„Vielleicht eines der am meisten unterschätzten Länder“

Ruth und Jürgen Haberhauer über touristische Höhepunkte in Rumänien

„Rumänien. 50 Ziele, die Sie gesehen haben sollten”, Texte und Fotos von Ruth und Jürgen Haberhauer, Serie „Highlights”, ISBN 978-3-7343-0871-0, Bruckmann Verlag GmbH, München, 2019, 183 Seiten

Das Ehepaar Ruth und Jürgen Haberhauer – sie mit Wurzeln im Banater Großsanktnikolaus – hat in der Reisebuchreihe „Highlights/100 Highlights” des Münchner Bruckmann-Verlags ein elegantes, gut dokumentiertes, treffend und auch fotokünstlerisch anspruchsvoll illustriertes sowie sprachlich reizvolles Reisebuch über Rumänien vorgelegt, das gut 14 Jahre Reisen und Erfahrungen mit, in und durch Rumänien zusammenfasst in 50 „Highlights”, die das Autorenehepaar unbedingt für empfehlens- und sehenswert hält – und die es in der Tat auch sind.

Dass sie sich auf bloß 50 touristische Höhepunkte beschränken, tut dem Buch einerseits gut – es ist überschaubar und bündig und als Einstiegstipp für Rumänieninteressierte, ja sogar für vermeintliche Kenner des Landes nützlich, wenn auch in seiner Kunstalbenaufmachung auf Reisen nicht so recht handlich. Andererseits fehlen dem Rumänienkenner, für den man sich nach mehreren Dutzend Rumänienreisen als Interessent und Reiseführer hält, eine ganze Reihe von Schmankerln, mit denen er sich gern vor Gästen brüstet, die offenen Ohrs und Herzens dieses Land bereisen.

Abseits allzu breitgetretener Pfade

Was dem Buch Reiz und Anziehungskraft verleiht, sind die Begegnungen abseits breitgetretener Touristen-Pflichtpfade. Sie kamen höchstwahrscheinlich dank Ruth Haberhauers noch lebendigen Rumänischkenntnissen zustande, aber zweifelsohne auch mit Talent, einer fehlenden Voreingenommenheit und der natürlichen Neigung zum offenen Zugehen auf die Menschen. In einem angenehm lesbaren Plauderton, immer wieder unauffällig und unplakativ – lies: nicht besserwisserisch – durchsetzt mit soliden Kenntnissen, die auf akribische Dokumentationsarbeit hindeuten, werden Erfahrungen, Erkenntnisse, Erlebnisse und tiefere Einblicke in Land und Leute in 50 Erzähl- und Bild-Portionen übermittelt, die insgesamt einen gewissen Appetit auf Mehr hinterlassen. Das Autorenehepaar selbst hält Rumänien für „vielleicht eines der am meisten unterschätzten Länder”, wo „selten kulturelle Höhepunkte und die Einsamkeit der Natur so dicht bei-sammen” liegen und wo „man innerhalb kürzester Zeit” von „den prunkvollen mittelalterlichen Städten Siebenbürgens hinaus in die Bergwelt der Karpaten gelangen” kann, „in der die größte Braunbärenpopulation Europas zu Hause ist”. Das Buch verspricht: „Nach der Lektüre werden Sie Rumänien mit anderen Augen sehen.” Auch der, der sich für einen Kenner hält, kann bestätigen: das stimmt!

50 Highlight in vier Regionen

Die 50 Höhepunkte, auf die sich Ruth und Jürgen Haberhauer konzentrieren, sind auf die vier touristisch interessantesten Regionen Rumäniens fokussiert: „Banat und Walachei – unterwegs in der Kornkammer Rumäniens”, „Siebenbürgen – im Herzen Rumäniens”, „Moldau und Bukowina – Kulturschätze und Naturerlebnisse” und „Maramureş - ursprüngliche und gastfreundliche Region im Nordwesten”. 

