Regisseurin, Drehbuchautorin, Schauspielerin, Filmautobiografin

Premiere von Ivana Mladenovics jüngstem Spielfilm in den rumänischen Kinos

Am vergangenen Freitag erlebte Ivana Mladenovićs Spielfilm „Ivana cea Groaznică" (Iwana die Schreckliche) seine Premiere in Rumänien, nachdem er im letzten Jahr bereits auf den Internationalen Filmfestivals von Sarajewo und Locarno zu sehen gewesen war sowie im Rahmen der Kommunikationsplattform „Berlinale Talents" Erwähnung findet (https://www.berlinale-talents.de/bt/project/profile/227935). Der Titel dieses zweiten Spielfilms von Ivana Mladenovic lässt natürlich sofort an den grausamen und cholerischen russischen Zaren Iwan Wassilijewitsch denken und an die Verfilmung seines Lebens durch Sergei Eisenstein, insbesondere an deren zweiten Teil. Zutreffender wäre indes eine Benennung gewesen, die sich an den Titel der mehrfach ausgezeichneten Tragikomödie von Petro Almodóvar aus dem Jahre 1988 anlehnt, etwa „Frau am Rande des Nervenzusammenbruchs“.

Der autobiografisch-fiktionale Streifen von Ivana Mladenovic, dessen Plot auf dem weiten Feld von Dichtung und Wahrheit angesiedelt ist, schildert die Rückkehr der in Bukarest lebenden Schauspielerin Ivana in ihr Elternhaus in der serbischen Kleinstadt Kladovo, welche am Ufer der Donau vis-à-vis der um einiges größeren rumänischen Stadt Drobeta-Turnu Severin gelegen ist. Bereits auf der Zugreise in Richtung ihrer serbischen Heimatstadt zeigt sich die fragile seelische Disposition der Protagonistin. Als ihr von einer Mitreisenden der Vorwurf gemacht wird, sie störe durch ihr lautes Sprechen, tritt sie mit Tränen in den Augen die Flucht durch den Zug an, und kaum zuhause gerät sie schon in Streit mit der Großmutter, wobei diese von ihrer eigenen Großmutter verkörpert wird, genauso wie die Akteure, die ihre Eltern spielen, tatsächlich ihre eigenen Eltern sind.

Ivana, die sich unmittelbar nach ihrer Ankunft in Kladovo erst einmal übergeben muss, fühlt sich krank, kaputt, erledigt, während ihr der Vater Wehleidigkeit, Hypochondrie und eingebildetes Leiden vorwirft. Die Großmutter rät ihr, zu heiraten und drei bis vier Kinder zu bekommen, während die Mutter Ivanas Konflikte in der Familie, nicht zuletzt mit dem Bruder, beständig zu sänftigen sucht.

Neben Ivanas Familie steht auch die Stadt Kladovo im Mittelpunkt des Geschehens. Der Bürgermeister, nach der Devise „Alle Menschen sind Schauspieler, die Welt eine Bühne, das Leben ein Auftritt“ dargestellt vom dortigen Bürgermeister selbst, bittet die erfolgreiche Schauspielerin Ivana, dem diesjährigen serbisch-rumänischen Freundschaftsfestival ihr Gesicht zu leihen und an den Feierlichkeiten auf der Donaubrücke bzw. am örtlichen Wasserkraftwerk durch ihre medienwirksame Präsenz mitzuwirken.

Dabei kommen die Städte Kladovo und Drobeta-Turnu Severin durchaus selbst zur Geltung: ihre antiken Traditionen, symbolisiert durch die von Apollodor aus Damaskus errichtete Trajansbrücke (die man auch auf der Trajanssäule in Rom oder auf deren Kopie in Bukarest bewundern kann), aber auch ihre Widerfahrnisse in der modernen Geschichte, sei es während der Zeit des Nationalsozialismus oder während der Epoche des Kommunismus. Die Donaulandschaft, das Strandbad, eine Bootstour und ein Museumsbesuch ergänzen die Filmhandlung zudem um touristische Highlights.

Schließlich spielt auch Ivanas Liebesleben in die Filmhandlung herein. Ivanas Ex-Lover Andrei tritt auf, im Film und im wirklichen Leben der Sohn des Dichters Mircea Dinescu, welcher ebenfalls im Film seinen Auftritt hat und, neben einer kritischen Bemerkung zur kommunistischen Vergangenheit, mit der Rezitation eines eigenen Gedichtes beeindruckt. Desgleichen kommt der serbische Dichter Adam Puslojic, der sich unter anderem als Übersetzer von Nichita Stănescu einen Namen gemacht hat, im Film zu Wort, wenngleich ironisch gebrochen durch die Provinzkomödie, zu der sich das serbisch-rumänische Freundschaftsfestival im Filmgeschehen zusehends entwickelt.

