Über die Schulter geguckt

Textilrestaurierung an Fundstücken in den Gräbern der Martinsberger Kirche

Eva Düllo (l.) und Hanna Grabner in der Restaurierungswerkstatt

Ausbessern einer Kopfhaube mit einer aufgelegten Schicht Seidengewebe, noch in Arbeit und mit dünnen Heftnadeln angepasst.

Ein auf Drahtgeflecht angebrachter Kopfschmuck aus Papier und Federn ist fertig und zum Schutz auf einen festen Kartonzylinder in einer Verpackung angebracht.

Ein Kopftuch mit eingewebtem Muster von dem die Verunreinigungen einzeln losgelöst und mittels einem Staubsauger entfernt werden.
Fotos: Hans Butmaloiu

2008 begannen in der evangelischen Kirche am Ausläufer des Schlossberges umfangreiche Renovierungsarbeiten, an welchen Archäologen, Historiker, Kunsthistoriker und Restauratoren, neben Fachleuten im Bauwesen, beteiligt waren. Für das Restaurierungsprojekt wurden eine topografische Erhebung, eine geotechnische Studie, ein wissenschaftliches Gutachten und ein technisches Strukturgutachten erstellt. Zeitgleich mit diesen Studien wurden im Herbst 2008 und im Frühjahr 2009 archäologische Untersuchungen der räumlichen Veränderungen, Umbauten und Ergänzungen im Inneren und Äußeren der Kirche durchgeführt. Insgesamt waren es 18 Grabungen, während derer im Kircheninneren 41 Gräber aus dem 17. und 18. Jahrhundert untersucht wurden. In diesen Gräbern wurden teilweise sehr gut erhaltene Holzsärge gefunden, sowie eine Anzahl von Kleidungsstücken oder Fragmenten von Textilien in überraschend gutem Zustand.

Ein Teil der aus den Gräbern geborgenen Särge, Schmuck, Münzen, Kleidungsstücke, sowie einige Keramikobjekte, wurden in einer Ausstellung im Herbst 2012 dem Publikum vorgestellt, nachdem sie gesäubert, konserviert und stabilisiert worden waren. Doch die Zahl der geborgenen Objekte ist bedeutend größer, und zur Zeit werden einige davon fachgerecht gereinigt und konserviert.

Diese Arbeit führen erneut zwei Diplomrestauratorinnen durch, welche auch 2012 an diesen Funden gearbeitet haben: Eva Düllo (Berlin) und Hanna Grabner (Innsbruck).

Worin diese Arbeit besteht und wie die Funde für eine möglichst lange Zeitdauer konserviert werden, darüber bekamen wir Einsicht bei einem Kurzbesuch in der Restaurierungswerkstatt.

Hier konnten wir direkt zu sehen, wie eine Kopfhaube und ein Tuch gereinigt und konserviert wurden. Die Reinigung erfolgt je nach Beschaffenheit des Objektes und Art der Verschmutzung mechanisch, durch Entfernen der kleinen Schmutzpartikeln mit Pinzette, Pinsel und einem Staubsauger von besonderer Bauart. Feuchte Reinigung kommt nur in sehr seltenen Fällen vor und dann nur mit Wasser und leichten, nicht-aggressiven Reinigungsmitteln. Die Funde, welche jetzt in Bearbeitung sind, haben dieses Verfahren nicht benötigt. Die eigentliche Konservierung besteht darin, dass das Objekt – in diesem Fall ein Kopfschmuck aus Papier, Federn und einem noch sehr gut erhaltenem Drahtgebinde mit einigen Textilaufsätzen und Glasperlen– für die Aufbewahrung in seiner ursprünglichen Form unterstützt wird. Dafür wird ein Unterbau angefertigt und eine der Größe entsprechenden Verpackung verwendet. Deren Zweck besteht darin, das Objekt in Hinsicht auf zukünftige Untersuchungen, Ausstellungen und Aufbewahrung vor schädigenden Einwirkungen zu schützen. Diese können mechanischer Natur sein, aber nicht nur – Lichteinwirkung kann ebenso schädlich wie Staub oder Feuchtigkeit sein. Aus diesem Grund sollte die natürliche oder künstliche Beleuchtung, z.B. in einer Ausstellungsvitrine, in einem Spektrum liegen, das keine ultraviolette Strahlen enthält.

