Stürmisch, glühend – und en détail durchdacht

Beeindruckende „Tosca“-Premiere an der Kronstädter Oper

Valentina Mărgăraş und Valentin Marele im intensiven zweiten Aufzug der „Tosca“ Foto: Cristina Radu

Leidenschaft, Eifersucht, Verrat und Intrige – brennendere Gefühle als in Giacomo Puccinis Oper „Tosca“ gibt es kaum anderswo in der Geschichte der Bühnenmusik. Und gerade die atemberaubende Intensität, das unruhige Tempo, das Hin-und-Her von befürchteten oder erhofften Ereignissen, die stetig sich aufstauende Spannung machten aus der „Tosca“-Premiere der Kronstädter Oper kurz vor Saisonabschluss ein Erlebnis: Die Inszenierung des italienischen Regisseurs Matteo Mazzoni verbuchte großen Erfolg.

Die Uraufführung der „Tosca“ hat im Jahr 1900 in Rom stattgefunden – mit der rumänischen Sängerin Hariclea Darclée in der Titelrolle und der Ausstrahlung eines medialen Großereignisses. Ebenfalls in Rom, genau hundert Jahre vor der Premiere, spielt die Handlung der Oper. Im Hintergrund vollziehen sich hochexplosive Episoden der europäischen Politik – Koalitionen zerren die Machtverhältnisse ins Ungewisse, Napoleon Bonaparte droht, Italien einzunehmen, die Innenpolitik zerbröckelt zwischen Autoritarismus und Widerstand. Im Vordergrund steht aber, wie allgemein im Verismo, die schonungslose Darstellung vom Leben, Leiden und Lieben (fast) gewöhnlicher Menschen. Matteo Mazzoni gelang es, all das in rund zwei Stunden Bühnengeschehen zu konzentrieren – und er setzte dafür alle zur Verfügung stehenden Mittel ein, von Geste und Mimik bis hin zu Licht und Bühnendekoration, in einer, wie er sie nennt, „Hommage an die neo-realistische italienische Kinematografie.“

Im ersten Aufzug lernt das Publikum zunächst den Maler Mario Cavaradossi (Cosmin Marcovici) und seine Geliebte, die Opernsängerin Floria Tosca (Valentina Mărgăraş), kennen – sowie die Konflikte, die sich um sie verflechten. Mario bietet einem politischen Gefangenen, der aus dem Kerker geflohen ist, Zuflucht, Floria lässt ihre Liebe, ihre flammende Eifersucht und ihr künstlerisches Selbstbewusstsein zutage treten. Der Enthusiasmus der Liebenden und das dynamische, natürliche Schauspiel der Sänger wurden von Mazzoni ergänzt durch lebhafte, bunte Momente, wie der freudige Tanz der Ministranten (Mitglieder des Kinderchors „Unison“) – ein inspirierter Farbtupfer in der sonst gezielt ziemlich steif und starr gestalteten Kirche.

Erst gegen Ende des ersten Akts betritt selbstherrlich und faszinierend der Polizeichef  Scarpia (Valentin Marele) die Bühne – und spätestens da weiß man, dass es gefährlich wird. Der Baron nutzt skrupellos sogar die religiös geprägte Umgebung, um seine Omnipotenz zu bestätigen. Er sehnt sich außerdem nach Tosca und singt seine dunklen Absichten, die mit dem eleganten Weiß seines Samtanzugs kontrastieren – während im Hintergrund die Messe beginnt. Valentin Marele war in diesem Abschnitt in jeder Hinsicht absolut brillant. Die Gläubigen (dargestellt von dem Opernchor) betraten feierlich erst den Zuschauerraum, dann die Bühne, und die musikalische Spannung wuchs zu einem spektakulären und ergreifenden „Te Deum“.

Zur direkten Konfrontation der Ideale von Liebe und Kunst mit der missbrauchten politischen Macht kommt es im zweiten Aufzug, einer von Sopranistinnen und Baritonen gleichermaßen gefürchteten stimmlichen „tour de force“. Im Palazzo Farnese (geschmackvoll eingerichtet von der Bühnenbildnerin Rodica Gar{tea) begegnen sich Tosca und Scarpia. Währenddessen lässt der Regisseur des Publikum im Hintergrund die Folterung Cavaradossis sehen und umso mehr Toscas qualvolle Verzweiflung verstehen, wenn sie ihren Geliebten verrät. Die Diva, Valentina Mărgăraş, zeigte an dieser Stelle Stimmbänder aus Stahl und beeindruckendes Talent als Schauspielerin. Der Diktator, Valentin Marele, fühlte sich in der Rolle wie ein König und war mit seiner musikalischen und darstellerischen Begeisterung geradezu ansteckend.

Im Unterschied zur Leidenschaft, die für den zweiten Aufzug bestimmend ist, wirkte der dritte Akt, der sich im Gefängnis abspielt, bei Mazzoni sehr still und resigniert – so, als ob außer Tosca alle ahnen, dass die Würfel längst gefallen sind. Auf der Plattform der Engelsburg nimmt Cavaradossi Abschied von seinem schönen Leben – Cosmin Marcovici erwies sich hier als besonders begabter Lyriker. Toscas Hoffnung, sich und den Geliebten zu retten, wird abrupt zerschlagen. Sie nimmt sich das Leben.

Matteo Mazzoni ist gerade erst 36 Jahre jung, doch seine vieljährige Erfahrung als Fotograf, Lichtdesigner, Bühnenbildner und schließlich Regisseur kommt wunderbar zum Tragen. Ihm gelingt es, sowohl ein Spiegelbild der Epoche Scarpias, als auch einen modernen, filmischen Rhythmus, eine Brücke zum modernen Menschen, auf die Bühne zu bringen. Leider war die Orchesterbegleitung diesem Niveau nicht ebenbürtig – die instrumentalen Unsauberkeiten waren gelegentlich recht störend. Dass man aber auch in einer „Nebenrolle“ glänzen kann, und dass die Exzellenz vor allem im Detail steckt, bestätigten die Sänger Mugurel Oancea (Spoletta), Alexandru Aghenie (Angelotti) und Gelu Dobrea (der Mesner).

Bei der Kronstädter Oper darf man sich nun auf die kommende Spielzeit und auf mehrere Premieren freuen: „Il tabarro“ („Der Mantel“) aus Puccinis Operntriptychon, „Der Troubadour“ – gewiss auch als Würdigung des Jubilars Verdi gedacht – und eine Ballettaufführung zu „Carmina Burana“ von Carl Orff. Es bleibt zu hoffen, dass auch die Zusammenarbeit mit Matteo Mazzoni weitergeführt wird.