Überwachungsakten als Quelle und Waffe

Konferenz und Podiumsdiskussion an der Humboldt-Universität zu Berlin

Unter dem Titel „Aus den Giftschränken des Kommunismus – Methodische Fragen zum Umgang mit den Überwachungsakten in Südost- und Mitteleuropa“ findet vom 28. bis 30. April (im Auditorium des Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrums) an der Humboldt-Universität zu Berlin eine Internationale Konferenz statt, an der rund 30 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler teilnehmen. Die Konferenz widmet sich zentralen Fragen der Aufarbeitung kommunistischer Geheimdienstarchive in Ostmittel- und Südosteuropa. Die von Dr. Florian Kührer-Wielach und Michaela Nowotnick konzipierte und organisierte Konferenz wird vom Institut für deutsche Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin, dem Institut für deutsche Kultur und Geschichte Südosteuropas an der Ludwig-Maximilians-Universität München (IKGS) und dem European Network Remembrance and Solidarity (ENRS) ausgetragen, gefördert wird sie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Der erste Teil der Tagung ist der europäischen Dimension der Aufarbeitung des kommunistischen Erbes gewidmet: Führende Experten aus Albanien, Deutschland, der Republik Moldau, Rumänien, der Slowakei, der Tschechischen Republik und Ungarn berichten über die Situation der Aufarbeitung und der Zugänglichkeit der einschlägigen Archive in ihren Ländern, unter ihnen Marianne Birthler, Bundesbeauftragte a. D. für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, und Dragoş Petrescu, Vorsitzender des rumänischen Nationalen Rats für das Studium der Archive der Securitate (CNSAS). Um den Blick für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Akten „aus den Giftschränken des Kommunismus“ zu schärfen, liegt ein inhaltlicher Schwerpunkt der Veranstaltung auf der Erforschung von Minderheiten und Randgruppen. Das Beispiel der „rumäniendeutschen Aufarbeitung“ wird in einem Werkstattgespräch diskutiert, an dem Thomas Şindilariu, Hannelore Baier, Joachim Wittstock und Gerhard Csejka teilnehmen (30. April, 9 Uhr).

Ein Höhepunkt der Veranstaltung wird die öffentliche Podiumsdiskussion unter dem Titel „Opfer! Täter! Volksverräter! – Die Aufarbeitung geheimdienstlicher Archivbestände in Ostmittel- und Südosteuropa“ am 28. April (19.30 Uhr) sein mit dem Autor Uwe Kolbe (Hamburg), der Literaturwissenschaftlerin Michaela Nowotnick (Berlin), der Bürgerrechtlerin und Brandenburger Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur Ulrike Poppe (Potsdam), dem Theologen und Präsidenten des Instituts für die Erforschung der Verbrechen des Kommunismus Radu Preda (Bukarest) und dem Zeithistoriker Krisztián Ungváry (Budapest) auf dem Podium.

Diskutiert wird ferner über den Aussagewert der Überwachungsakte als Quelle für die Forschung. Über Aktenfälschungen spricht der rumänische Dissident, Politikwissenschaftler und Publizist Gabriel Andreescu als Hauptreferent, wonach Dr. Corneliu Pintilescu (Hermannstadt) und Dr. Stefan Sienerth (München) über die Zuverlässigkeit der Akte referieren (29. April, 14 Uhr). Als Rahmenveranstaltung findet am 29. April, 19 Uhr, im Literaturhaus Berlin eine Autorenlesung mit Susanne Schädlich statt, die aus ihrem 2014 erschienenen Buch „Herr Hübner und die sibirische Nachtigall“ (Droemer Verlag) lesen wird.

Im Anschluss an die Konferenz werden in Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) mehrere Workshops durchgeführt, darunter einer für fünfzehn Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus Ostmittel-, Ost- und Südosteuropa. Das Konzept und gesamte Programm sind unter www.giftschrank.net zu finden. (hb)