Über eine Gesellschaft, in der es von allem vielerlei gibt

Autorenlesung aus Claudiu M. Florians Debütroman „Zweieinhalb Störche“ im Schiller-Haus

Der Autor entpuppte sich nicht nur als raffinierter Schreiber, sondern auch als mitreißender Erzähler. Foto: George Dumitriu

„Eigentlich lernt man als Diplomat, mit vielen Worten nichts zu sagen“, scherzt Claudiu Florian lachend. In seinem Erstlingsroman „Zweieinhalb Störche“ (Titel der rumänischen Version „Vârstele jocului“) ist jedoch genau das Gegenteil der Fall. Aus dem Blickwinkel eines sechsjährigen Knirpses, der in einer gemischten rumänisch-sächsischen Familie in einem Dorf in Siebenbürgen aufwächst, erzählt der 1969 in Reps/Rupea geborene Autor in der einfachen Sprache und mit der bestechenden Logik eines Kindes von seinen eigenen Beobachtungen einer komplexen Gesellschaft, in der es, wie er bald feststellt, von allem „de mai multe feluri“ (vielerlei) gibt. Mehrere Sprachen. Mehrere Kirchen. Die heile Welt der Kinder bei den Großeltern in der ländlichen Kleinstadt – die Eltern im fernen, fremden Bukarest, man kennt sie nur als seltene Besucher. Die Störche auf den Dächern, die sich als Leitmotiv – beobachtend und beobachtet – durch den Handlungsfaden ziehen. Die Großmutter, die zwar Rumänisch spricht, aber an Weihnachten „O Tannenbaum“ singt, wobei der Großvater nur wortlos mitsummt.

Selbst Ereignisse scheint es in mehreren Versionen zu geben, je nachdem, wer sie berichtet. Die kleinen Männchen aus dem braunen Fernseher oder die aus dem schwarzen Radio, deren ferne Stimmen sich immer wieder im Äther verlieren. Vertrieben von Störsendern „gegen das, was man nicht sagen darf“, erklärt der Großvater. Was soll man denn nicht sagen dürfen? Der Junge folgert messerscharf: Schimpfwörter, was sonst? Doch die hat er von den Männchen im schwarzen Radio noch nie vernommen. Einen Störsender bräuchte man höchstens für das, was dem Großvater entfährt, wenn er mal wieder vergeblich am Rädchen dreht...

Ein Satz, ein Auflachen oder Schmunzeln. So führt der studierte Historiker durch seine selbst erlebte Kindheit und vermittelt auf einfühlsame Weise unpolarisierende Lektionen zur Geschichte Siebenbürgens in den 70er Jahren, geprägt vom Kommunismus, einer multikulturellen Gesellschaft und den Folgen der zunehmenden Auswanderungswelle nach Deutschland. Selbst stets als Beobachter zwischen den Welten, entstand das Manuskript als persönlicher Zeitvertreib bei der täglichen U-Bahn Fahrt des rumänischen Diplomaten zwischen seinem damaligen Wohnort Berlin-Zehlendorf und dem Sitz der Botschaft im Zentrum. Der deutschen Version, in der sich vor allem ausgewanderte Sachsen wiedererkannten, folgte eine überarbeitete rumänische Ausgabe. Messerscharfe Beobachtungen, Situationskomik und verblüffende Wiedergaben politischer Diskussionen der Erwachsenen – dies alles gefiltert durch naive, kindliche Logik – bestimmen den Charme dieses Romans. Das Publikum der Lesung im Schiller Haus – egal ob rumänisch oder deutschstämmig – erkannte sich wieder. Claudiu Florian arbeitet mittlerweile an der Botschaft in Bern und überlegt, irgendwann Bände zu den 80er und 90er Jahren folgen zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass auch diesmal eine lange U-Bahn Strecke seinen Wohnort vom Arbeitsplatz trennt...