Skulpturen des Bildhauers Oscar Han

Ausstellung im Museum der Kunstsammlungen in Bukarest

Fotos: Facebook MNAC

Anlässlich des 130. Geburtstages des rumänischen Bildhauers Oscar Han (1891-1976), der väterlicherseits deutscher Abstammung war, veranstaltet das Buka-rester Museum der Kunstsammlungen im rechten Seitenflügel des ehemaligen Romanit-Palastes in der Calea Victoriei 111 eine Ausstellung mit rund fünfzig Skulpturen (Marmor, Bronze, Gips) kleinerer und mittlerer Größe, die aus Beständen des Bukarester Nationalmuseums, des Museums Krikor H. Zambaccian, des Kunstmuseums Konstanza sowie aus den privaten Sammlungen Anca Vlad, Mihai Astratinei und Damian Florea stammen. Die Ausstellung der bildhauerischen Werke von Oscar Han kann noch bis zum 12. September besucht werden.

Der in Bukarest geborene Oscar Han studierte an der Nationalen Schule der Schönen Künste, wie die Kunsthochschule der rumänischen Kapitale damals hieß, insbesondere bei Dimitrie Paciurea (Bildhauerei) und bei Frederic Storck (Zeichnen). Noch als Student schuf er seinen berühmten Mädchenkopf (1911), der in der Bukarester Ausstellung als Bronzeskulptur zu sehen ist. Der Betrachter beugt sich über dieses weit, ja überweit zurückgelehnte Haupt eines jungen Mädchens wie Narziss über sein Spiegelbild und blickt sodann in die weit geöffneten Augen dieses kleinen Mädchens, das sei-nerseits den Himmel zu betrachten scheint. Eine höchst ungewöhnliche, überraschende Perspektive, die der Künstler dem Betrachter schenkt!

Oscar Han war Mitglied diverser Künstlervereinigungen, die eine wichtige Rolle bei der Etablierung der Kunst der klassischen Moderne in Rumänien spielten. Zu nennen wäre hier die Jassyer Künstlervereinigung „Arta Român²“ (Die rumänische Kunst), zu deren Mitgliedern u.a. Camil Ressu, Nicolae Dărascu, Iosif Iser, Dimitrie Paciurea, Cornel Medrea und Ion Jalea zählten, sowie die Künstlergruppe „Grupul celor patru“ (Die Gruppe der Vier), die von Nicolae Tonitza, [tefan Dimitrescu, Francisc Şirato und Oscar Han selbst gebildet wurde.

Im Jahre 1927 wurde Oscar Han zum Professor an der Bukarester Nationalen Schule der Schönen Künste ernannt. Er verfasste mehrere Monographien, eine davon über seinen Lehrer und späteren Kollegen Dimitrie Paciurea, ferner zahlreiche kunsttheoretische und kunstgeschichtliche Studien. Bekannt ist Oscar Han insbesondere durch seine Eminescu-Skulpturen (Standbilder, Büsten, Köpfe), von denen zwei Eminescu-Häupter in der Bukares-ter Ausstellung zu sehen sind: eines in Carrara-Marmor (1930-1935), ein zweites in Bronze (1951), die beide der Neuen Sachlichkeit zuzuordnen sind. Außerdem schuf Oscar Han die Statue von König Karl I. von Rumänien, die im Hof von Schloss Peleş in Sinaia aufgestellt ist. Auch die Statue von Mihail Kogălniceanu auf dem gleichnamigen Platz in Bukarest stammt von Oscar Han.
Wenn man die Bukares-ter Han-Ausstellung, von der Museumskasse kommend, durch die Tür zum kleinsten der drei Ausstellungssäle betritt, findet man sich sogleich inmitten einer Welt von Porträtbüsten wieder. Neben den bereits erwähnten Eminescu-Köpfen ist hier eine Homer-Büste aus Gips aus dem Jahre 1956 zu bewundern, ferner eine Reihe von Schriftstellerbüsten, u.a. von Ionel Teodoreanu, Mircea Damian und Mihail Sorbul. Der Schriftsteller Nichifor Crainic erkannte in der Bronzebüste des Letztgenannten aus dem Jahre 1921 nicht nur den Autor Mihail Sorbul wieder, sondern auch die von jenem geschaffene Dramenfigur Sbilţ aus der 1916 publizierten Tragikomödie „Patima roşie“ (Die rote Leidenschaft).

In der von Liliana Chiriac kuratierten Han-Ausstellung finden sich übrigens, neben den Beschriftungen der einzelnen Kunstwerke, immer wieder diverse Zitate aus kunstgeschichtlichen Werken der im vergangenen Jahr verstorbenen Kunsthistorikerin Doina P²uleanu, die auch ein voluminöses Buch über die bereits erwähnte Künstlervereinigung „Grupul celor patru“ (Bukarest: Monitorul Oficial 2012) verfasst hat. Anhand dieser an den Sockeln einzelner Skulpturen angebrachten Zitate kann man sich einer vertieften Betrachtung der dadurch besonders hervorgehobenen Kunstwerke widmen. Ein karikaturistisches Selbstporträt en miniature von Oscar Han rundet die Werkschau des ersten Saales ab.

