„My Fair Lady“ in Rumänien

Produzent des Musical-Klassikers stammt aus Arad

Das Blumenmädchen Eliza Doolittle (Irina Baianț) träumt von einem besseren Leben als Blumenladen-Inhaberin. Foto: Miluță Flueraș

Horia Brenciu (l) als Professor Higgins und Ernest Fazekas in der Rolle des Oberst Pickering. Foto: Oana Radu Turcu

Alfred Doolittle, Elizas Vater, freut sich, durch seine gebildete Tochter nun nichtmehr am Rande der Gesellschaft leben zu müssen. Foto: Miluță Flueraș

Die Kultur der Musical, dieser potentiell sehr ansprechenden Kombination aus Musik, Tanz und Theater, ist in der Westlichen Welt seit Ende des 19. Jahrhunderts eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen überhaupt. Schon die alten Griechen hatten in ihr Schauspiel Gesang und Tanz eingeflochten, den Durchbruch in Europa und Amerika erlebte das Singspiel jedoch ab 1866 durch einen puren Zufall: als eine angereiste europäische Ballettgruppe nicht in der zwischenzeitlich abgebrannten New Yorker Academy of Music auftreten konnte, wurde das Ballett in das Melodrama „The Black Crook“ von Charles Barras integriert, was unerwartet zu einem großen Erfolg und somit der Geburt des Musicals führte. Der New Yorker Broadway gilt neben dem West End in London seit den 30ern nach wie vor als Zentrum der Musicalwelt.

 

Sechs Vorstellungen des Musical-Klassikers „My Fair Lady“ brachte ein rumänisches Team von über 200 Mitarbeitern in einer Version des Regisseurs Răzvan Ioan Dincă und der Übersetzung von Ernest Fazekas vom 21. bis 24. März in Bukarest über die Bühne. Davor war die Show hierzulande schon 2016 vorgeführt worden, zum Anlass des 60-jährigen Jubiläums des Werkes.

„My Fair Lady“ gilt als eines der wahrscheinlich berühmtesten Musicals aller Zeiten. Wer die achtfach Oscar-preisgekrönte Verfilmung davon gesehen hat, wird sie wahrscheinlich lieben. Wer es noch nicht getan hat, sollte es unbedingt nachholen. Weniger bekannt ist die Tatsache, dass als erstes das Musical kam. Die Idee stammt von Gabriel Pascal, der 1891 im Arad des heutigen Rumäniens und des damaligen Österreich-Ungarns geboren wurde und sich als Regisseur und Drehbuchautor einen Namen machte. Unter anderem produzierte er 1938 den Schwarz-Weiß-Film „Pygmalion – Der Roman eines Blumenmädchens“ nach der Komödie von George Bernhard Shaw. Shaw war damals mit einer Vertonung seines Werkes nicht einverstanden, erst Jahre nach seinem Tod konnte das Musicalprojekt in Angriff genommen werden. Pascal trat an Textdichter und Komponisten wie Leonard Bernstein (unter anderem sehr bekannt für das Musical „West Side Story“) oder Oscar Hammerstein („The Sound of Music“) mit dem Vorschlag einer musikalischen Bearbeitung heran, stieß aber erst bei Alan J. Lerner (Buch, Liedtexte) und Frederick Loewe (Musik) auf Interesse. So fand die Uraufführung des Musicals am 15. März 1956 in New York statt. Mit Julie Andrews (bekannt u.a. aus dem Disney-Klassiker „Mary Poppins“ oder „The Sound of Music“) und Rex Harrison in den Hauptrollen lief das Stück sechseinhalb Jahre am Broadway und brachte es damals auf insgesamt 2717 Vorstellungen. Laut der „New York Times“ ist es „das perfekte Musical“. Der Soundtrack dazu ist das in Deutschland bis heute noch (mit 208 Wochen in den Top 10 und 88 auf Platz 1) erfolgreichste Album der Chartgeschichte.

„My Fair Lady“ in Bukarest

Der Epica-Saal im Grand „Cinema and More“ in der Bukarester Băneasa-Mall wurde letzte Woche speziell für diesen Zweck dekoriert: Ein riesiger Blumenstrauß aus Papier hing von der Decke des Saales herunter, die Bühne selbst war ringsum mit Blumenmuster-Tapete verkleidet, hinter der sich Gänge versteckten und an der sich ein halbkreisförmiger Balkon befand, der Platz für das Orchester (links und rechts) sowie für einige Szenen bieten konnte.

Die Handlung von „My Fair Lady“ erzählt von dem Blumenmädchen Eliza Doolittle, das von Sprachforscher, Professor und überzeugtem Junggesellen Higgins entdeckt wird. Higgins geht mit Oberst Pickering eine Wette ein, die ungebildete junge Frau in einem halben Jahr zu einer Dame machen zu können. So zieht Eliza bei Professor Higgins ein und muss täglich viele Stunden ihre Aussprache üben. Bei einem königlichen Ball soll das Experiment am Ende der sechs Monate ein Fazit erhalten und gelingt - ein gewesener Schüler von Higgins, der mittlerweile zu einem angesehenen Sprachforscher geworden ist, hält Eliza für eine ungarische Prinzessin. Higgins und Pickering erfreuen sich wie kleine Jungs des unumstrittenen Erfolges und ignorieren dabei Eliza komplett, die Higgins’ Wohnung enttäuscht verlässt und darauf hindeutet, ihren Bewunderer Freddy heiraten zu wollen. Higgins wird inzwischen klar, dass er sich in Eliza verliebt hat.

