O wie so trügerisch sind Männerherzen

Giuseppe Verdis „Rigoletto“ im Bukarester Opernhaus

Zum Verdi-Jahr „Rigoletto“ an der Bukarester Oper Foto: ONB

Die Nationaloper Bukarest hat sich gut auf das Verdi-Jahr 2013, in dem sich der Geburtstag des großen italienischen Opernkomponisten zum zweihundertsten Male jährt, vorbereitet. In ihrem derzeitigen Repertoire befinden sich allein sechs Opern von Giuseppe Verdi: „Nabucco“, „Macbeth“, „Rigoletto“, „La Traviata“, „Ein Maskenball“ und „Aida“.

Das Musikdrama „Rigoletto“ aus dem Jahre 1851, das am 1. Februar im Bukarester Opernhaus eine gefeierte Aufführung mit dem Bukarester Debüt des Tenors Cristian Bălăşescu in der Rolle des Herzogs von Mantua erlebte, gehört zusammen mit den beiden zwei Jahre später entstandenen Opern „Der Troubadour“ und „La Traviata“ zur mittleren Schaffensperiode des Komponisten, dessen musikdramatisches Oeuvre nicht weniger als 28 Opern umfasst.

In zahlreichen seiner Musikdramen griff Verdi auf literarische Vorlagen von weltliterarischem Rang zurück, die von seinen Librettisten für die Opernbühne adaptiert wurden. Neben Werken von Dumas, Hugo, Byron und Shakespeare waren das vor allem Schauspiele des deutschen Dramatikers Friedrich Schiller („Die Jungfrau von Orléans“, „Die Räuber“, „Kabale und Liebe“, „Don Carlos“). Auch die Bühnenkunst der deutschen Romantik spiegelt sich in Verdis Opernschaffen: Zacharias Werners romantische Tragödie „Attila, König der Hunnen“ bildet die literarische Vorlage für das Libretto der Verdi-Oper „Attila“.

Verdis „Rigoletto“ basiert auf dem Versdrama „Le roi s’amuse“ (Der König amüsiert sich) von Victor Hugo aus dem Jahre 1832, das von dem italienischen Regisseur und Librettisten Francesco Maria Piave für die Bühne des Gran Teatro La Fenice di Venezia adaptiert wurde. Im Versdrama wie in der Oper geht es um die amourösen Eskapaden eines absolutistischen Herrschers, wobei die Zensurbehörden im Hinblick auf die Opernhandlung die Verlegung des Schauplatzes vom Hof des französischen Königs Franz I. in das italienische Mantua erzwangen.

Die berühmte Arie des Herzogs von Mantua „La donna è mobile“ (Die Frau ist trügerisch) geht auf den schriftlich fixierten Ausspruch Franz I. „Souvent femme varie. Bien fol est qui s’y fie“ (Oft ist die Frau trügerisch. Ein Narr, wer ihr vertraut!) zurück, der von Hugo wortwörtlich in sein Versdrama übernommen wurde.

Die Zentralfigur der Oper ist aber nicht der Herzog, der als ewig lüsterner Frauenheld lediglich ein Rollenschema erfüllt, sondern der Hofnarr Rigoletto, sozusagen sein Mann fürs Grobe. Er räumt für seinen Herrn lästige Ehegatten aus dem Weg, die sein Liebesglück gefährden, und schreckt dabei selbst vor Mord und Totschlag nicht zurück.

So wird der Graf von Monterone, der den Herzog anklagt, seine Tochter entführt zu haben, unter Umgehung des Rechts und in absolutistischer Willkür kurzum in Kerkerhaft genommen. Sein Fluch („la maledizione“) freilich geht Rigoletto nahe, weil das Schicksal des Grafen sein eigenes präfiguriert: Auch Rigolettos Tochter Gilda wird von den Männern des Herzogs entführt und vom Herzog entehrt, obwohl dieser weiß, dass es sich bei seinem Opfer um Rigolettos Tochter handelt.

