Benefizkonzert mit ganz neuer Musik auf sehr alte Texte

AuditivVokal aus Dresden trat in Klausenburg, Hermannstadt und Mediasch auf

Konzert mit dem Ensemble AuditivVokal aus Dresden in der evangelischen Stadtpfarrkirche Hermannstadt am vorletzten Sonntagabend vor dem katholischen und protestantischen Osterfest: Dorothea Wagner, Katharina Salden (beide Sopran), Bariton Philipp Schreyer, Stefan Kunath (Altus) und Tenor Jonas Finger (v.l.n.r.), von Dirigent Olaf Katzer durch den Abend geleitet. Foto: Klaus Philippi

Hermannstadt – Deutsche Volkslieder und Chormusik aus der Hand barocker bis romantischer Komponisten des abendländisch-deutschen Kulturraums klingen auch im 21. Jahrhundert wie neu, wenn man ihnen zeitgenössische Stücke gegenüberstellt. An dem Konzertprogramm von Dirigent Olaf Katzer und dem Dresdner Ensemble AuditivVokal von Sonntagabend, dem 3. April, in der evangelischen Stadtpfarrkirche in Hermannstadt/Sibiu würden Heinrich Schütz und Felix Mendelssohn-Bartholdy wahrscheinlich ihre helle Freude gehabt haben. Sprechgesänge nach der Schreibart der jüngsten Moderne als Intermezzo zwischen zwei Chorsätzen auf den Text des Gebetsliedes „Verleih uns Frieden gnädiglich“, das Martin Luther 1529 in Anlehnung an das gregorianische „Da pacem, Domine, in diebus nostris“ aufsetzte, lassen beim Zuhören in der Tat aufmerksam wie selten aufhorchen. Und dass Olaf Katzer in München, Weimar und Dresden nicht nur Musik, sondern auch Psychologie studiert hat, war seiner mündlichen Moderation durch das Konzert anstelle eines Programmzettels hilfreich. Der Leiter des kleinen Ensembles AuditivVokal weiß, wie in einer Aufführung am Abend Sängerinnen, Sänger und das Publikum mit kurz und knapp gewählten Sätzen für das große Gemeinsame zu begeistern sind. Es hat schon etwas für sich, einer iranischen Raumkomposition, einem ukrainischen Volkslied und der im September 2021 in dem Berliner Ausstellungszentrum Pyramide uraufgeführten „Luftagogia“ von Gabriel Mălăncioiu einen Platz im Konzert mit Volksliedern wie „Der Mond ist aufgegangen“ oder „Wenn ich ein Vöglein wär´“ einzuräumen.

Die Übersetzung der deutschen Moderation von Olaf Katzer in die rumänische Sprache versuchte Schlagzeuger Andrei Marcovici von der Staatsphilharmonie Hermannstadt nach Wortschatz-Kräften zu meistern. Für die Kopfzeile „Sei dennoch unverzagt“ des barocken Gedichtes „An sich“ von Paul Fleming, im Duett von einer Frauen- und einer Männerstimme vorgesungen, hatte Andrei Marcovici auf die Schnelle keine Entsprechung in der Sprache der Mehrheit parat, wofür das Hermannstädter Publikum jedoch Verständnis zeigte. „Wer sein selbst Meister ist und sich beherrschen kann, / dem ist die Welt und alles untertan.“ Passend zu diesem fast vierhundert Jahre alten und von Friedrich Goldmann (1941-2009) vertonten Gedicht wählten Olaf Katzer und AuditivVokal an der vorletzten Stelle ihres Auftritts auch drei Strophen vom Lied „Der Mond ist aufgegangen.“ Nach dessen sechs schließenden Zeilen („So legt euch denn, ihr Brüder / in Gottes Namen nieder. / Kalt ist der Abendhauch. / Verschon uns, Gott, mit Strafen / und lass uns ruhig schlafen / und unsern kranken Nachbarn auch.“) legten die Gäste aus Sachsen in Hermannstadt noch die Hymne der Ukraine auf ihre Notenständer. Es war ihr zweiter Auftritt in Folge nach dem Konzert im Studiosaal der Gheorghe-Dima-Musikakademie Klausenburg/Cluj-Napoca, wo sie tags vorher im Programm des Musikfestivals „Cluj Modern“ zu hören gewesen waren. Montag, am 4. April, liehen sie in der evangelischen Margarethenkirche zu Mediasch ihre in der sächsischen Metropole Dresden professionell ausgebildeten Singstimmen auch dem siebenbürgisch-sächsischen „Abendgebet“ in originaler Mundart. Eine lupenreine Darbietung, die auf dem Facebook-Account der gastgebenden Kirchengemeinde zum Nachhören bereitsteht.