und schließlich die Ungarn bewähren. Die Fürsten der Rus wurden am Kalka-Fluss (höchstwahrscheinlich der heutige Kalchik-Fluss) mit großen Verlusten besiegt und die gefangenen Fürsten durch Ersticken unblutig umgebracht. Ein „unblutiger Tod“ galt bei den Mongolen als Privileg, das nur den Adligen vorbehalten war, doch es scheint, dass sie diese Ehre auch ihren Feinden erwiesen.

Wie der Historiker de Hartog in Bezug auf Dschingis Khan bemerkte, was man aber auf alle mongolischen Führer beziehen könnte, ist, dass sie ihre Zeitgenossen an Grausamkeit und Zerstörungskraft nicht unbedingt übertrafen. Doch wurden diese von den zeitgenössischen Chronisten wegen dem außergewöhnlichen Ausmaß der Eroberungen viel besser und genauer registriert.

Der Sieg am Kalka-Fluss schien eine zufällige Schlacht gewesen zu sein, die nicht weiter ausgenutzt werden konnte, weil die mongolischen Kämpfer weder die Zeit noch die Zahl gehabt hätten, die ummauerten Rus-Städte einzunehmen und auszuplündern, wo der lohnenswerte Reichtum verborgen war. Doch sollte zwölf Jahre später im Jahr 1235 im Khuriltai, dem mittelalterlichen Rat der Mongolen und Turkvölker-Häuptlinge und Khans (das Wort „khur“ bedeutete versammeln/diskutieren), die Entscheidung getroffen werden, zumindest die damals gesammelten Aufklärungsergebnisse zu nutzen. Diese Informationen ergaben, dass alle drei Schlüsselfaktoren für eine mongolische Invasion vorhanden waren: das Potenzial für Beute, die erwarteten jährlichen Tribute und das Vorhandensein von Weideland.

Europa-Feldzug akribisch geplant

Die meisten Europäer betrachteten die Invasionen der Mongolen aufgrund der Berichte von Flüchtlingen aus dem Osten als willkürliche, gewaltsame Überfälle. Sie hatten keine Ahnung von der detaillierten Planung, die in den fünfjährigen Feldzug der Mongolen einging, einem Militär, das seinen Höhepunkt längst erreicht hatte. Sie erkannten auch nicht in ausreichendem Maße, dass die Mongolen bis zu diesem Zeitpunkt die beste chinesische und muslimische Technologie und das beste militärische Wissen absorbiert hatten, was sie zu einer unglaublichen Streitmacht machte.

Hinzu kam, dass die Mongolen begnadete Reiter und Bogenschützen waren. Den Steigbügel hatten sie von den Chinesen übernommen, er entspricht der heutigen Version. Diese Bügel erlaubten dem Reiter, stabil über dem galoppierenden Pferderücken zu stehen, um mit Pfeil und Bogen richtig zielen zu können. Dies allerdings benötigte sehr viel Training. Die Technik wurde den Mongolen bald zur zweiten Natur. Die Genauigkeit ihres Bogens konnte lange Zeit selbst vom Schießgewehr nicht erreicht werden. Allerdings benötigte man zum Schießen mit dem Gewehr nicht viel Training, weswegen es Pfeil und Bogen trotzdem rasch ersetzte. Um die fehlende Genauigkeit zu kompensieren, schoss zu Anfangszeiten des Gewehrs immer eine ganze Reihe von Schützen auf dasselbe Ziel. Erst im 18. Jahrhundert wurden spiralförmige Rillen in die Bohrungswand geschnitten, um der Kugel die Richtung zu sichern.

Vorauseilende Kunde grausamer Massaker

Die ersten Opfer der Europa-Kampagne waren die Wolgabulgaren, deren Gebiet mit ihren ausgedehnten Weiden zum Hauptlager der Mongolen wurde. Als nächstes folgten die Fürstentümer der Rus, die alle mehr oder weniger dem gleichen Protokoll unterworfen wurden: mongolische Gesandte boten die Oberherrschaft an, wenn das Fürstentum kapitulierte und zustimmte, einen zehnprozentigen Tribut auf alle Güter zu zahlen. Im Gegenzug dürfe das Fürstentum seine Herrscherfamilie und seine Religion behalten und wäre vor anderen Feinden geschützt.

Die meisten Fürstentümer lehnten das Angebot ab. Die heftigen, gnadenlosen Reaktionen der Mongolen darauf veranlassten Friedrich II., den Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Heinrich II. von England vor dem drohenden „Ruin des gesamten Christentums“ zu warnen: die Fürstentümer der Rus hätten ein „allgemeines Gemetzel, eine allgemeine Verwüstung der Königreiche und den völligen Ruin des fruchtbaren Territoriums“ erlebt, durch das diese gottlose Horde von Menschen streifte, „ohne Geschlecht, Alter und Rang zu verschonen, während sie zuversichtlich hoffen, den Rest der Menschheit vernichten zu können.“
Der zeitgenössische Chronist Matthew Paris, der in seiner „Historia Anglorum“ den Brief Friedrichs II. wiedergab, geht in der Hetzrede gegen die Mongolen noch weiter: Sie seien „unmenschlich und von Natur aus eher Tiere als Menschen, eher Monster als Menschen, blutdürstend und bluttrinkend, Verschlinger von Hunde- und Menschenfleisch.“

Gerechterweise sei erwähnt, dass zu der Zeit im Jahr 1240, als Matthew Paris seinen hysterischen Hass auf die Mongolen niederschrieb, die „Monster“ den besiegten Kiewer Kommandanten Dimitri, der sich ihre Bewunderung durch sein militärisches Talent und seine Hartnäckigkeit verdient hatte, am Leben ließen und befreiten.

Redaktionelle Anpassung: Nina May

Die fünfteilige Serie „Geschichte Siebenbürgen: Hintergründe und Folgen der Mongoleninvasion von 1241-1242“ erscheint wöchentlich jeden Freitag.

Teil 1 finden Sie hier.