Ein zweites Objekt, schon gereinigt und auf einem Unterbau aufgesetzt, an dem gearbeitet wurde, war eine Kopfhaube, deren Mittelstück einige Fehlstellen im Gewebe aufweist. Um die Form wieder herzustellen, wurde unter die Haube und auf diese ein transparentes Seidengewebe angesetzt und den Konturen angepasst. Solche Ergänzungen werden für jedes Objekt einzeln, in präziser Maßarbeit, angefertigt. Farblich werden diese möglichst nah an die Tönungen des Objektes angepasst, wobei nur synthetische Farbstoffe in Frage kommen. „Es ist so, dass natürliche Farbstoffe eine Färbung erzeugen, welche besonders anfangs nicht stabil ist; sie kann sich durch Lichteinwirkung stark verändern. Andererseits haben wir es mit alten und sehr alten Stücken zu tun, deren Farbe schon relativ stabil ist.

Eine Ergänzung mit einem sich farblich verändernden Teil, Gewebe oder Faden ist also ungünstig“, kam die Erklärung dieses Verfahrens. Und zur Veranschaulichung konnten wir mehrere Rollen Gewebe, aber auch Fäden in unterschiedlichen Brauntönen– von sehr hell, bis zu sehr dunkel– betrachten.

Das dritte Objekt auf dem Arbeitstisch ist ein Tuch von vielleicht 60 x 60 Zentimeter mit einem eingewebten Muster und von dunkelbrauner Farbe. An diesem Beispiel bekommen wir mehrere fachliche Erklärungen über die Beschaffenheit der Funde: „Normalerweise zerfällt Gewebe durch die Einwirkung der Feuchtigkeit aus dem Boden ziemlich schnell. Erhalten bleiben nach einiger Zeit nur Metallteile wie Spangen, Schnallen, Münzen oder Schmuck. Es liegt in der Beschaffenheit der Stoffe, dass diese durch den Alterungsprozess zerfallen. Diese Funde stammen jedoch aus Gräbern, welche relativ trocken waren. Demnach sind Stoffteile erhalten geblieben, einige sogar recht gut, vorwiegend die aus Seide.

Das Tuch ist vollständig und nur verunreinigt von dem, was eben in einem Grab dgeschieht. Es hat ein eingewebtes Muster, welches beim Entfernen der Schmutzpartikeln geschont werden muss. Der Eingriff erfolgt demnach mit viel Vorsicht, um die gealterten Fäden nicht zu beschädigen“, ist die Erläuterung zu der Arbeit unter einer starken Leuchte und mit Werkzeug, das an die Zahnarztpraxis erinnert. Einmal losgelöst werden die kleinen Partikeln mit dem Staubsauger entfernt. Die braune Farbe des Gewebes stammt von den Einwirkungen, welchen diese ausgesetzt waren, aber auch von der ursprünglichen Textilfarbe. Beim Einfärben von schwarzen Textilien – da kann man sich am ehesten Mäntel, Röcke oder Hüte vorstellen– wurden Eisenoxyde benutzt, wodurch diese Gewebe eher dem Verfall ausgesetzt sind. Heute sind Kopfhaube und Tücher ziemlich einheitlich braun, mit nur wenigen Unterschieden im Farbton. Welche Farben die Funde einmal hatten, kann man sich erneut nur vorstellen, wenn man den Kopfschmuck betrachtet. Dieser weist eine bläulich-grüne Schattierung an den Papierteilen und den Federn auf und war vielleicht einmal lebhaft bunt, als er auf dem letzten Weg seines Trägers in den Sarg gelegt wurde. Doch das sind nur Spekulationen, die genauen Studien stehen den Fachleuten zu.

In der Zwischenzeit wird weiter konserviert. Das verlangt Zeit und ist aufwendig. Zum Schutz der Funde, aber auch zum Eigenschutz, legen Eva Düllo und Hanna Grabner die Gummihandschuhe wieder an, setzen die Staubmasken auf, und, wenn notwendig, auch die Vergrößerungsbrillen. Denn nicht nur von den Funden können Gesundheitsrisiken ausgehen – deshalb auch die besondere Arbeitskleidung  –, auch eine Verunreinigung dieser während der Arbeit muss vermieden werden.