Zielgerichtetes Musizieren bestimmte das Geschehen auf der Bühne

Das Landes-Jugend-Symphonie-Orchester Saar trat in mehreren Städten Rumäniens auf

Die Saarländer Musiker besichtigten die Kirchenburg in Tartlau. Foto: Internetseite des Ensembles

Eine eindrucksvolle Hörprobe engagierten Orchesterspiels durften all jene Zuhörer erleben, welche am 28.Oktober das Konzert des Landes-Jugend-Symphonie-Orchesters Saar (Deutschland) im Hermannstädter Thalia-Saal besucht haben. Junge, angehende Berufsmusiker im Alter von 14 bis 24 Jahren begeisterten unter der Leitung von Erina Yashima ein zahlenmäßig kleines Publikum und konnten die Bühne erst räumen, nachdem sie zwei Zugaben zum Besten gegeben hatten.

Die Messlatte, die sich das junge Orchester durch die Zusammenstellung des Konzertprogramms selbst auferlegt hatte, hängt sehr hoch. Deutschlands Musikszene genießt nicht nur dank seiner hervorragenden Berufsorchester weltweite Berühmtheit, sondern ist u. a. auch darum bemüht, diese Qualität in der Zeit auf konstant hohem Niveau zu halten. Den Nährboden für den fortwährenden Erfolg stellt das Ausbildungssystem sämtlicher Musikschulen und -Hochschulen Deutschlands, welche vielen Schüler/innen und Studenten/innen einen effizienten Musizierstil mit auf den Weg geben.
Stellvertretend dafür unternahm das Landes-Jugend-Symphonie-Orchester des Saarlandes in der Zeitspanne 24.-31.Oktober 2013 eine Konzerttournee durch Rumänien und überzeugte nebst Klausenburg, Kronstadt/Bartholomä, Reschitza und Temeswar auch das Hermannstädter Publikum von seinem musikalischen Ehrgeiz.

Zu Beginn des abendfüllenden Konzertes brachte das Orchester die Fantasie-Ouvertüre zur Oper „Romeo und Julia“ von Pjotr Iljitsch Tschaikowsky (1840-1893) zu Gehör. Die tiefen, von Tschaikowsky wegen ihrer typisch düsteren Klangfarbe verwendeten Holzblasinstrumente A-Klarinette und Fagott eröffneten die ausladende Fantasie-Ouvertüre, welche schon in den ersten Takten die Tragik des vertonten Dramas vermittelt. Ein weiteres für Tschaikowsky typisches Klangmerkmal war zu erkennen: Schnelle, von sämtlichen Streichinstrumenten unisono gehämmerte Sechzehntel-Passagen, je nach Stimmlage der einzelnen Instrumente über gleichzeitig drei bis vier Oktaven aufgefächert, wodurch eine ungeheure Klangwucht entsteht. Eine Instrumentation, welche Tschaikowsky auch in den lyrischen Teilen der Fantasie-Ouvertüre und anderer Orchesterwerke anwendet, um eine kantable Melodie mit der nötigen Klangschwere und Eindringlichkeit zu versehen.

Leider gab es auf der anderen Seite auch Momente, in denen die Spielkontrolle der Holzbläser etwas besser hätte sein können: Immer wieder gab es das ein oder andere blastechnisch unsauber ausgeführte Verklingen eines ausgehaltenen Tones, auch kleine intonatorische Schnitzer waren nicht zu überhören. Hier muss jedoch rechtfertigend gesagt werden, dass allein jahrelanges Training werdenden Musikern zu jener grundsoliden Spieltechnik verhilft, die gestandene Orchestermusiker ausmacht. Die Mitglieder des Landes-Jugend-Symphonie-Orchesters Saar befinden sich an einem sehr fortgeschrittenen Punkt ihrer Ausbildung und haben trotzdem noch viel Luft nach oben, was technische und künstlerische Verbesserungen angeht.

