Mozarts Opera buffa „Così fan tutte“ in der Bukarester Nationaloper

Premierenwochenende einer rumänisch-britischen Koproduktion

Die Rolle der Fiordiligi ist mit Simona Neagu, aber auch mit Andreea Soare (Foto) besetzt.

Die rumänisch-britische Koproduktion des „dramma giocoso“ von Lorenzo da Ponte, das zunächst für Antonio Salieri bestimmt war, dann aber von Mozart musikalisch umgesetzt wurde, ist erst die dritte Inszenierung der Oper „Così fan tutte“ (So machen es alle Frauen) an der Bukarester Nationaloper. Im Jahre 1965 wurde die umstrittene und lange Zeit verkannte Oper Mozarts, die heute einen gleichberechtigten Platz neben Meisterwerken wie „Figaros Hochzeit“ oder „Don Giovanni“ einnimmt (deren Libretti ebenfalls von Lorenzo da Ponte stammen), zum ersten Mal in Bukarest auf die Bühne gebracht, und zwar unter der Regie von Hero Lupescu. Die zweite Bukarester Inszenierung von „Così fan tutte“ hatte dann vor genau zehn Jahren in der Nationaloper Premiere, Regie führte damals Ştefan Neagrău.

Am letzten Februarwochenende wurde nun in der rumänischen Kapitale das 1790 in Wien uraufgeführte musikdramatische Werk Wolfgang Amadeus Mozarts in einer dritten Neuinszenierung dem Bukarester Publikum präsentiert, gleich zweimal in ausverkauften Sälen und in ganz unterschiedlichen Besetzungen. Allein Andrei Lazăr in der Rolle des Ferrando war an beiden Abenden zu hören, die fünf anderen Gesangssoloparts sowie die Tanzrollen der Primaballerina und des Primoballerino wurden am 27. und am 28. Februar jeweils von völlig anderen Künstlern interpretiert. Regisseur der rumänisch-britischen Koproduktion der Nationaloper Bukarest gemeinsam mit der Garsington Opera in Buckinghamshire war der Brite John Fulljames, der auch für das Londoner Royal Opera House in Covent Garden inszeniert. Als sich in Bukarest der Vorhang, noch vor dem Erklingen der Ouvertüre, hob, glaubte man als Zuschauer zunächst, einer traditionellen Aufführung aus der Mottenkiste der Operngeschichte beiwohnen zu müssen, wurde dann aber schnell eines Besseren belehrt.

Die Kostümballmaskerade wurde durch das Auftreten Despinas, verkörpert durch die sängerisch und schauspielerisch hervorragende Florina Ilie, als Maîtresse de Plaisir und als Alter Ego des Regisseurs sofort ironisch gebrochen, und spätestens bei den Tanzeinlagen der Festgäste wurde deutlich, dass hier keiner historistischen Fiktion gehuldigt wurde, sondern dass Geschichte im postmodernen Modus präsent war. So betraten Guglielmo (Daniel Filipescu) und Ferrando (Andrei Lazăr) abwechselnd in historischer Galauniform, im modernen Kampfanzug und als auf dem Tandem einher radelndes Hippie-Freundespaar mit dem Peace-Zeichen auf der Hemdbrust die Bühne, und der von Despina ins Spiel gebrachte Defibrillator gab Anlass für wunderbare choreographisch-humoristische Einlagen des männlichen Gesangspaares.

Überhaupt war es ein Genuss zu sehen, dass der Tanz als Grundelement der Inszenierung von Anfang bis Ende permanent durchgehalten wurde. Bereits die Tatsache, dass die Ouvertüre nicht nur vom Orchester gespielt, sondern von den auf der Bühne befindlichen Sängern, insbesondere aber vom solistischen Ballettpaar (Ileana Sora, Florin Mihalache), auch getanzt wurde, und zwar bis in feinste und filigranste choreografische Umsetzungen der Mozartschen Musik hinein, sorgte für eine herrliche Synästhesie des optischen und des musikalischen Genusses. Der leichte und schwebende Tanz überspielte auch einen heiklen Punkt des Librettos, das zu Mozarts Zeiten als besonders unmoralisch galt und das einen zentralen Punkt der Dramenhandlung gänzlich unreflektiert lässt, nämlich die Tatsache, dass Guglielmo und Ferrando in ihrer Verkleidung nicht etwa die Treue der jeweils eigenen Braut auf die Probe stellen, sondern die Charakterfestigkeit der Braut des jeweils anderen. Dass die beiden Busenfreunde nach dem vollzogenen fleischlichen Genuss der Braut des Mitbräutigams wieder zur Tagesordnung, der vorzubereitenden Eheschließung nämlich, zurückkehren, als wäre nichts gewesen, ist ein Skandalon, das der Regisseur dieser Inszenierung aber nicht emphatisch auslotet, sondern tänzerisch übergeht. So will es eben der Tanz, dass man den Partner wechselt und danach wieder ohne Reue, mit neuem Spiel und neuem Glück, zum vorigen zurückkehrt.

Neben der abwechslungsreichen, sensiblen, humorvollen und kreativen Regie begeisterte bei dieser Neuinszenierung auch das Bühnenbild (Dick Bird), das, anfänglich vielleicht etwas zu britisch (Ascot ließ grüßen!), Eindrücke schuf, die im Gedächtnis haften blieben, etwa das Bild der beiden Bräutigame im grasgrünen Naturambiente auf einer Schaukel, über der dann später das Rüschenkleid Dorabellas zum Beweis ihrer verlorenen Unschuld und Ferrandos verlorener Wette baumelte. Die musikalische Gesamtleitung durch Adrian Morar bescherte den Zuhörern wunderbare Momente, nicht nur im instrumentalen Bereich, sondern auch und vor allem im Bereich des Ensemblegesangs. Nicht von ungefähr erhielten alle Sängerinnen und Sänger am Ende rauschenden Beifall, der nicht nur ihrem solistischen Können galt, sondern darüber hinaus ihrer Fähigkeit, ihre Stimmen mit anderen im Duett, Terzett, Quartett, Quintett oder Sextett zu verbinden, zu verflechten und zu verschmelzen.

Neben den bereits genannten sind deshalb auch die herrlichen Stimmen von Simona Neagu (Fiordiligi), Maria Jinga (Dorabella) und Iustinian Zetea (Alfonso) besonders hervorzuheben. Der von Daniel Jinga einstudierte Chor rundete den erhebenden Gesamteindruck des Opernabends am 28. Februar meisterlich ab. Vielleicht gelingt es der Nationaloper Bukarest ja auch in den kommenden Spielzeiten, derartige Koproduktionen, die in der europäischen Opernszene der Gegenwart immer häufiger werden und positive Synergieeffekte bei allen Beteiligten zu erzeugen vermögen, nach Bukarest zu holen oder gar in Bukarest zu initiieren.