Das Jahr, in dem Europa zu sich selbst zurückfand

Ausstellung des amerikanischen Fotografen Edward Serotta

Bukarest - „Falls irgendetwas Politisches passieren sollte, kann ich das auch fotografieren“. Mit diesem heute naiv anmutenden Gedanken im Hinterkopf zog der Fotograf Edward Serotta 1988 aus den Südstaaten der USA nach Budapest. Seit drei Jahren hatte er bereits Reisen durch ganz Mitteleuropa unternommen, um die jüdischen Gemeinden der Region zu fotografieren – die Ausstellung enthält daher neben Bildern aus Rumänien auch solche aus Bulgarien, Polen, Ungarn, der Tschechoslowakei und der DDR, die in den Jahren vor und nach den Revolutionen entstanden.

Oder auch währenddessen: Am 22. Dezember 1989 weilte Serotta gerade in Temeswar und wurde so Zeuge der rumänischen Revolution. Da er nicht ins Stadtzentrum gelangte, fotografierte er das Geschehen im Krankenhaus – die Aufnahme von Ärzten, die sichtlich übermüdet und fieberhaft einen verletzten jungen Mann behandeln, setzt einen intimen Kontrapunkt zu den gängigen Bildern von immensen Menschenmassen.

Die Ausstellung zeigt historische Ereignisse, wie die Umbettung des 1958 nach einem Geheimprozess erschossenen einstigen kommunistischen ungarischen Regierungschefs Imre Nagy in Budapest oder ausgelassen auf der Straße tanzende Seniorinnen nach der bulgarischen Revolution; daneben findet man auch bekannte Gesichter – ein Viktor Orbán, der seine politische Karriere gerade erst beginnt, findet sich neben dem bereits greisen Otto Habsburg. Am wichtigsten sind aber die Bilder, die das Alltagsleben zeigen. Wie während einer Podiumsdiskussion zur Ausstellung betont wurde, sind diese gerade in Rumänien wertvolle Dokumente: Der größte Teil der aus den Jahrzehnten der Diktatur erhaltenen Fotografien wurde von der Securitate angefertigt, um sie gegen die Abgelichteten zu verwenden – Bilder wie die Serottas, die den Menschen und Orten mit neugierigem, aber freundlichem Blick begegnen, sind rar.

Die Ausstellung wurde organisiert vom Österrei-chischen Kulturforum Bukarest und kann noch bis zum 19. Januar von Mittwoch bis Sonntag, 10.00 – 17.30 Uhr im Bukarester Stadtmuseum besucht werden.