„Und sein Marmor überlebt bis in die Ewigkeit“

Bildband: Auf den Spuren der Denkmäler für den Nationaldichter Mihai Eminescu

Bei der Buchvorstellung im Schillerhaus (v. l.): Gheorghe Jurma, Erwin Josef Țigla, Projektkoordinatorin Aurora Fabritius. Foto: George Dumitriu

Zum Stern, der aufging / ist‘s ein weiter Weg / tausende Jahre braucht sein Licht /um bei uns anzukommen. / Vielleicht ist es längst erloschen /unterwegs im fernen Blau, / doch seine Strahlen erhellen / erst jetzt unseren Blick. / Die Ikone des verstorbenen Sterns / steigt langsam in den Himmel. / Er war, als er noch nicht aufging. / Heut sehen wir ihn, und er ist nicht mehr. Der Dichter dieser Zeilen muss eine Vorahnung gehabt haben, meint Nora Iuga. Denn auch Eminescus Stern erstrahlte erst so richtig nach seinem Erlöschen... Auf einmal wollten alle Künstler sich an Eminescu verewigen, sein berühmtes Konferfei in Stein bannen, mit ihm aufsteigen in den Himmel der Unvergessenen.

Von Botoșani bis Havanna

Diese Parallele zwischen seinem Leben und dem Gedicht war eine spontane Eingebung, die ihr während der Reden aufgeblitzt war, kokettiert Nora Iuga bei der Vorstellung des Bildbands „Monumentele Mihai Eminescu“ (Mihai-Eminescu- Denkmäler) von Gheorghe Jurma, Schriftsteller und Literaturkritiker, und Erwin Josef Țigla, dem Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Banater Berglanddeutschen, am 20. März im Bukarester Kulturhaus „Friedrich Schiller“. Unsterblich wird darin nicht nur der große Dichter, sondern werden auch die Schöpfer seiner Abbildungen in Bronze oder Stein an sage und schreibe 69 Orten in unserem Land. Und nicht nur hier! Eminescu-Statuen gibt es in Wien, in München, in Budapest, in der serbischen Wojwodina, in Cernowitz/Cernăuți, in Chișinau… 15.000 Kilometer reiste Țigla, um die „Ikonen“ des längst verloschenen „Sterns“ im In- und Ausland zu knipsen. „Nur in Übersee bin ich nicht gewesen“, bekennt er, wohl wissend, dass auch in Montreal (Kanada) und Havanna (Kuba) Eminescu-Statuen zu finden sind.

44 dieser Kunstwerke sind in dem Gemeinschaftswerk der beiden Reschitzaer erfasst, das als Beitrag der deutschen Minderheit im Banater Bergland zur Hundertjahrfeier Rumäniens im letzten Jahr unter der Ägide des Kultur- und Erwachsenenbildungsvereins „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“ erschienen ist. Ein Stück Himmel der Unvergessenheit für die Künstler – aber auch für die Autoren. Zum selben Anlass wurden auch die Bücher „Eminescu și România: o descoperire permanentă“ (Eminescu und Rumänien: eine ständige Entdeckung) und „Ludwig Vinzenz Fischer și traducerile eminesciene“ (Ludwig Vinzenz Fischer und seine Eminescu-Übersetzungen) publiziert. Es hat sie wohl alle erfasst, was Eminescu in der letzten Strophe des eingangs zitierten Gedichts beschreibt: Ebenso wie unser Sehnen / sich in der tiefen Nacht verliert, / das Licht der erloschenen Leidenschaft /verfolgt uns immer noch.

Aufstieg zum Nationalsymbol

Der Bildband umfasst neben Denkmälern auch Gedichte und Gedanken über den rumänischen Nationaldichter. Die Lese- und Schmökerreise beginnt an seinem Geburtsort Botoșani und führt auf 144 Seiten über sein Elternhaus in Ipotești, die Orte seiner Vorfahren, wie das Gedenkhaus der Familie Eminovici in Suceava, zu den Stationen seines Studiums und Wirkens, oder jene, an denen seine Dichtkunst spielt. Eminescu vor dem Kloster Putna, in Stein gehauen von Oscar Han. Die Verbindung zu diesem Ort schafft sein Gedicht über Stefan den Großen. In Fălticeni hat ihm Ion Irimescu nicht nur eine Büste geschaffen, sondern auf dem marmornen Sockel den Engel dazu, der seinen Stern in den Himmel hebt. Das ungewöhnlichste Denkmal stammt von Eremia Costel Grigorescu, es ziert eine Verkehrsinsel in Onești: ein Abbild des Poeten, gezeichnet von den Ästen zweier einander zugeneigter metallener Bäume. Überall sieht das Gesicht des Dichters ein wenig anders aus. Mal sind die Züge heroisch, mal träumerisch nach innen gerichtet, mal engelsgleich oder männlich markant.

Ist es verwunderlich, dass Eminescu so viele Künstler inspiriert? „Er ist außergewöhnlich aufgrund seiner Tiefe“, erklärt Nora Iuga. „Sein Pech? Er war ein großer Romantiker, aber er kam spät. In Deutschland war die Romantik schon am absteigenden Ast. Wäre er zur Zeit von Hölderlin oder Novalis geboren, wäre er auch dort sehr bekannt geworden.“

Dass dies zumindest in seinem Heimatland geschah, verdanken wir einem seltsamen Umstand, verrät Jurma, der mehrere Bücher über den Poeten geschrieben hat. „1883 galt Alecsandri als der größte Dichter“, holt er aus. Nach dem Tod von Eminescu 1889 – mit nur 39 Jahren und unter suspekten Umständen, wie man munkelt – verschwand auch die Truhe mit seinen Manuskripten für einige Zeit spurlos. „Der Dieb war Titu Maiorescu, wie sich später herausstellte“, überrascht Jurma. Sein Motiv war jedoch ein edles: Der Literaturkritiker, Philosoph und Politiker wollte verhindern, dass die Erben die Manuskripte einfach verscherbeln. Er selbst spendete sie der Rumänischen Akademie. 1902 begann dann die Aufarbeitung, Veröffentlichung und Übersetzung des Lebenswerks von Mihai Eminescu. So kam es, dass sein Stern erst nach seinem Tode auf die volle Höhe stieg. Damals erschienen auch die ersten Denkmäler. Er ist die lebendige Statue eines ganzen Landes, dichtet Mihai Codreanu über Eminescus Bildnis in Stein. Und sein Marmor überlebt bis in die Ewigkeit / so vieler künftiger Generationen.

 

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„Monumentele Mihai Eminescu“ von Gheorghe Jurma und Erwin Josef Țigla, Herausgeber: Demokratisches Forum der Deutschen im Landkreis Karasch-Severin; Kultur- und Erwachsenenbildungsverein „Deutsche Vortragsreihe Reschitza“, Verlag Banatul Montan Reschitza 2018. ISBN: 978-973-1929-90-3