Mit Ivanas Ex-Lover Andrei Dinescu ist auch dessen gegenwärtige Freundin, die inzwischen verstorbene Sängerin Anca Pop, nach Kladovo gereist, um Ivana wiederzusehen und gleichfalls am serbisch-rumänischen Freundschaftsfestival teilzunehmen. Die laszive Anca sorgt daneben auch für humoristische Momente, indem sie etwa den Honoratioren der Kleinstadt von einem Klitoris-Festival vorschwärmt und die Sekretärin des Bürgermeisters hierzu interviewen möchte. Ihren (zumindest während der Dreharbeiten) aktuellen Lover, Luka Gramic, versucht Ivana zumindest im Film vor den Augen der Familie und der Nachbarn geheim zu halten, aus Altersgründen, wie sie bekennt – der Bursche ist fünfzehn Jahre jünger! –, ein Drehbuchdetail, das zur unkonventionellen Bohemien-Existenz Ivanas so gar nicht passen will.

Die psychologisch intensivsten Filmszenen vollziehen sich in der Interaktion zwischen Ivana, Anca und Andrei, etwa diejenige Szene, in der die drei Freunde in Ancas Auto in Streit miteinander geraten, der am Ende in einem hysterischen Lachen aufgeschoben, aber nicht aufgehoben wird. Am persönlichsten in diesem Film ist vielleicht Ivanas Lachen, das – im Gegensatz zu den serbischen Sequenzen des Films – keiner Übersetzung oder Untertitelung bedarf, sondern durch sich selbst und alleine wirkt: ein tiefes und zugleich hohes Lachen, das seelische Abgründe kennt, sich aber lauthals über diese erhebt und über sie hinweg trägt.

Ein Film wie „Ivana cea Groaznică“, der so sehr um sich und in sich selber kreist, stellt natürlich immer ein Risiko dar: weniger für die Beteiligten, die sich im Medium der Filmkunst womög-lich selber erfahren und besser begreifen lernen, sondern vielmehr für die Rezeption durch ein unvoreingenommenes Publikum. Ivana Mladenovics Streifen bringt den Kinobesuchern einen Menschen nahe, der überhaupt nicht schrecklich ist, weder grausam noch sadistisch und schon gar nicht Furcht einflößend wie das berühmte historische Vorbild aus der russischen Geschichte. Der Film zeichnet vielmehr das einfühlsame Porträt einer sensiblen jungen Frau, die künstlerisch, beruflich und persönlich ihren eigenen Weg zu gehen gewillt ist.

Nach der rumänischen Vorpremiere des Films am 9. März im Bukarester Kino „Elvire Popesco“, bei der neben der Produzentin Ada Solomon, der Kamerafrau Carmen Tofeni, dem Musiker Andrei Dinescu und der Regisseurin selbst auch die „Regisseure der Regisseurin“, der Kunstkritiker Andrei Rus und die Filmemacherin Ana Szel, anwesend waren, trat Ivana Mladenovic im anschließenden Gespräch mit dem Publikum ganz hinter ihr eigenes Werk zurück, als habe sie mit dem Gemeinschaftsprodukt kaum etwas zu tun, als sei sie, entgegen dem üblichen Bild, das man sich gemeinhin von einem Filmdirektor macht, nur das Material, das andere durch ihr selbst bestimmtes filmisches Handeln formten.

Dennoch steht nach der Betrachtung eines solchen solipsistischen, egozentrischen, selbstbezüglichen Werkes unweigerlich die Frage im Raum: Was schenkt ein solcher Streifen dem Publikum? Einen Einblick in die Welt junger Künstler, einen Hinblick auf das Leben einer noch jungen Frau, einen Überblick über ein Leben an der Grenze, einen Vorblick auf die Lebensphase der Ablösung von der Familie, einen Ausblick auf einen möglichen alternativen Daseinsentwurf? In dem Maße, wie es dem Film gelingen wird, die Zuschauer vom Exemplarischen der hier zur Darstellung kommenden individuellen Existenz zu überzeugen, wird ihm bleibender Erfolg, andernfalls bloß achselzuckendes Vergessen beschieden sein.