„Wenn das die Kirche leisten könnte“

Dominic Fritz bringt durch das Gospel Menschen zusammen

Der Chor, der an einem Tag entstand, bot am Abend ein Konzert in der ehemaligen Temeswarer Festung dar.

Die Solistin Mirela Iacob macht seit drei Jahren beim Timişoara Gospel Project mit.

Einen Tag lang wurden Gospellieder einstudiert. Von der achtjährigen Schülerin bis hin zur 65-jährigen Rentnerin war alles dabei. Für die Werk-statteilnahme gab es keine besonderen Kriterien. Weder Alter, Ethnie oder Konfession spielten eine tragende Rolle. Es gibt nur eine Voraussetzung: Man muss Spaß dabei haben.

Dominic Fritz verlangt von den Teilnehmern nicht mehr. Der Gründer des Timişoara Gospel Project reist inzwischen seit sieben Jahren nach Temeswar, um für eine Woche mit Laien Musik zu machen. Einstudierte Gospellieder werden am Ende der Woche in einem Konzert vorgestellt. Willkommen ist jeder. Denn Fritz geht es um den vereinenden Charakter der Musik.

Die siebte Auflage des Timişoara Gospel Project fand im Juni statt, das traditionelle Abschlusskonzert wurde in der katholischen Millenniumskirche gehalten. Die meisten stellten sich danach schon auf das Timişoara Gospel Project 2012 ein. Um die Wartezeit zu verkürzen hat Fritz am vergangenen Samstag eine eintägige Gospelwerkstatt veranstaltet. Das Ziel: An nur einem Tag das erreichen, wofür in der Regel eine Woche draufgeht.

Er selbst ist im Schwarzwald in einem kleinen katholischen Dorf aufgewachsen und hat sich schon früh mit Kirchenmusik befasst. Eine treibende Frage hat seinen Werdegang beeinflusst und bringt ihn heute ständig nach Rumänien: „Was wäre eine angemessene Form von Religiosität?“ Darüber wunderte sich der Dirigent schon als Jugendlicher.

Gospel war die Antwort auf seine Frage. „Es ist eine sehr etablierte, aber doch spritzige und moderne Form, Glauben in Musik zu packen“, findet Fritz. Die christlich afro-amerikanische Musik entwickelte sich aus dem Negro Spiritual und ist mit dem Jazz und dem Blues eng verwandt. „Wenn es von Jesus Christus handelt, ist es Gospel,“ hatte einmal der Gospelmusiker Edward Hawkins gesagt.

Er wurde besonders mit dem Gospellied „Oh Happy Day“ weltweit bekannt. Für Hawkins wird Gospel nicht so sehr durch den Klang definiert, sondern vielmehr durch die Botschaft. Im Gospel wird die Seele angesprochen, darum findet auch Dominic Fritz, diese Musikrichtung für seine Projekte angemessen. „Ich glaube nicht, dass es mit anderen Musikrichtungen auch gehen würde,“ meint Fritz.  

Für ihn ist gerade der überkonfessionelle Charakter seiner Projekte wichtig. „Es ist kein katholisches Projekt, es ist kein baptistisches Projekt, es nehmen Personen Teil, die in andere Kirchen gehen oder überhaupt keinen Bezug zu ihrem Glauben mehr haben“, erklärt der Dirigent. Was die Teilnehmer verbindet, ist der Hang für die Gospelmusik, die viele Menschen seelisch berührt.

Der 27-Jährige findet, dass „diese Projekte Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und unterschiedlichen spirituellen Ansichten“ anspricht. Durch die Musik werden sie vereint. „Wenn Kirche das leisten könnte und das kann sie heutzutage oft nicht mehr, dann wäre das was Wunderbares,“ erklärt Dominic Fritz.

Erklärungen bedarf es eigentlich nicht, findet die Blues-Jazzmusikerin Mirela Iacob, die seit drei Jahren beim Timişoara Gospel Project mitmacht und auch an der Werkstatt vergangene Woche teilnahm. Die Atmosphäre spricht für sich. In den ehemaligen Räumen des ethnografischen Museums fanden Fritz und seine über 60 Werkstattteilnehmer den idealen Probeort.

Geübt wurde acht Stunden lang, fast ununterbrochen. Auch bekannte afrikanische Protestlieder wurden einstudiert. Besonders das Südafrikanische Volkslied „Sezeni Na?“, das von der Anti-Apartheids-Bewegung früher gesungen wurde, ließ bei den Teilnehmern einen bleibenden Eindruck. Auch das Publikum, das am Abend zum einstündigen Konzert geladen wurde, war von der Atmosphäre und der emotionalen Ausdruckskraft der Lieder angetan.


„Besonders die afrikanischen Lieder haben mir gefallen, weil ich in Kenya war und das Elend dort miterleben durfte“, meinte eine Zuschauerin nach dem Konzert. Sie hatte auch während der Veranstaltung mit dem Chor mitgesungen. Andere fanden nicht den Mut, sich zu öffnen, applaudierten aber dafür am Schluss den Mutigen zu, die sich vor ein Publikum gewagt hatten.
Für Dominic Fritz war die Werkstatt vom Samstag erneut eine Bestätigung. In Zukunft zieht er es in Erwägung, gleich zweimal im Jahr nach Temeswar zu kommen und das Gospel Project, das vor sechs Jahren anfing, durch kleinere Werkstätten weiter auszubauen.