Musik ohne Grenzen und Tanz um den Drachenbaum

CD-Präsentation von Mircea Tiberian und Maurice de Martin

Das Konzert von Mircea Tiberian (l.) und Maurice de Martin war ein unvergessliches Erlebnis.

Maurice de Martin demonstrierte die vielfältige Einsetzbarkeit seiner Instrumente. Fotos: die Verfasserin

Fantasie ist ein Begriff, den man wahrscheinlich kaum besser musikalisch übersetzen könnte, als Mircea Tiberian und Maurice de Martin es am Abend des 2. Februar im Auditorium des neuen Gebäudes der Bukarester Musikuniversität geschafft haben. Vor einem vollen Saal stellten die beiden Künstler ihr neues Album vor: „Dance Around the Dragon Tree“ (Tanz um den Drachenbaum) heißt das Werk, das durch Unterstützung der Deutschen Botschaft entstehen konnte. Botschafter Cord Meier-Klodt war zum Anlass der Präsentation auch anwesend.

Das zweiteilige Konzert begann mit einer Ansprache von Florian Lungu, dem langjährigen Jazzkritiker und -präsentator, der mit viel persönlichem Wissen die Geschichte des Duos in sehr angenehmem, familiärem Licht vorstellte. Mircea Tiberian, gebürtiger Hermannstädter, Komponist, Pianist und Professor für Jazz, und der Berliner Perkussionist und Professor de Martin kennen sich nun schon 20 Jahre, haben mit unzähligen Künstlern aus aller Welt zusammengearbeitet und eine Vielzahl an Platten aufgenommen, meist unter dem Projektnamen „Interzone“. Es sei jedoch das erste Mal, dass nur die beiden an einer Aufnahme und dem dazugehörigen Konzert teilnehmen.

Lungu erwähnte unter anderem die große Beliebtheit Tiberians unter den Studenten des Konservatoriums Bukarest, wo er seit 1990 unterrichtet und damals die Abteilung für Jazz gegründet hat. Kein anderer Professor erfreue sich so vieler Studenten wie er, was auch im Publikum beobachtet werden konnte – etwa ein Drittel der Zuschauer und Zuhörer waren aktuelle und gewesene Schüler des Musikers.

De Martin ist ein Weltenbummler, seit Beginn seiner Karriere hat er unter anderem in New York, der Schweiz und Polen studiert, gelebt und gearbeitet, von 1997 bis 1999 studierte er osteuropäische Musik an der George-Dima-Universität in Klausenburg/Cluj-Napoca und ist mittlerweile Hochschuldozent und Forscher in Bereichen der Künstlerischen Forschung, Transdisziplinarität und Improvisation. Als Musiker wirkt er in Crossover-Projekten von Avantgarde-Jazz, Neuer Musik, Improvisationsmusik und osteuropäischer Folklore, spielt aber auch Noise, Metal, Rock und verschiedene Formen elektronischer Musik.

Das komplett frei improvisierte Konzert begann mit einem feinen Beckenklang, den de Martin mit dem Streichen eines Geigenbogens entlang des Beckenrandes erzeugte. Ab den ersten Momenten war klar, dass sein Schlagzeug nicht zu einer klassischen Art der Anwendung bestimmt war. Ein ganzes Arsenal an Instrumenten, großen und kleinen Trommeln, Pauke, unzähligen Becken aller Art, Glocken in den verschiedensten Größen und viele weitere „Spielzeuge“, standen bereit, alle paar Minuten kam ein neues zum Vorschein. De Martin schien eine endlose Reihe an verschiedensten Klangerzeugern auf Lager zu haben. Schrittweise entstand ein Ambiente von erst chaotischen Geräuschen, ab und an unterbrochen von plötzlichem Krach, um dann umzuschwenken zu feinen harmonischen Färbungen, gefolgt von tribalen Rhythmen und Jazz-Akkorden – eine abenteuerliche Reise durch eine ganz besondere, unvorhersehbare Klangwelt, in der sich die Künstler frei entfalten konnten und man die beiden Charaktere in einem fast telepathischen Zusammenspiel miterleben durfte.
Wie es beim Free-Jazz oftmals der Fall ist, wäre auch diese Musik bestimmt nicht für jedermanns Ohren ein Genuss, den Geschmack des anwesenden Publikums hat sie jedoch punktgenau getroffen – dankbar drückte es durch lauten Applaus seine Begeisterung aus.

Wie auch das Konzert ist „Dance Around the Dragon Tree“ ein frei improvisiertes Album, das im April letzten Jahres an Ort und Stelle der Aufnahme entstanden ist. Es enthält vier „Instant-Kompositionen“, wurde von Darius Rus aufgenommen und von Călin Ioachimescu bearbeitet. Die schöne Grafik von Tanja Schwarz verleiht dem CD-Cover sowie dem Gesamtkonzept eine passende künstlerische Note.

Warum der Drachenbaum? „Bäume haben Menschen schon immer fasziniert. Sie sind eine Verbindung zwischen der Erde und etwas Überlegenem, einem höheren Wesen. Die Symmetrie von Wurzel und Krone, die Vertikalität, das Mysterium ihrer Existenz sowie die Funktionalität und Rolle, die nötige Menge an Sauerstoff zu erzeugen, sind alles wichtige Elemente dieser Faszination. (...) In rumänischer Sprache ist ‘Drache’ (dragon) eine Mischung aus ‘Teufel’ (drac) und ‘lieb’ (drag). Deshalb hat der ‘Drachenbaum’ für uns ein ganz spezielles Potenzial für unsere Fantasie“, erläutert Mircea Tiberian.

Wie Florian Lungu zum Abschluss des Abends im Bukarester Konservatorium sagte, gebührt der Deutschen Botschaft herzlicher Dank, solche Projekte zu unterstützen. Die CD durfte man sich als Geschenk mitnehmen, das Konzert war bestimmt ein unvergessliches Erlebnis für alle Anwesenden.