Verenas Einsiedelei – das Kleinod in der Schlucht

Auf den Spuren der aus Ägypten stammenden Heiligen in der Schweiz

Verenastatue in Zurzach
Fotos Mag. Ignazius Schmid

Verenakapelle

Unterwegs in der Schlucht

Die Einsiedelei

Zugang zur Krypta im Verenamünster

Verenamünster Zurzach

Die Martinskapelle

Grabplatte der Hl. Verena in der Krypta des Verenamünsters

Es dürfte wohl nicht allzu viele ägyptische Patriziertöchter geben, die in der Schweiz als Heilige verehrt werden. Verena ist dies gelungen...

Der Legende nach ist Verena um 250 in Theben geboren und im heutigen Bad Zurzach gestorben. Wie sie dahin kam? Sie verliebte sich als junges Mädchen in einen römischen Legionär, der der Legion ihres Vetters, Mauritius, angehörte. Kaiser Maximilian beorderte die Legion nach Gallien und Verena schloss sich dem Tross an. Sie kam mit den Soldaten nach Mailand und lebte im Haus des heiligen Maximus. Sie hatte sich zur Aufgabe gemacht, sich um gefangene und verfolgte Mitchristen zu kümmern. Als Mauritius und die Männer seiner Gefolgschaft enthauptet wurden, zog Verena nach St. Maurice, um sie dort christlich zu bestatten. Ihrer Aufgabe gemäß zog sie weiter nach Solothurn, wo ebenfalls Legionäre Opfer der römischen Christenverfolgung wurden. In der nahegelegenen, später nach ihr benannten Schlucht ließ sie sich in einer Höhle nieder und lebte als Asketin. Sie betreute die Aussätzigen vor den Toren der Stadt Solothurn und wurde vom Volk bald als Wundertäterin verehrt.

Andere junge Frauen schlossen sich ihr an und sie verdienten ihren Lebensunterhalt durch Handarbeiten. Der christenfeindliche Stadtkommissar Hirtacus setzte Verena gefangen. Im Traum erschien ihr Mauritius und bestärkte sie in ihrem Glauben, der ihr bald zu Hilfe kam: Hirtacus wurde schwer krank und Verena konnte ihn heilen. So ließ er sie frei, unter der Auflage, die Stadt zu verlassen. Da Verena sich immer wieder Anfeindungen und Neid gegenübersah, leistete sie der Ausweisung Folge. Es wird erzählt, dass sie auf einem flachen Stein die Aare hinab gefahren sein soll. Dort, wo die Aare in den Rhein mündet, war eine kleine Insel entstanden. Diese befreite sie von den Schlangen und machte sie bewohnbar. Im nahen Ort Zurzach wurde sie Hausgehilfin bei einem Priester, und wieder kümmerte sie sich um die Kranken, wusch sie, kämmte sie und brachte ihnen Brot und Wein. Sie wurde beschuldigt, unrechtmäßig Wein zu verschenken, aber als man sie kontrollierte, fand sich nur Wasser in ihrem Krug. Der Priester, bei dem sie als Hausgehilfin diente, gab ihr in der Fastenzeit, in der er keinen Ring tragen wollte, diesen zur Aufbewahrung. Ein Hausdiener stahl ihn, und als ihn das schlechte Gewissen drückte, warf er ihn in den Rhein. In einem großen Fisch, den ein Fischer als Geschenk brachte, fand sie den Ring. Der Priester ließ ihr in Zurzach eine Zelle bauen, so konnte sie sich ihrer Tätigkeit für die Armen voll widmen, und bis zu ihrem Tod im Jahr 344 darin wohnen. Mit dem heilenden Wasser einer Quelle wusch und betreute sie die Kranken, die zu ihr um Hilfe kamen. Die Legende besagt, dass bei ihrem Tode die heilige Maria mit vielen heiligen Frauen erschien, die sie in den Himmel geleiteten.

Verenas Spuren in der Schweiz

Verena ist eine der am meisten verehrten Heiligen in der Schweiz. Im 5. Jahrhundert wurde über ihrem Grab eine Kirche gebaut, das heute nach ihr benannte Ve-renamünster. Die Quelle wurde gefasst und heute noch kommen Menschen im Vertrauen auf ihre Heilkräfte nach Bad Zurzach. Im Jahr 745 baute man ein Benediktinerkloster, das im 13. Jahrhundert ein Chorherrenstift und 1876 aufgehoben wurde. Verenas Grab mit einer Grabplatte aus Marmor von 1613 ist in der Krypta des Verenamünsters in Zurzach zu sehen. Verenas Lebensgeschichte wurde 888 im Stift Reichenau von Abt Hatto aufgeschrieben. Hatto war Abt von mehreren Reichsklöstern und war 22 Jahre Bischof von Mainz. Er war einer der mächtigsten Männer seiner Zeit, aber auch hartherzig und unerbittlich und wurde schließlich in den Turm von Bingen geworfen, wo ihn die Mäuse auffraßen. Bevor es so weit war, schrieb er noch die Lebensgeschichte der Heiligen Verena, und aufgrund seines hartherzigen Charakters darf man annehmen, dass sie nicht geschönt war ... Bad Zurzach ist seit dem 10. Jahrhundert einer der beliebtesten Wallfahrtsorte der Schweiz.

