Rumänische Weihnachtsromanze

Cristina Iacobs Spielfilm „Poveste de dragoste“ seit Kurzem im Kino

Das filmische Genre der Weihnachtsromanze kann sich jetzt endlich über den ersten rumänischen Vertreter dieser zährenzehrenden Gattung freuen. War man bisher im Kinodunkel darauf angewiesen, Umarmungen unter Schneeflocken mitzuerleben, die auf London oder New York herab tanzen, mit Liebespaaren mitzufiebern, die sich in Notting Hill oder Manhattan finden, verlieren und wieder finden, sich von Hugh Grant als britischem Premierminister (in „Love Actually“) oder von Sandra Bullock als Ticketverkäuferin (in „While You Were Sleeping“) rühren zu lassen und tränenreich Zeuge dabei zu werden, wie das Weihnachtsfest unsterblich Verliebte auf immer und ewig zusammenführt, so ist das erstmals nunmehr auch unter heimatlichem Weihnachtswinterhimmel filmisch zu genießen.

Cristina Iacobs Spielfilm „Poveste de dragoste“ (Liebesgeschichte) spielt im verschneiten Kronstadt/Braşov. Die Filmhandlung wird von Weihnachtsfesten gerahmt und folgt dabei exakt und außerdem höchst gekonnt dem Muster dieses angloamerikanischen Filmgenres, das die Macht der Liebe am Fest der Liebe feiert. Wohltuend ist dabei, dass die junge Regisseurin Cristina Iacob, die zusammen mit Dan Chiriac auch das Skript zum Film verfasst hat, auf jegliches Hierarchiegefälle zwischen der in der Regel jungen, armen und hilflosen Frau und dem entsprechend reichen, mächtigen und meist älteren Mann – à la „Pretty Woman“, „You’ve Got Mail“ oder „Indecent Proposal“ – von vornherein verzichtet hat. Beide Liebenden stehen altersmäßig, ökonomisch wie seelisch auf derselben Stufe, und am Ende siegen nicht etwa Geld oder Kommerz, sondern reines Gefühl und echte Hingabe, die auch kalte Winter in einer schlecht beheizten Kronstädter Altstadtwohnung spielend überstehen helfen.

Verständlich wird das vor allem vor dem Hintergrund der Berufe des gezeigten Filmliebespaares. Beide befleißigen sich einer künstlerischen Karriere, er als aufstrebender Violinvirtuose, sie als angehende Schauspielerin. Er, Sebastian, gespielt von Dragoş Bucur mit David Garrett-Frisur und sanftmütig-elegischem Lächeln, sie, Aprilia, verkörpert von Raluca Aprodu, mit großem Julia Roberts-Mund und permanentem Unschuldsblick, lernen sich zur Weihnachtszeit auf dem Kronstädter Rathausplatz kennen und lieben. Er ist solo und hat keine Partnerin außer seiner Violine, sie hat sich gerade von ihrem Freund, dem Filmregisseur Paul (fein interpretiert von Alexandru Darie), getrennt. So setzt mit dem Beginn des Films sogleich auch die Idylle ein, die man eigentlich erst später erwartet hätte.

Das junge Paar übersteht das erste Jahr seiner Liebe unbeschadet. Am ersten Jahrestag ihrer Begegnung zeigen sich die beiden Liebenden unverändert einander zugetan, auch wenn ihre Liebe mitunter harten Prüfungen unterzogen wird. Beide frieren fürchterlich in ihrer gemeinsamen Wohnung, es fehlt ihnen ständig an Geld, Sebastians Karriere stockt, und Aprilia bekommt aufgrund von Pauls eifersüchtigen Ränkespielen keine Rollenangebote mehr. Ihr stellt außerdem der Chef (glaubwürdig Vlad Zamfirescu als Robert) eines Geschäfts nach, in dem sie einen schlecht bezahlten Job angenommen hat, und Paul gibt immer noch keine Ruhe.
Sebastian seinerseits wird verfolgt von der lüsternen Vermieterin (karikaturistisch überzeichnet dargeboten von Gabriela Popescu), die ihm einmal sogar in den Schritt greift, dabei aber nur das in der Hosentasche befindliche Kolophonium zu fassen bekommt. Und beide gemeinsam widerstehen dem unmoralischen Angebot der Nachbarn Irina (erfrischend Mirela Oprişor) und Virgil (abgeklärt Mimi Brănescu), die dem jungen Paar nicht nur vom gegenüberliegenden Fenster aus via Teleskop beim Sex zusehen, sondern sie obendrein noch unter explizitem Verweis auf den Film „Peindre ou faire l’amour“ zu einem flotten Vierer animieren wollen.

Schließlich kommt es aber dann doch zur Krise, nachdem Aprilia zufällig Zeuge geworden ist, wie Sebastian – höchst unschuldig, wie sich später herausstellen wird – seine Vermieterin umarmt und küsst, und nachdem Sebastian seinerseits zufällig Zeuge geworden ist, wie Aprilia für ihren Chef Robert in einem Luxusgeschäft schöne und wertvolle Kleider anprobiert, die dieser ihr anschließend auch noch allesamt schenkt. Als Aprilia mit den vielen Einkaufstüten nach Hause kommt, sieht Sebastian den Beweis ihrer Untreue erbracht und setzt seine Angebetete mitsamt Tüten vor die Tür.

Aprilia sieht nun keine andere Möglichkeit mehr, als das neuerliche Rollenangebot, das Paul ihr gemacht hat, schließlich doch noch anzunehmen, wobei Paul ihr ein weiteres schmerzhaftes Opfer abverlangt. Sie muss sich, wie Anne Hathaway in „Les Misérables“, in einer Filmszene ihr schönes langes und lockiges Haar vom Kopf scheren lassen. In diesem Moment der Selbstaufgabe, der sich theatralisch sinnfällig in einem vergitterten Kerker vollzieht, betritt Sebastian mit seiner Violine das Filmset und rührt seine Geliebte durch sein Spiel wie durch sein Erscheinen zu Tränen. Das Happy End, das den Charakter der Vorläufigkeit allerdings nicht ganz abstreifen kann, lässt nicht lange auf sich warten. Es besteht darin, dass Irina und Virgil, die Nachbarn von Gegenüber, den beiden Liebenden die Miete fürs ganze kommende Jahr im Voraus bezahlen (damit das voyeuristische Heimkino per Teleskop weitergehen kann) und dass somit das bohèmehafte Leben von Luft und Liebe seine idyllische Fortsetzung finden kann. Schön auch, dass die zwei Hauptdarsteller am Ende beide mit Ultrakurzhaarschnitt zu sehen sind und damit am plakativen Hochglanzcharakter der tränenrührigen Kronstädter Love Story wenigstens ein bisschen gekratzt wird.

Wahre Liebe und echte Weihnacht gehören zusammen – so das Fazit der Filmromanze, die vor allem durch zwei Dinge besticht: durch die grandiose Inszenierung Kronstadts, das mit seiner landschaftlichen Schönheit und seinem altstädtischen Charme in zahlreichen Filmszenen die Hauptrolle spielt; sowie durch die Musik (Ton: Dragoş  Stanomir), die, wenngleich sie auf rumänische Weihnachtslieder vollkommen verzichtet, die Violine, solo oder in Begleitung, als Instrument intimer Selbstaussage zur Geltung und unablässig zu Gehör bringt. Auch wenn am Ende der Himmel nicht mehr voller Geigen hängt, so ist doch die eine entscheidende mit ihrem Klang und ihrer Stimme immer für Aprilia da.