Solistin des Abends war die aus dem saarländischen Homburg stammende Violinistin Julia Pfister. Dass die unterdessen in ihrem Heimatland erfolgreiche Orchestermusikerin ihre Laufbahn im Landes-Jugend-Symphonie-Orchester Saar begonnen hatte, war ihrem gemeinsamen Auftritt mit dem begleitenden Ensemble anzumerken. Die Dirigentin Erina Yashima und ein leichter, aber dennoch dicht gewobener Streicherklang, führten Julia Pfister durch die Rhapsodie Nr.1 für Violine und Orchester (1929) von Béla Bartók (1881-1945) und die „Havanaise“ für Violine und Orchester op.83 (1887) von Camille Saint-Saëns (1835-1921). Insbesondere die Rhapsodie Nr.1 von Bartók ist von volkstümlicher Eigenschaft geprägt. Mit diesem schroffen und rustikalen Material ging Julia Pfister gekonnt um, ebenso mit der „Havanaise“ von Saint-Saëns, wo sie mit exzessivem Vibrato und allzu zuckersüßen Glissandi streng haushielt. Mit dezent angebrachten technischen Hilfsmitteln traf sie den Salonmusik-Charakter des Werkes, ohne in den süffigen Spielstil zu verfallen, der so manch anderen Geigenvirtuosen kennzeichnet.

Nach einer verdienten Pause wartete das Landes-Jugend-Symphonie-Orchester Saar mit der Sinfonie Nr.2 D-Dur op.73 (1877) von Johannes Brahms (1833-1897) auf und offenbarte seine große dynamische Spannbreite. Besonders im Bereich des Piano und Pianissimo zeichneten sich alle Instrumentengruppen aus, wodurch es dem gesamten Orchester möglich wurde, im lauten Tutti-Forte und -Fortissimo den runden, gefassten Klang zu wahren, ohne der Gewalt den Vorzug gegenüber der Schönheit geben zu müssen.

Den langsamen Satz seiner 2. Sinfonie, Adagio non troppo, hat Brahms mit einem stetigen dynamischen Auf und Ab gespickt, sowie auch mit vielen chromatisch und harmonisch geladenen Passagen. Die Mitglieder des Ensembles meisterten alle spieltechnisch schwierigen Momente der 2. Sinfonie von Brahms souverän, ähnlich wie eine Seemannschaft gefährliche Klippen umschifft, ohne größeren Schaden zu nehmen. Darüber, dass an einigen Stellen Kratzer herauszuhören waren, konnte man zu dem vorangeschrittenen Zeitpunkt des Konzertes gerne hinwegsehen. Eine gewisse Interpretationsabsicht und eine gemeinsame genaue Klangvorstellung der Orchestermitglieder waren in jedem Augenblick vorhanden. Man konnte erahnen, dass die Musiker und Musikerinnen gewusst haben müssen, wie sie das Werk Brahms´ gespielt hätten, wären sie im Besitz aller spieltechnischen Fertigkeiten gewesen. Nicht Gleichgültigkeit, sondern zielgerichtetes Musizieren bestimmte das Geschehen auf der Bühne.

Hörner, Trompeten und Posaunen haben den guten Ruf deutscher Blechbläserschule bestätigt. Die klangliche Ausgewogenheit innerhalb des Orchesters war es auch wahrscheinlich, welche das geringe, aber verständige Publikum zu lang anhaltendem Applaus bewegt hat. Beharrlich haben alle Zuhörenden eine Draufgabe eingefordert und wurden mit dem Ungarischen Tanz Nr. 6 von Johannes Brahms und Giuseppe Verdis Ouvertüre zur Oper „Nabucco“, belohnt.
Erina Yashima hielt die Zügel fest in der Hand und dirigierte das Orchester mit dem richtigen Maß an Autorität, gab ihm aber auch Freiraum für lebendiges Ausmusizieren, um sämtlich vorhandene Ressourcen der einzelnen Musiker/innen zu aktivieren. Erina Yashima verfügte über eine sehr akkurate Schlagtechnik, die auch bei einigen, leider nur mittelmäßigen Gastdirigenten der Hermannstädter Staatsphilharmonie nicht fehl am Platz wäre.

Trotz mehr als ausreichender Konzert-Propaganda seitens der gastgebenden Konzertveranstalter fanden nur ca. 50 Zuhörer am Abend den Weg in den Thalia-Saal. Noch ist nicht abzusehen, wann in Hermannstadt der nächste ausländische Orchesterbesuch eintrifft, aber allen treuen Konzertgängern wird wärmstens empfohlen, sich die nächste Chance nicht entgehen zu lassen. Dadurch eröffnen sich einem neue Sichtweisen und man kann die regelmäßigen Konzerte der hauseigenen Staatsphilharmonie mit kompetenteren Ohren genießen, auf einer Qualitätsskala einordnen und sich ein eigenes Urteil bilden.