Im zweiten Ausstellungssaal finden sich hauptsächlich Aktdarstellungen, angefangen mit der Gipsskulptur eines Mannes aus dem Jahre 1933, der sich heroisch gegen einen Felsen stemmt. Diesem Felszertrümmerer sind zwei männliche Bronzeakte aus den Jahren 1934 und 1935 beigesellt, zwei Bogenschützen, die ihren Bogen wie ein elastisches Sportgerät über ihrem Kopf spannen, das dadurch zugleich als Joch Gestalt gewinnt. Die Muskelpartien der Arme und des Brustkorbs treten in beiden Skulpturen bemerkenswert zutage. Neben diesen dynamischen männlichen Akten finden sich im zweiten und größeren Ausstellungssaal auch weibliche Akte, die eher statisch konzipiert sind, so die fünf Bronzeakte aus den Jahren 1928 bis 1940 mit stehenden, sitzenden oder kauernden Frauengestalten. Höchst statuarisch ist die Bronzeskulptur einer byzantinischen Prinzessin aus dem Jahre 1939, die an gotische Standbilder denken lässt. Und zwei weitere kleine Bronzeskulpturen, zwei weibliche Gestalten mit erhobenem Schwert, vereinigen das Statische und das Dynamische: der „Engel“ (1916-1920) und die „Kämpferin“ (1934), die beide in dem Moment erstarrt scheinen, in dem das Schwert niederzusausen anhebt.

Der dritte und größte Ausstellungssaal wartet mit einer Vielzahl von Skulpturen kleiner und mittlerer Größe auf. Es finden sich hier wiederum Porträtskulpturen, so etwa des rumänischen Historikers und Politikers Nicolae Iorga (1923) oder der rumänischen Dichterin Claudia Millian (1922), aber auch ein Christuskopf und eine Gipsskulptur mit Jesus und Maria Magdalena. Die Gestalt Jesu und die der Sünderin bilden in ihrer gegenseitigen Umarmung eine statuarische Einheit, die, unterstrichen durch die langen Gewänder, hieratisch wirkt. Jesus küsst Maria Magdalena auf den durch ein Tuch gänzlich verhüllten Kopf, vom Körper der Sünderin sieht man nur die Hände, welche die Unterarme des Erlösers berühren.

Ein ähnliches Motiv findet sich in den beiden Skulpturen „Der erste Kuss“ (Bronze bzw. Gips, jeweils 1930), bei denen man unwillkürlich an den „Kuss“ (1907/1908) von Constantin Brâncusi denkt. Wie bei Brâncu{i, so sind auch bei Han die Liebenden durch eine dünne vertikale Linie getrennt und zugleich vereinigt, in Oscar Hans Skulptur von den Knien bis zum Hals. Die Köpfe des knienden Liebespaares umsäumen einander gleich dem Clipverschluss einer Geldbörse. Oscar Han hat dieses interessante Motiv nach Art einer Umkehrung auch variiert. Die beiden Skulpturen „Eden“ (Gips 1922, Bronze 1924) zeigen das Liebespaar nun Rücken an Rücken sitzend, mit angewinkelten und übergeschlagenen Beinen. Auch hier umschlingen sich die Hälse wie in Ekstase, und die vertikale Trennungslinie wird durch die Arme gebildet, die an den beiden Oberkörpern herabhängen.

Besondere Beachtung verdienen die kleinformatigen Bronzen von bäuerlichen Gestalten aus den Jahren 1918 bis 1922 einerseits und von Soldaten aus den Jahren 1917 bis 1931 andererseits. Einzigartig ist die Gestalt des eine Handgranate werfenden Soldaten im Stellungskrieg. Die ausgestreckte rechte Wurfhand und der ausgestreckte rechte Fuß bilden gleichsam einen langen horizontalen Balken, der auf dem angewinkelten linken Fuß wie dem abgewinkelten linken Stützarm als seinen Fundamenten aufruht. Der geduckte, von einem Stahlhelm geschützte Kopf neigt sich bereits wieder dem Erdboden zu, der allein Schutz zu versprechen scheint. Gegenüber dieser höchst authentisch wirkenden dynamischen Skulptur aus dem Jahre 1917, in die auch Fronterfahrungen des Künstlers eingeflossen sind, wirken die Skulpturen von zwei Grenadieren und von drei Soldaten beim Angriff aus den Jahren 1931 eher statisch und abgeklärt. Neben den zahlreichen Skulpturen finden sich in diesem Saal auch noch Bleistiftskizzen des Künstlers, u.a. zwei Selbstporträts, sowie, in drei Vitrinen, Fotografien (von Oscar Han und von Ausstellungen seiner Kunstwerke) wie auch persönliche Dokumente des bedeutenden rumänischen Bildhauers.