Die Besetzung der Rollen für die rumänische Variante des Musicals war, vor allem aus schauspielerischer sowie tänzerischer Hinsicht, äußerst passend. Auch das Singen der Darsteller war bis auf einige Ausnahmen gar nicht mal so schlecht, wenn man bedenkt, dass Rumänien keine Musicalschule besitzt und man das Singen auch in der Theaterschule nicht so wirklich lernt.

Erst 2015 wurde zuallererst ein Musical im Broadway-Stil in Rumänien auf die Bühne gebracht, der rumänische Broadway-Produzent Andrei Șerban bemühte sich damals darum, eine neue Gattung der Kultur ins Land zu bringen und landete mit dem Musical „Carousel“ einen großen Erfolg. Diese Tatsache bringt wieder eine komplett neue Perspektive, die die Vorführung von „My Fair Lady“, vor allem für Zuschauer, die noch kein westliches Musical gesehen haben, zu einem wahrlich besonderen Erlebnis macht. Die Verkaufszahlen sprechen ebenfalls klare Worte - fast alle der sechs Vorstellungen waren schon mehrere Tage zuvor ausverkauft.

Mit dem als Fernsehmoderator und Sänger allzu bekannten Horia Brenciu als Professor Higgins und Ana Maria Georgescu als Eliza Doolittle kann man die Geschichte auf authentische Weise nachvollziehen, solange man über die nicht ganz perfekte englische Aussprache der Namen hinwegsehen kann (Higgins wird oftmals zu Highins und Doolittle zu Dulităl). Dies kann aber auch als sympathischer lokaler „Touch“ hingenommen werden - dafür konnte man den Darstellern ansehen, dass sie ihr Bestes geben wollen und mit ganzem Herzen dabei sind. Horia Brencius Worten nach, sei er so fasziniert von seiner Rolle, dass er „mit den Arien aufwacht, mit ihnen duscht und sie ihn dann den ganzen Tag über beschäftigen, bis er mit ihnen zu Bett geht.“

Die zwei Besetzungen der Hauptrolle, Eliza Doolittle, fand ich äußerst inspiriert, da eine der beiden Damen - Ana Maria Georgescu - mit ihrer sympathischen Ausstrahlung und den braunen Haaren dem Star der Verfilmung, Audrey Hepburn ähnlich sieht, während die blonde Irina Baianț mit ihren blauen Augen eher an Julie Andrews erinnert.

Ernesz Fazekas übernimmt gleich drei wichtige Rollen, in erster Linie hat er, wie schon erwähnt, Text in Replik und Musik mit einer überraschend natürlichen Wortwahl übersetzt und übernimmt in den Vorstellungen abwechselnd die Rolle des Professor Higgins und die des Hugh Pickering, in letzterer durfte ich ihn erleben und würde seine charmante Leistung ohne Zweifel als eine der besten bewerten.

Die Tanzeinlagen der Ballettgruppe waren in gleichem Maße technisch faszinierend wie spektakulär, eine wunderbare Leistung von Choreografin Violeta Dincă. Kostümdesignerin Oana Botez hat den Charakter der Geschichte mit einigen eher exzentrischen Ausnahmen fabelhaft getroffen. Vor allem die eleganten Abendgarderoben sind ein Augenschmaus, aber auch die schmutzigen Outfits der Straßenhändler (Elizas Familie und Bekannte) wirken durchaus authentisch. Die Live-Musik des Orchesters unterstrich das Spektakel durch eine schöne Besetzung von Orchester und Chor, mit einer etwas besseren Soundtechnik wäre die Musik jedoch bestimmt besser rübergekommen (was leider kein Einzelfall ist, schon zu oft habe ich hierzulande erleben müssen, dass die Soundtechnik der Musik übel mitspielen kann).

Zusammengefasst war es eine sehr schöne Erfahrung, „My Fair Lady“ auf diese Weise zu erleben. Es ist erfreulich, dass immer mehr Musicals Einzug in die Konzerthallen in Rumänien feiern. Seit September 2018 wurde zum Beispiel „Mamma Mia“ mit der Musik der schwedischen Hit-Band ABBA in mehreren Städten aufgeführt. Nun freuen sich viele Queen-Fans bestimmt bereits auf „We Will Rock You“, das Musical mit der Musik und Geschichte der britischen Rock-Legende, das vom 10. bis 12. April, in der Bukarester Sala Palatului stattfinden wird und eine „sensationelle Inszenierung von Răzvan Mazilu“ verspricht.