Temeswar ist darin die „lebendige Großstadt mit bedeutender Geschichte”, Herkulesbad das „alte Kaiserbad in atemberaubender Kulisse”, die Brâncuşi-Stadt Târgu Jiu „ein Stadtzentrum als Kunstwerk” - allerdings bleibt die Kultur-Blasphemie unerwähnt, dass mitten auf die von Brâncuși konzipierte 1,5 Kilometer lange Stadtachse – die Straße der Helden oder Calea Eroilor - zwischen den Tisch des Schweigens, der Allee der Stühle, dem Tor des Kusses eine Kirche hineingeklotzt wurde, die den von Brâncuşi gewünschten und philosophisch sowie konzeptionell begründeten Ausblick auf die Unendliche Säule für alle Zeiten versperrt. Eisenmarkt/Hunedoara figuriert als „märchenhafte Burg inmitten grauer Tristesse”, Hermannstadt immer noch als „Kulturhauptstadt Europas”, Kronstadt liegt „im Schatten der Schwarzen Kirche”, Rosenau wird als „die Festung der Rosen – Rîşnov” beschrieben, während Schäßburg schlicht „mittelalterliche Schönheit” und Konstanza einfach „Ovids zweite Heimat” ist. 

Andererseits kommen auch die Naturphänomene und -schönheiten nicht zu kurz (schon die Illustrationen beweisen es: die in Bayern lebenden Autoren sind das Herumkraxeln in den Bergen gewohnt!): „Wilde Natur mit sozialistischen Spuren – Semenik”, „Im steinernen Herz des Berges – Pe{tera Urşilor”, „Königreich aus Fels und Schnee – Piatra Craiului”, „Der tiefste Vergnügungspark der Welt – Salina Turda”, „Urwald im Sand – Letea”, „Unterwegs in Europas größter Caldera – der Călimani-Nationalpark” usw. 

Angenehm sachlich wird auch der „Religionstourismus”, in der rumänischen Tourismusbranche und -werbung liebend gern breitgetreten und überinterpretiert, behandelt, der zweifellos zu den Anziehungspunkten mancher Gegenden gehört: „Eine orthodoxe Festung – das Kloster Moldovi]a”, „Beeindruckendste Kirchenburg – Birthälm/Biertan”, „Im Schutz der Kirche – Honigberg/Hărman“, „Im Tal der Holzkirchen – Valea Izei”. „Der fröhliche Friedhof – Săpânţa” brauchte nicht einmal ein sprachliches Kunststück - ist aber so einzigartig nicht, wenn man die Friedhöfe in den nahen Regionen der Waldkarpaten in der Ukraine gesehen hat. 

Dass manche Ortschaften zweisprachig – rumänisch wie in der Landschaft und auf den Landkarten, deutsch wie in der Geschichte – angegeben sind, andere wiederum nicht, ist aus praktischen Gründen nachvollziehbar. Kommt eben drauf an, ob man dem Leser und potenziellen Touristen auch ein bisserl Geschichte beibringen will oder ihn lieber einfach nur auf das Sehenswerte hinweist – quasi wie ein Spurenleger oder Vor-Läufer – und erwartet, dass er sich selber ein wenig mehr in die Materie vertieft und auf das ihn Interessierende konzentriert – wie es Kulturreisende ohnehin gewohnt sind. So sind auch die Karten, die in das Buch integriert sind, teils nur mit rumänischen, teils mit rumänisch-deutschen Orts- und Flurbezeichnungen versehen.

„So viel mehr“ als Dracula...

Mit patriotisch geschwellter Brust darf man Ruth und Jürgen Haberhauer zustimmen, wenn sie eingangs ihres Rumänienbuches schreiben: „Die Diskrepanz zwischen den Vorurteilen, mit denen Rumänien zu kämpfen hat, und den positiven Erfahrungen derer, die sich aufgemacht haben, sich selbst ein Bild zu machen, ist groß. Aber das Interesse wächst, und immer mehr Menschen lernen die großartigen Landschaften, die kulturelle Vielfalt und die gastfreundlichen Menschen Rumäniens kennen. 

Würde man jemanden, der noch nie in Rumänien war, nach den ersten Begriffen, die ihm zu diesem Land einfallen, fragen, so könnten diese mit hoher Wahrscheinlichkeit so lauten: Dracula, Korruption, „Zigeuner” und Ceaușescu. Das sind leider häufig die ersten und weithin auch einzigen Assoziationen, die mit dem Land verbunden werden. Dabei hat es doch so viel mehr zu bieten!”

Dieses Buch ist eine Hilfe für alle Nichtkenner des Landes, es von seinen Realitäten her und mit seinen Wirklichkeiten, sein „SO VIEL MEHR”, zu entdecken. 

Ein Fazit der unvoreingenommenen Autoren könnte so zusammengefasst werden: Rumänien ist besser als sein Ruf.