Politische Mechanismen und Beweggründe

Filmfestival Cinepolitica zum zweiten Mal in Bukarest

Shin Dong-huyk aus der Doku „Camp 14: Total Control Zone“ betätigt sich jetzt als Menschenrechtsaktivist.

Der Frühlingsanfang ist in der Hauptstadt der Teil des Jahres, in dem sich Filmfestivals aneinanderreihen. Kaum ist eines zu Ende gegangen, kann man sich darauf verlassen, dass man auch in der kommenden Woche interessante Filme sehen kann, im selben Kino, nur diesmal als Teil eines anderen Festivals. Auf One World folgt Cinepolitica, das Filmfestival Next wird vom Internationalen Bukarester Filmfestival abgelöst, danach steigt das Festival des europäischen Films über die Bühne.

Konzeptuell wurden One World und Cinepolitica unterschiedlich gestaltet: Das erste Festival wurde den Menschenrechten gewidmet, das zweite der Politik. Trotzdem konnte man feststellen, dass die beiden sich nicht völlig unähnliche Themen vornehmen. Laut Direktor von Cinepolitica, Copel Moscu, hat das Festival die Aufgabe, ein Fenster zu den Problemen der gegenwärtigen Gesellschaft zu öffnen und die Schattenseite der politischen Mechanismen zu entlarven, zu denen die meisten Menschen keinen Zugang haben. So konnte man während der sechs Festivaltage Dokumentar- und Spielfilme sehen, die Themen, wie Kampf gegen autoritäre, linke wie rechte Regime, Kriegsverbrechen, die Rolle und Machenschaften der Geheimdienste aber auch Korruption, Flucht und Migration behandeln.

Zu den Filmen, die ganz zeitnahe Ereignisse behandelten, zählte beispielsweise die italienische Produktion „S. B. I knew him well“ (Regie: Giacomo Durzi, Giovanni Fasanella 2012), in der ein Überblick über den Aufstieg von Silvio Berlusconi geboten wird. Betrachtet wird er als ein wahres Phänomen, das durch seinen Einfluss auf Kultur und Psychologie Italiens ein ärmeres, entmutigtes Land hinter sich gelassen hat.

Die Doku erforscht die Schlüsselmomente seines Werdegangs vom Unterhalter auf einem Kreuzfahrtschiff zur dominierenden politischen Figur, zum Medien-Magnat und äußert sich kritisch gegenüber Berlusconis politischer Laufbahn. Am interessantesten waren vielleicht die verschiedenen Interviews mit Menschen, die Berlusconi im Laufe der Zeit nahestanden. Da deckt sich sehr oft der persönliche Eindruck mit dem öffentlichen, „offiziellen“ Bild gar nicht.

Einer der Regisseure, Giacomo Durzi, der am Gespräch nach dem Film teilgenommen hat, machte klar, dass sich die italienische Gesellschaft hauptsächlich wegen der politischen Figur Berlusconis rückgängig entwickelt habe. Die Doku habe er eigentlich deswegen gemacht, weil er mit den anderen Produktionen nicht zufrieden war, die dasselbe Thema behandelt haben. Der Problematik rund um Berlusconi fehlte ein einheitliches Bild.

Manche Filme stellten Realitäten dar, die dem rumänischen Publikum nicht unbekannt waren, wie die französisch-albanische Koproduktion „Moonless Night“ (Regie: Artan Minarolli, 2004). Ein 16-jähriges Mädchen will, so wie viele andere perspektivlose Altersgenossen, heimlich die Grenze nach Italien überqueren. Dazu brauchen sie und ihr Großvater die Hilfe der Mafiosi-Schleuser an der Küste des Adriatischen Meeres, die sich als Wohltäter präsentieren.

Eine dramatische Familiengeschichte wird vor dem typischen tragikomischen balkanischen Hintergrund aufgerollt: Das Mädchen wiederholt das Schicksal ihrer Mutter und verliebt sie sich blitzschnell in einen jungen Mann, der auch beabsichtigt, seine Heimat zu verlassen. Die Wiederholung derselben Situation auch bei der zweiten Generation kann der Großvater aber nicht ertragen, er bleibt in der Heimat. Alleine das Liebespaar schafft den Übergang, und zwar ohne Schleuser. Obwohl „Moonless Night“ keine Doku ist, sondern ein Spielfilm, dient er überzeugend als Illustration zu der Wirkung, die der Kommunismus in Albanien hatte. Die Situation, die im Film präsentiert wird, ist kein Einzelfall. Offizielle Dokumente zeigen, dass während der Diktatur in Albanien Zehntausende von Menschen versucht haben, das Land illegal zu verlassen. Bei den anschließenden Diskussionen mit dem Regisseur konnte das Publikum Parallelen zu Rumänien ziehen.

Welche noch fürchterlichere Dimensionen Diktaturen erreichen können, zeigte einer der ausgezeichneten Filme des Festivals: „Camp 14: Total Control Zone“ (Regie: Marc Wiese, 2012). Die Doku hat Shin Dong-huyk als Hauptdarsteller, die einzige bekannte Person, die in einem nordkoreanischen Lager geboren wurde, geflüchtet ist und überlebt hat. Die deutsch-südkoreanische Koproduktion erzählt die Geschichte des Mannes, der 1983 als politischer Häftling in dem nordkoreanischen Lager in der Nähe von Kaechon geboren ist.

Mit 14 musste er die Hinrichtung seiner Mutter und seines Bruders bezeugen. Die Außenwelt war ihm völlig unbekannt und der Beweggrund seiner Flucht war nicht das Streben nach Freiheit, sondern die Hungersnot: Die einzige Sorte von Fleisch, die man im Lager essen konnte, waren Ratten, und die musste man auch gefälligst selbst fangen. Der Film umfasst auch Interviews mit Vertretern der anderen Seite, mit nordkoreanischen Offizieren. Nordkorea verneint immer noch die Existenz solcher Lager. Über die Erfahrung Shin Dong-huyks wurden auch Bücher geschrieben: „Escape from camp 14“ und „Escape to the outside world“.