Abschluss der Wartungsarbeiten an der Synagoge Hermannstadt

Innenraum hatte seit 120 Jahren keine tiefgreifenden Veränderungen erfahren

Konsul Hans Erich Tischler, der jüdische Gemeindevorsitzende Otto Deutsch und zwei Handwerksgesellen auf Wanderschaft blicken nachdenklich nach rechts. (v.l.n.r.) Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Vier Tage vor Rosch ha-Schana, dem jüdischen Neujahrsfest, begrüßten Otto Deutsch, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hermannstadt/Sibiu, Vizebürgermeister Tiberiu Cornel Drăgan (PNL), Hans Erich Tischler, Konsul der Bundesrepublik Deutschland in Hermannstadt, und sechs auf Wanderschaft und Ausbildung befindliche Mitglieder des Vereins der lokalen Gesellenherberge (Asociaţia Calfelor Călătoare Sibiu) öffentlich den Abschluss baulicher Wartungsarbeiten an der Synagoge zentraler Stadtlage auf der Salzgasse/Constituţiei. Sonntag, am 29. September 2019 nach gregorianischer Zeitrechnung, beginnt für Freunde und Praktizierende jüdischen Glaubens weltweit das Jahr 5780.

Otto Deutsch und die auf 50 Personen geschrumpfte jüdische Ortsgemeinde Hermannstadt sind glückliche Verwalter einer herrschaftlichen Synagoge auf halber Wegstrecke zwischen Bahnhofsgebäude und griechisch-katholischer Ursulinenkirche, beides Immobilienzeugen der österreichisch-ungarischen Habsburgermonarchie. Der intakte Innenraum des Gotteshauses mit Davidsstern und hebräischem Schriftzug über dem Eingangsportal hat seit Fertigstellung und Einweihung vor 120 Jahren keine tiefgreifenden Veränderungen erfahren und wurde durch die unlängst durchgeführte Säuberung des Dachbodens von großen Mengen ätzenden Vogeldrecks und weiteren Schadstoffen vor dem drohendem Einsturz des Deckengewölbes gerettet. Die unaufschiebbaren Arbeitsschritte einschließlich Reparatur ebenerdiger Eingangstüren wurden von der Dienstleistungsgesellschaft Curățenie Morhan S.R.L. und den vor Ort stationierten Wandergesellen geleistet. Hoher Dank für die finanzielle Unterstützung gilt dem Auswärtigen Amt der Bundesrepublik Deutschland.

Hans Erich Tischler überbrachte den offiziellen Gruß des bundesdeutschen Au-ßenministers Heiko Maas. Sechs zünftig auftretende Handwerksgesellen in Kluft und mit Hut machten die Abwesenheit einer Delegation der Curățenie Morhan S.R.L. wett. Vizebürgermeister Dr²gan erwähnte den kulturellen Wert der Synagoge als Spielstätte des alljährlichen Internationalen Theaterfestivals Hermannstadt (FITS) und nahm gleichzeitig dezidierten Abstand von der Möglichkeit, seine Anwesenheit an der Feierlichkeit für Stimmenfang und Polemik im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfes zu nutzen. Otto Deutsch erläuterte Sinn und Zweck des Feiertages Rosch ha-Schana, der Gläubigen ein Hinterfragen und Überprüfen des eigenen Gewissens auf Herz und Nieren nahelegt, ihnen die an Gott gerichtete Bitte um Vergebung abnötigt und sie hoffen lehrt, der Herr habe ihren Namen nach wie vor auf der guten Seite des Lebensbuches vermerkt. Die Bußgebet-Anrede zum Fest des jüdischen Neujahrstages wird traditionsgemäß auch vom Einzelnen jeweils im Plural gesprochen und gilt stellvertretend für alle Menschen auf der Welt.

Aus offenkundigen Gründen nutzt die amtlich seit 1869 bestehende Jüdische Gemeinde Hermannstadts ihre Synagoge zumeist nur noch als Ort für Bildungsaktivitäten zugunsten von Schulklassen. Laut Aushang steht die Synagoge Hermannstadt täglich von 9 bis 12 Uhr zur Besichtigung offen, der Eintritt kostet 5 Lei pro Person. Voranmeldungen sind jederzeit willkommen und werden unter der Rufnummer 0269-216904 sowie schriftlich über die E-Mail-Adresse cesibiu@yahoo.com entgegengenommen. Ordnungsgemäße Gebetsriten werden in einem Raum des Gemeindeamtes im Hof hinter der Synagoge abgehalten. Otto Deutsch lädt ein, das jüdische Neujahrsgebet kommenden Sonntag in Hermannstadt aus nächster Nähe mitzuerleben.