Ein sehr schöner Ort des Gedenkens ist auch die Einsiedelei in der Verenaschlucht bei Solothurn. Man geht etwa eine halbe Stunde geruhsamen Wegs zwischen Verenabach und Felsborden entlang, über eine kleine, mehrbogige Brücke, vorbei an Höhlen und Nischen, in denen angezündete Kerzen stehen. Ein mehrere Meter hoher Stein mitten im Bach fällt ins Auge: Die Legende dazu besagt, dass dort der Platz war, wo Verena ihre Kräuter zu heilenden Mixturen verarbeitete, die Bauersfrauen der Umgebung darin unterwies und ihnen von Christus erzählte. Dem Teufel passte das gar nicht, er holte einen riesigen Stein und wollte ihn auf Verena schleudern. Sie machte das Kreuzzeichen und da ließ der Teufel den Stein fallen. Er fiel ihm auf den Fuß – und seither hinkt er. Dann endlich weitet sich der düstere Waldweg zu einem freundlichen Platz mit einer märchenhaften, magischen Ausstrahlung. Hier befindet sich nun Verenas Einsiedelei: ein kleines Einsiedlerhäuschen, die Martinskapelle, das zweitälteste Bauwerk Solothurns, 1442 urkundlich erwähnt, und dahinter eine zweistöckige Höhle im Felsen, wo Verena mehrere Jahre lebte. Die Kapelle, deren Bausubstanz aus dem 12. Jahrhundert stammt, enthält kostbare Statuen und eine kunstvoll gestaltete farbige Holzdecke. Gegenüber die in den Felsen gebaute Verenakapelle mit dem Heiligen Grab, das im 17. Jahrhundert vom Waldbruder Arsenius Sonntag hinzugefügt wurde, die Magdalenengrotte und das Arseniusbrünnli. Der französische Diplomat Louis Auguste Le Tonnelier de Breteuil, der in der Französischen Revolution in die Schweiz flüchtete, ließ 1791 den Zugang durch die Schlucht ausbauen. Dieser Weg zur Einsiedelei wurde im Inventar historischer Verkehrswege der Schweiz als Weg von nationaler Bedeutung aufgenommen. Auf einem etwa parallel angelegten höher gelegenen Weg kommt man zur kleinen Siedlung Kreuzen, mit einer Kirche, dem Kaplan- und dem Sigristenhaus, die von Johann von Roll 1643 gebaut wurde. Viele Kreuze, die dort standen, gaben der Siedlung den Namen. Sie wurden restauriert und ergänzt von Bildhauer Til Frentzel und im Jahr 2000 neu eingeweiht. Weiter geht man auf dem Meditationsweg bis zur Kirche St. Niklaus, dem Ausgangspunkt der Wanderung. Nach jahrhundertelanger Gewohnheit wird der Lebensunterhalt des Einsiedlers, der in der Einsiedelei als Mesner arbeitet, von der Bürgergemeinde Solothurn finanziert. Ab 2009 waren hintereinander zwei Einsiedlerinnen in der Schlucht tätig, seit September 2016 lebt Bruder Michael Daum in der Einsiedelei. Vor wenigen Jahren wurde der sonst so sanfte Verenabach nach einem schweren Unwetter zu einem reißenden Wildbach, der die Brücke mitriss und den Weg verwüstete. Wenige Zentimeter unter der Einsiedelei hielt das Hochwasser an. Das romantische kleine Restaurant im Hintergrund aber bekam etwas an Wasser ab, wie der Wirt Franz Aerni zu erzählen weiß. Seit über 40 Jahren betreibt er hier das Lokal, hat es mit eigenen Händen ausgebaut und es war ihm immer wichtig, dass es sich in die Umgebung einfügt und zu den anderen Gebäuden gut dazu passt. Das ist ihm gelungen, und so fühlt man sich vor Ort geistlich angesprochen, leiblich gut betreut und im ganzen Umfeld entspannt und erfrischt; ein wahrer Kraftplatz … Am 1. September, ihrem Gedenktag, ist es allen Frauen, die am 1. September Geburtstag haben eine Ehre, in Verenas Einsiedelei zu pilgern. Man kann allen, denen man begegnet, getrost einen schönen Geburtstag wünschen.

Das Beispiel der Heiligen Verena zeigt, dass auch nach so vielen hundert Jahren das Vorbild einer starken Frau wirken kann. Sie hat gesehen, wo Hilfe nottut, dass Essen, Trinken und Hygiene Grundbedürfnisse des Menschen sind, und danach gehandelt. Als ehrende Attribute hat sie einen Krug, ein Brot und einen Kamm bekommen. Sie ist die Patronin der Pfarrhaushälterinnen, der Müller, Fischer und des Bistums Basel. Zudem ist sie zuständig für Frauen, die sich sehnlichst Kinder wünschen – und diese sicher so liebevoll ernähren, waschen und kämmen wie seinerzeit die Heilige Verena.