Vom Wein als Gottesgeschenk, Kulturgut und Heilmittel

Die Winzertochter und Theologin Gisela H. Kreglinger untersucht die Spiritualität des Weines

Gisela H. Kreglinger, „Wein ist ein Gottesgeschenk. Eine biblisch-christliche Verkostung“. Aus dem Englischen übers. von Cornelia M. Knollmeyer, Würzburg: Echter Verlag 2019, 400 S., geb., ISBN 978-3-429-05394-9, 24,90 Euro

Abendmahlsgeräte aus dem Landeskirchlichen Museum im Friedrich-Teutsch-Haus
Fotos: der Verfasser

Rumänien und Siebenbürgen sind bekanntlich mit dem Wein eng verbunden. Es gibt von der Königlichen Weindomäne in Segarcea bei Craiova mit ihren exzellenten trockenen Weinen über Rekasch und Seiden bis nach Bucium und Murfatlar oder auch Vrancea im ganzen Land etliche Weinregionen, die edle Tropfen produzieren. Der Wein ist aus der rumänischen Folklore und besonders der Bukarester Salonmusik nicht wegzudenken. Der geniale wie legendäre Sänger Gic˛ Petrescu hat – wie der Wiener Hans Moser – dem Rebensaft Dutzende weinselige Lieder gewidmet, die als Evergreens zum kulinarisch-musikalischen Kulturgut Rumäniens gehören. Und die meisten Menschen auf dem Land haben eigene Reben in Hof und Garten, wo sie zum Eigengebrauch Wein erzeugen. Mit der erfreulichen Nebenwirkung, dass Kirchengemeinden auf dem Lande für die Abendmahlsfeier meist keinen Wein kaufen müssen, sondern selbst Gekeltertes auf den Altar kommt. Keine Frage: In Rumänien und Siebenbürgen ist der Wein Kulturgut und Genussmittel zugleich. 

Was verbindet aber den Wein mit dem christlichen Glauben und der Bibel? Die lutherische Theologin Gisela H. Kreglinger hat dazu ein 400 Seiten umfassendes Buch veröffentlicht unter dem programmatischen Titel „Wein ist ein Gottesgeschenk. Eine biblisch-christliche Verkostung“. Vom ansprechenden Titelbild mit vollen Weingläsern und Trauben auf einem Fass bis hin zum Inhalt ist das Buch vor allem eines: ein Plädo-yer zum bewussten, aber auch verantwortungsvollen Genuss von Wein, zur Wahrnehmung der hervorgehobenen Rolle dieses Getränks in der Bibel und der Spiritualität des Weins. Die Autorin entstammt einem unterfränkischen Weingut in der Gegend von Kitzingen und hat an der renommierten University of St. Andrews in Schottland promoviert.

Schon lange müht sich die Theologie um eine positive Sicht der Schöpfung und der Schöpfungsgaben. Oft bleibt dies auf einer sehr allgemeinen Ebene der Kosmologie oder der Ästhetik stehen – oder wird im Blick auf Anliegen des Umweltschutzes bis hin zu einer platten Werkgerechtigkeit moralisiert. Gisela Kreglinger geht hier einen ganz anderen Weg und gelangt zu einer exemplarischen Konkretion der Schöpfungstheologie am Beispiel des Weins, die biblisch genauso systematisch und ganzheitlich begründet wird wie das Anliegen, die menschliche Tischgemeinschaft und die Mahlgemeinschaften in der Bibel als Höhepunkt der menschlichen Gemeinschaft mit Gott und untereinander auszulegen. 

Der Band bietet gleichzeitig eine verständlich aufbereitete, dabei sehr tiefgründige Theologie des Weins wie auch eine amüsant zu lesende Kulturgeschichte des Weinbaus. Zentral ist ihre Feststellung: „Der Wein spielt in der Bibel und in der Geschichte der Kirche eine bedeutende Rolle, und er war schon immer von unermesslichem kulturellem Wert.“ (S. 16) Die Autorin zeigt über diese kulturgeschichtliche Bedeutung hinaus auch auf, welche Rolle der Wein für die christliche Spiritualität und als Heilmittel spielt. Es entsteht damit auch ein theo-logisch gut begründetes Plädoyer für eine konkrete Spiritualität der Schöpfung, die die Güter der Schöpfung und damit die geschaffene Materie nicht abwertet und die Schöpfung nicht spiritualisiert. 

Der erste Teil des Buches – „Der Wein und das Heil“ – untersucht die biblischen und theologischen Grundlagen einer „Spiritualität des Weines“, der einen wichtigen Platz in der Bibel einnimmt. Kreglinger geht auf die Rolle des Weins in der Kirchengeschichte und positive Aussagen der Kirchenväter und wichtiger Theologen zum Wein wie deren Warnungen vor Missbrauch ein. Vor allem die positive Würdigung des Weines bei biblischen Tischgemeinschaften und auch das Weinwunder von Kana sowie die Feier des Abendmahls sind für sie Schlüsselszenen des von ihr hier systematisch entwickelten „echt christlichen Verständnisses des Weines“. Der zweite Teil des Buches – „Wein und heilsame Nachhaltigkeit“ – bietet einen Dialog zwischen der christlichen Spiritualität und der Welt des Weines. 

