Musik auf dem Lande in früherer Zeit

Das Kleinschenker Notenarchiv wurde geordnet

Es begann mit einem Notenblatt, das aus dem staubigen Sakristei-Schrank in Kleinschenk inmitten eines ungeordneten Haufens ragte. Flügelhorn, handgeschrieben, schwer lesbar. Der Komponist: Martin Thies – aha, der gute Blasmusiker aus Wolkendorf/Vulcan, der Autor zahlreicher beliebter Stücke wie zum Beispiel des unverwüstlichen Seminaristenmarschs! Der Titel aber hatte es dem forschenden Auge angetan: Firma Scherg-Marsch. Um diese Partitur zu ergattern, sie aus zahlreichen, hoffentlich vorhandenen Stimmblättern zusammenzustellen, ließ sich Kurt Philippi, ein Nachfahre der Kronstädter Industriellenfamilie Scherg, darauf ein, sieben Bananenkisten voller alter Noten und Einzelblätter zu ordnen.

Die Arbeit dauerte ein halbes Jahr. Ungeahnte Dinge kamen zum Vorschein. Sie werfen ein Licht auf die musikalische Praxis vergangener Tage in einem kleinen Dorf nahe Fogarasch. Musik im Alltag, Musik zu Festen und Feiern, Klänge der Trauer und der Freude, all das und noch viel mehr ist jetzt aus dem Kleinschenker Musikarchiv herauszulesen. Wie wurden musikalische Kenntnisse vermittelt?

Darüber geben Hefte Auskunft, wo Jungen, um bei den geachteten Adjuvanten dabei sein zu dürfen, Notenschreiben lernten. Woher kamen die gespielten oder gesungenen Stücke? Es war kaum Geld für gedruckte Noten vorhanden. Man hätte diese ja auch im neunzehnten Jahrhundert aus Wien bestellen müssen. Beim Schein der Kerzen und Talglichter wurde fleißig abgeschrieben. Manch ein junger Bursche brachte Musik aus seiner Militärdienstzeit mit. Der Pfarrer leitete einen Chor, versuchte sich auch als Liedermacher und Arrangeur. So entstand zum Beispiel das Heimatlied „Me Kloischink“. Familie Franck bescherte dem Dorf über vier Generationen begabte und weltoffene Musiker, die teils auch bei der Militärmusik in Kronstadt Karriere machten. Besonders schön und wundervoll geschrieben ist ein großes Heft mit Musik von virtuosen Violinsonaten, über Flötenstücke bis hin zu Salonstücken für Klavier. An langen Winterabenden probte man Singspiele. Dass dabei auch „Der geprellte Jude“ zum Vorschein kam, ein gedrucktes „Werk“ von Josef Eisenburger, gehört leider mit in die Musikgeschichte des Ortes.

Die Aufarbeitung dieses umfangreichen Archivs wurde vom Nationalen Rat für Kulturgut AFCN im Rahmen des Projekts „Muzici de Cincșor/Musik aus Kleinschenk“ gefördert. Im Rahmen eines Konzerts spielte das Ensemble Cantate Domino unter Leitung von Ursula Philippi Musik aus diesem Archiv. Gleichzeitig konnte das Publikum ausgewählte Partituren als Bildershow betrachten und einige sogar selbst zur Hand nehmen.
Und der Firma Scherg-Marsch? Als die letzte Bananenkiste voller Noten geordnet war, ließ er sich Stimme für Stimme fast vollständig zusammensetzen. Ein Blatt fehlt leider immer noch!