Der dritte Akt der Oper ist dann ganz Rigolettos Racheabsichten gewidmet, die allerdings von der Liebe zweier Frauen durchkreuzt werden. Maddalena, die Schwester des Mörders Sparafucile, den Rigoletto zur Ermordung des Herzogs gedungen hat, bittet ihren Bruder um das Leben des Herrschers, weil sie mit diesem eine Liebesnacht verbringen möchte.

Und Rigolettos Tochter Gilda trifft, obschon vom Herzog entehrt und verlassen, aus Liebe zu diesem den Entschluss, sich, als Mann verkleidet, für den adligen Schürzenjäger zu opfern. Weil Gilda, heimlich lauschend, erfahren hat, dass Sparafucile den Herzog nur dann verschonen möchte, wenn er stattdessen einen anderen Mann in den dafür vorbereiteten Leichensack stecken kann, geht sie stellvertretend für jenen in den Tod.

Interessant ist, dass Gildas Sterben von der Arie des Herzogs „La donna è mobile“ musikalisch begleitet wird. Die Kanzone, die die Flatterhaftigkeit, Unbeständigkeit, ja Falschheit der Frauen besingt, tritt dabei in schroffen Gegensatz zur Opernhandlung. Der Herzog singt zwar: „O wie so trügerisch / sind Frauenherzen; / mögen sie klagen, / mögen sie scherzen. // Oft spielt ein Lächeln / um ihre Züge; / oft fließen Tränen, / alles ist Lüge.“

Die von ihm verlassene Gilda aber legt just durch ihren heroischen Opfertod untrügliches Zeugnis ab für die Beständigkeit und Wahrhaftigkeit ihrer Liebe. Verdis Musik zur Oper „Rigoletto“ konterkariert also ihr eigenes Libretto: Die Unbeständigkeit und Launenhaftigkeit der Frauenherzen wäre der Logik der musikdramatischen Handlung gemäß eher auf die Herzen der Männer umzumünzen.

Als Sparafucile schließlich seinem Auftraggeber Rigoletto den bestellten und bezahlten Leichensack übergibt, meint dieser, seine schreckliche Rache („tremenda vedetta“) sei nun vollständig gelungen. Doch die Stimme des Herzogs, die Rigoletto aus der Ferne vernimmt, belehrt ihn eines Schlechteren. Seine sterbende Tochter bittet ihn noch um Vergebung, bevor sich der Fluch des Grafen von Monterone an dem intriganten Hofnarren und Helfershelfer der Lüste des Herzogs endgültig erfüllt.

Die traditionelle und ein wenig angestaubt wirkende Bukarester „Rigoletto“-Inszenierung von Jean Rânzescu belässt die Opernhandlung in ihrem angestammten Ambiente: italienische Palastarchitektur, heitere Garten- und Parklandschaften, mediterrane Vegetation mit Pinien und Zypressen, höfisches Leben mit prächtigen Kostümen. Dekoratives dominiert, dramatische Momente werden, wenn sie eintreten, übertrieben, etwa wenn bei der Sturmnacht im dritten Akt die Wolken im Zeitraffertempo über den Bühnenhimmel jagen (Bühnenbild: Ion Clapan).

Das Bukarester Debüt von Cristian Bălăşescu in der Rolle des Herzogs von Mantua ist durchweg gelungen: Der Tenor wurde mehrfach während der Aufführung und insbesondere beim Schlussapplaus mit viel Beifall bedacht. Ebenso ragten Mihaela Stanciu als Gilda, Vasile Chişiu als Rigoletto, Pompeiu Hărăşteanu als Sparafucile sowie – in der Nebenrolle der Gräfin Ceprano im ersten Akt – Cristina Chi]imia hervor. Das Bukarester Opernorchester unter Leitung von Iurie Florea trug seinen instrumentalen Teil zum musikalischen Gesamtgenuss bei, der durch die Stimmen der von Stelian Olariu einstudierten Opernchöre harmonisch abgerundet wurde.