Siebenbürgische Fetzenbilder von Lilian Theil

Lilian Theil, „Siebenbürgische Fetzenbilder“ ISBN: 9783946954095; „Transylvanian Patchwork Art“ ISBN 9783946954156; „Lucrări din Cârpe“, ISBN 9783946954170; Lei 39 / Euro 9,95, zu bestellen bei www.buechercafe.ro

Nachdem die erste Auflage des Buches ... vergriffen war, erscheinen 2017 in einem farblich lebendigen und echten, weichen Druck Bilder der gebürtigen Kronstädterin, der siebenbürgisch-sächsischen Künstlerin Lilian Theil, welche seit dem Wendejahr 1989 die Nähtechnik des Quiltings nutzend, Potraits des Lebens unserer Volksgemeinschaft und des siebenbürgischen Lebensgefühls erstellt.

Bilder, wie „Das 20. Jahrhundert“, in drei verschiedenen Ausfertigungen, bieten in genauer Kenntnis der Webstrukturen und Farbkomponenten der verwendeten Stoffe (Textilien) eine Auseinandersetzung in symbolträchtiger Ausdrucksweise mit der geschichtlichen Realität unserer Zeit und unseres Kontinents. Diese „portraitieren“ verbildlich übermannsgroß ihre eigenen Texte. Diese Texte sind meistens Gespräche zweier oder mehr Gestalten, die quasi von dem Bild „herrüber“ zum Betrachter sprechen. Die Dialoge thematisieren Erläuterungen der Künstlerin zum Verständnis der optischen Bilder und führen den aufmerksamen Betrachter und Leser tiefer in die gedanklichen Schaffensmotive der bildenden und schreibenden Künstlerin ein.

Dass es sich im Bildmaterial vielfach um Kollagen, aber auch um ideale Nachbildungen von historischen Realitäten handelt („Die Einwanderung der Sachsen“, „Zehn Jahre später“), denen ihre inhärente Komplexität anzusehen ist (siehe die symbolischen Details auf schlichteren Partien z. B.) führt dazu, dass diese Portraits informativ-plakative Aussagen mit wertendem Gehalt beinhalten, deren intratextuelle und subtextuelle Vorlagen noch erforscht und kritisch aufgearbeitet werden müssen, bevor sie einer künstlerischen Strömung zugeordnet oder einem anderen Einfluss als Theils überschwänglicher Originalität und lebensnahen Inspiration zugeschrieben werden und korrekt „eingelesen“ werden können.

Die letzten der hier öffentlich zugänglich gemachten Quilts widmet Lilian Theil existentiellen Themen mit biographischer Komponente („Heimweh“). Scheinbar ganz nebenbei verarbeitet sie in phantasievoller Weise auch philosophische Betrachtungen („Angst“, „Die Durchlässigen und das Böse“ etc.), als stoffliche Reste-Verarbeitung geplant, welche jedoch die hohe Abstraktionsgabe der Autorin beweisen.

Dem Herausgeber, Anselm Roth, ist es gelungen, den Leser und Betrachter in eine virtuelle Ausstellung mitzunehmen: Die Bilder stimmen ein, sich Gedanken zu den Themen zu machen, seine eventuellen Vorurteile der bildenden Kunst gegenüber zu revidieren, Symbole zu verankern und sich gedanklich an eine Deutung seiner eigenen geschichtlichen Realität heranzuwagen.


Über die Autorin

Lilian Theil, geboren im Jahre 1932 in Kronstadt, Siebenbürgen. Im Jahre 1952 wegen „ungesunder Herkunft“ von der Kunstakademie „Nicolae Grigorescu“ in Bukarest ausgeschlossen und zusammen mit der ganzen Familie evakuiert. Zwei Söhne, zwei Enkelkinder. Mit der künstlerischen Arbeit hat sie zwei Wochen nach der Revolution 1989 wieder begonnen. „Weshalb ich mit der Arbeit nur nach 1989 angefangen habe? Weil wir hier alle, wie ich in Bild 2 der Serie ‚Das 20. Jahrhundert‘ dargestellt habe, bis dahin in einer grauen bekümmerten Erstarrung gelebt hatten, welche – nicht nur bei mir – jede Kreativität erstickt hat.“

Ausstellungen: Heidelberg - Bukarest - Schäßburg - Kronstadt - München

Sie soll, sagt man, bisweilen Besucher freundlich aber bestimmt nötigen, sich auszuziehen und ein von ihr ob seiner Farbe begehrtes Kleidungsstück zu spenden. Daraus und aus hunderten anderen Kleidungsstücken und -resten entstehen dann die wunderbaren und ganz besonderen Kunstwerke Lilian Theils, die dank reger Touristenvisiten in ihrem Haus in Schäßburg häufig weltweite Reisen antreten.

Anselm Roth