Wein, Brot und Olivenöl waren die drei Hauptnahrungsmittel der antiken Welt, des Nahen Ostens und des Mittelmeerraums. Der Wein war Kulturgut, Opfergetränk, Genussmittel, aber auch Grundnahrungsmittel. Die Themen Wein, Weinanbau und Weinerzeugung werden in der Bibel häufig erwähnt. Kreglinger geht auf viele Beispiele ein. Besonders wichtig ist dabei Psalm 104, wo es heißt: „Der Wein ist eine besondere Gabe, die das Herz des Menschen froh macht“ (Ps. 104,15). Und schon der Apostel Paulus wusste, dass der Wein in Maßen genossen auch gesundheitsförderlich ist, er empfahl Timotheus bei verschiedenen körperlichen Beschwerden „etwas Wein zu trinken“ (1 Tim 5, 23). Die Weinbezüge und auch Sprachbilder mit Wein im Alten Testament fasst Kreglinger mit den Worten zusammen: „Als Gottesgeschenk dient der Wein als Nahrungsmittel, als Heilmittel, in Kult und religiösen Feiern.“ (S. 39) Selbst die Weinpanscherei wird in der Bibel schon thematisiert (Jes. 1,22). 

Im Neuen Testament spricht Jesus in seiner sehr lebensnahen Verkündigung immer wieder vom Weinberg und vom Wein, sei es in den Gleichnissen von den Arbeitern im Weinberg oder auch von den bösen Weinpächtern, aber auch im Wort vom Weinstock. Vor allem das Weinwunder zu Kana (Johannes 2,1-12) und die Einsetzung des Abendmahls mit Brot und Wein bestätigen den Wein aus Sicht und Handeln Jesu positiv. Jesus selbst hat Wein getrunken und wurde dafür kritisiert. Der Apostel Paulus hingegen warnt aufgrund von Erfahrungen mit Trunksucht in seiner heidnischen Umgebung insgesamt eher vor Weingenuss. Kreglinger arbeitet das alles hintergründig heraus. 

Und so geht es munter weiter. Kreglinger zeigt den Wein als Motiv in der christlichen Kunst. Sie schildert, dass Martin Luther ein sehr positives Verhältnis zum Wein hatte und „die Familie Luther einen beachtlichen Wein- und Bierkeller besaß“ (S. 87). Luther und der Schweizer Reformator Johannes Calvin sprachen sich eindeutig für Wein beim Abendmahl aus. Die Weinzuteilung Calvins betrug „etwa 950 Liter jährlich“. Nach der positiven Sicht der Reformatoren auf den Wein zeigt sie aber auch auf, wie sich in Europa und der neuen Welt in späteren Epochen Puritanismus breit macht und christliche Gruppen Alkohol tabuisierten. Dies führte bis zum Prohibitionsgesetz in den USA.  

Ausführlich geht sie schließlich noch auf den Wein als Heilmittel, aber auch als Suchtmittel ein. Sie betont, dass in der Bibel Trunkenheit und Alkoholmissbrauch immer negativ dargestellt werden. Das genauso tiefgründige wie unterhaltsame Buch wird Weinfreunden gefallen und eine Freude bereiten. Es stellt eine positive Würdigung des Weins dar und bietet tatsächlich eine Spiritualität des Weins und eine Theologie des Feierns und der Lebensfreude an und in der Schöpfung. Manches ist einen Hauch zu dick aufgetragen, wenn etwa mehrfach das Zitat fällt „Trinken ist beten“, selbst wenn dies in Abgrenzung von „Saufen ist Sündigen“ zu stehen kommt. Doch das biblische Zeugnis vom Wein und für den Wein ist eindeutig positiv, genauso wie die Warnung vor Rausch und Missbrauch. 

„Der Wein wurde uns geschenkt, um uns fröhlich zu machen – nicht, damit wir uns schändlich verhalten; um uns zum Lachen zu bringen – nicht, damit wir uns zum Gespött machen; um uns gesund zu machen – nicht krank; um die Schwächen des Körpers zu heilen, nicht um die Seele zu schwächen“ 
(Kirchenvater Johannes Chrysostomos, † 407; zit. S. 66)    

„Der Wein und die Weiber bringen manchen Jammer und Herzeleid, machen viele zu Narren und zu wahnsinnigen Leuten. Wollen wir darum den Wein wegschütten und die Weiber umbringen? Nicht so! Gold und Silber, Geld und Gut stiften viel Böses unter den Leuten. Soll man darum solches alles wegwerfen? Nein, wahrlich nicht! Ja wenn wir unsern nächsten Feind vertreiben wollten, der uns am allerschädlichsten ist, so müssten wir uns selbst vertreiben und töten. Denn wir haben keinen schädlicheren Feind als unser eigenes Herz.“
(Martin Luther; zit. S. 88)