Neue Musik und Beethoven mit frischem Geist 

Österreichisches Kulturforum Bukarest lud Wiener Kammersymphonie nach Hermannstadt ein

Symbolfoto: Pixabay.com

Dan Perjovschi, Zeichner der Staatsphilharmonie Hermannstadt/Sibiu, hatte den Gastauftritt der fünfköpfig besetzten Wiener Kammersymphonie am Samstag, dem 22. Februar, zutreffend angekündigt: Kontrabass, Violoncello, Viola und zwei Violinen stimmten grafisch mit den Klängen überein. Lukas Medlam (Großbritannien), Mátyás András (Ungarn), Nebojsa Bekcic (Serbien), Sergio Mastro (Italien) und Damian Posse (Spanien) verneigten sich in Lackschuhen, weißem Hemd und schwarzem Anzug. Ein weiteres Ass im Ärmel des Quintetts ist die bereits vierzehn Jahre währende Zusammenarbeit in Proben und Konzerten.

Ludwig van Beethovens „Coriolan“-Ouvertüre für Orchester benötigt weder Tuba noch Trombone und kann ihre Drohgebärden allein mit einer Handvoll Streichinstrumente hinausposaunen. Die Wiener Kammersymphonie wählte die Musik auf das Libretto von Heinrich Joseph von Collin als Vorstufe zum Streichquintett Nr. 2 DWV 56b (2008) von der Österreicherin Johanna Doderer (Jahrgang 1969), das im Thaliasaal der Moderne die Bahn öffnete. Erich Urbanner (Jahrgang 1936), ein Schüler von Karlheinz Stockhausen (1928-2007) und Bruno Maderna (1920-1973) sowie Lehrer von Johanna Doderer, ist derjenige, dem sie das zweite ihrer drei Streichquintette widmet. Auch in Hermannstadt gestaltete dieses sich zyklisch um einen Mittelteil in raschem Tempo, der mit Wurfbögen und Pizzicati an Astor Piazzolla (1921-1992) erinnert. Den aushauchenden Schluss hätte auch Arvo Pärt (Jahrgang 1935) nicht schöner ausgemalt.

Damian Posse ist Lehrer für Kontrabass an einer Wiener Musikschule – kein edler Arbeitsplatz in der großen Welt, könnte man meinen. Aber das Tremolo seiner Bogenhand auf dem Fünfsaiter war erster Güte und lässt Neugierde aufkommen, wie es wohl klingen mag, wenn eine ganze Bassgruppe eines Orchesters sich ab und an geschlossen von den Stehhockern aufrichtet, alle Oberkörper sich in Position beugen und beherzt in die Saiten gefahren wird. Was Einzelinterpreten und Ensembles aus sich selbst machen, wird letztlich nicht im Büro eines Intendanten, sondern im Augenblick der Aufführung entschieden. Wer auf mehr Wertschätzung hofft als fest etablierte Chefs sie schenken wollen, hat es in der eigenen Hand.

Die Wiener Kammersymphonie hat es bestätigt. Sie bietet zeitgenössische Musik, die Unbedarfte und Kenner gleichermaßen begeistert. Er tönte gut im Thaliasaal, der Mittelweg zwischen atonaler Musik für die intellektuellen Bedürfnisse eines akademischen Publikums und einem allzu leicht erfolgreichen Crossover ohne Strich und Faden. André Rieu auf der einen und am Publikum vorbei experimentierende Komponisten der Gegenwart auf der anderen Seite buhlen vergeblich um die universale Gunst der Szene über getrennte Filterblasen hinweg. Komponieren und Aufführen ist heute nicht einfacher als früher, trotz aller technischen Fortschritte.

Aber Johanna Doderer schreibt keinem einseitigen Publikumsgeschmack nach dem Mund. Genauso wenig Stefan Pelzl (Jahrgang 1955), dessen Auftragswerk „Portrait in drei Farben“ 2012 von der Wiener Kammersymphonie uraufgeführt und auf CD eingespielt wurde. Ähnlichkeit mit der noch nicht avantgardistischen Handschrift junger Jahre von György Ligeti, (1923-2006), der in Sankt Martin/Târnăveni/Dicsöszentmárton (Kreis Muresch) geboren wurde, klang durch die Aufführung in Hermannstadt. Nebojsa Bekcic brachte die von Altsaxofonist Pelzl in das Programmstück eingeschriebene Hauptrolle der erzählerischen Bratsche virtuos heraus.

Beethovens Symphonie Nr. 8. in F-Dur op. 93 krönte den Abend. Mátyás András und Lukas Medlam teilten sich die Violinparts der Bearbeitung für Streichquintett. Cellist und Ensemble-Leiter Sergio Mastro saß dem Primgeiger aus Ungarn gegenüber. Die komprimierte Besetzung ermöglicht ein neues Hören von Orchester-Meisterwerken, es lohnt für den Aha-Effekt, frei gebliebene Plätze in Bühnennähe zu nutzen – nach Möglichkeit sogar die Logen direkt über den Notenständern. Wer hinten in der Ehrenloge darauf wartet, realitätsnah bedient zu werden, geht nichtsahnend leer aus, ohne tatsächlich feingliedrige Kammermusik gehört zu haben. Der Klang zieht im Thaliasaal nicht gleichmäßig durch den Raum. Man muss ihm nachspüren und tote Winkel der Akustik überlisten. Der Trick besteht darin, sich nicht damit zu begnügen, dass Konzerte überhaupt stattfinden. Die spannende Suche nach der Qualität beim Zuhören ist nicht im Ticketpreis inbegriffen.