Wenn sächsische Truhen erzählen

Bemalte Möbel: europäisches Phänomen mit lokaltypischen Merkmalen

Aussteuertruhe 1852 Katzendorf/Caţa, Kreis Kronstadt (Astra-Museum/Hermannstadt)

Schillerhaus-Direktorin Mariana Duliu stellt die Redner vor: Cristian Sencovici und Simona Malearov.
Foto: George Dumitriu

Leuchtende Farben und florale Muster – Tulpen, Sonnenblumen, Rosen, Pfingstrosen, Lilien, Nelken, selten ein Lebensbaum und kaum jemals zoomorphe Motive. Sie sind typisch für die sächsische Möbelmalerei. Man findet sie auf Aussteuertruhen, Geschirrschränken, Tischen, Sitzbänken, Stühlen, Wandnischenschränkchen für Schnapsvorräte, Schubladenbetten und Hutleisten. Auf den ersten Blick in Formen und Farbgebung oft ähnlich, wiederholt sich kaum ein Motiv. Jedes Möbel verrät ein wenig von der Denkweise seines geografischen Entstehungsraums. Mit dieser alten, doch nicht wirklich aus der Mode kommenden Kunst befasste sich die Veranstaltung am 9. Juni im Bukares-ter Kulturhaus „Friedrich Schiller“: ein Diavortrag auf der Basis einer Ausstellung im Hermannstädter Museum ASTRA, „Was sächsische Truhen erzählen“, und mit Bezug auf das kürzlich in rumänischer Sprache neu aufgelegte Buch „Möbelmalerei der Siebenbürger Sachsen“ von Roswith Capesius, übersetzt von Christa Richter und Cristian Sencovici. Hauptrednerin: die Kuratorin der Ausstellung in Hermannstadt, Simona Malearov. Anschließend präsentierte Cristian Sencovici Gedanken und Fotografien aus seiner reichhaltigen Privatsammlung über Möbelmalerei in sächsischen Kirchen. „Weil man diese ja nicht in eine Ausstellung holen kann“, scherzt Sencovici.

Die von schlicht bis äußerst kunstvoll reichende Dekoration von Möbeln hatte ursprünglich auch einen praktischen Zweck: Sie sollte nicht nur die gute Stube schmücken, sondern auch das Holz schützen. Möbelmalerei ist kein typisch sächsisches Phänomen, sondern ein gesamteuropäischer Trend, der vom 16. bis 19. Jahrhundert andauerte, erklärt Malearov. In Siebenbürgen kam dieser erst im 17. bis 19. Jahrhundert so richtig in Mode. Auch Ungarn und Rumänen bemalten dort ihre Möbel, jede Region hatte ihren eigenen, typischen Stil. Anfangs hatte sich das Verzieren von Möbeln vor allem in der Stadt durchgesetzt, später gelangte die Handwerkskunst auch aufs Dorf. Einfache Schreiner, Fassbinder und Zimmerleute, also jene, die auch die Möbel herstellten, entwarfen die meist einfachen Motive, in der Hoffnung, den Geschmack ihrer Kunden zu treffen. Oder Landler gingen von Haus zu Haus und boten den Sachsen die Fertigung nach Auftrag an. Auch sie hatten bemalte Möbel zuhause, doch waren diese wesentlich einfacher gestaltet und reflektierten damit den sozialen Unterschied.

Zentren dieser Handwerkskunst entstanden in Schäßburg/Sighişoara, Reps/Rupea, Großschenk/Cincu, im Burzenland und in Nordsiebenbürgen. Charakteristisch für die sächsische Möbelmalerei im Vergleich zu anderen Volksgruppen ist die Verewigung des Besitzers, zumindest mit Initialen, z. B. unter dem Deckel einer Truhe, oder das Anbringen eines Segensspruchs. Typisch sächsische Möbelstücke sind Zunftladen, Bruderschafts- und Nachbarschaftsladen zum Aufbewahren von Dokumenten, oder auch Schubladenbetten, in deren unterer Etage die Eltern bzw. Schwiegereltern schliefen und oben das junge Paar, sowie massive Getreideladen, die in der Kirchenburg aufbewahrt wurden. 80 bis 100 solcher Truhen von 1-1,20 Metern Länge und 50-60 Zentimetern Höhe gab es in fast jeder Kirche. Mancherorts fragte man sich, wie sie über die enge Wendeltreppe überhaupt in den Turm geschafft werden konnten. Die Lösung: Sie wurden unten zerlegt, in Einzelteilen hochgeschafft und dann wieder zusammengebaut.

Zur Möbelmalerei im weiteren Sinne gehören auch die bemalten Gestühle, Kanzeln und Emporen in den sächsischen Kirchen, statt mit Blumen häufig mit Zunftzeichen und Kirchenszenen versehen. Deutsch-Weißkirch/Viscri, Meschendorf/Meşendorf oder Keisd/Saschiz flimmern als Beispiele über die Leinwand. Klosdorf/Cloaşterf gilt als eine der schönsten Kirchen in Bezug auf die Malerei, verrät Sencovici. In den sächsischen Häusern wurden bemalte Möbel erst durch das Aufkommen der Furnier- und Intarsienkunst verdrängt. Doch völlig aus der Mode kamen sie wohl nie: Heute sind die prachtvollen Truhen, Sitzmöbel oder Schränke in modernen Haushalten zumindest als Einzelstücke beliebt oder sie verleihen traditionellen Gästehäusern das nötige ländliche Flair. Allein das ASTRA Museum in Hermannstadt/Sibiu hat über 300 bemalte Möbel aus allen geografischen Regionen Siebenbürgens und aus verschiedenen Jahrhunderten zusammengetragen.