Das Wanderbuch des Rothgerbers

Studentin erschließt in Hermannstadt historische Akten des Bistritzer Stadtpfarramtes / Erstmals finanziert eine HOG ein solches Projekt

Hermannstadt - Seit über einem Monat arbeitet sich Ina Bedranowsky durch die Akten. Gottesdienstprotokolle, Kirchenmatrikeln, Kirchenrechnungen und ortschgeschichtliche Unterlagen müssen gesichtet, mit einer Signatur versehen und in die Datenbank eingegeben werden.

Etwa 4,5 Regalmeter in 42 Kartons umfasst der Aktenbestand des Bistritzer Stadtpfarramtes, den das Hermannstädter Zentralarchiv der evangelischen Landeskirche A.B. in Rumänien bis zu diesem Jahr aufbewahrte. Nur aufbewahrte und nicht aufarbeitete, denn dafür fehlten bislang die Mittel, wie der Archivleiter Dr. Wolfram Theilemann erklärt. Das die Potsdamer Studentin Bedranowsky dieser Tage ein Findbuch für diese Akten erstellen kann, sei einem Novum zu verdanken. Erstmals kooperiert das landeskirchliche Archiv mit einer Heimatortsgemeinschaft (HOG), in diesem Fall mit der HOG Bistritz-Nösen.

Deren Vorsitzender Hans Franchy erklärte sich nach den Worten Theilemanns bereit, aus Mitteln der HOG das siebenwöchige Praktikum der Archivwissenschaftsstudentin zu unterstützen. Außerdem sorgte er für die Unterkunft während des Aufenthaltes in Hermannstadt/Sibiu. Das übergeordnete Ziel der Zusammenarbeit besteht in der Zusammenführung der auseinander gerissenen Bistritzer Bestände der Archive in Hermannstadt und im Siebenbürgen-Institut in Gundelsheim. Nicht erfasste Bestände befinden sich darüber hinaus vermutlich im Archiv der evangelischen Kirche in Österreich, in Privatbesitz und in Bistritz/Bistriţa selbst.

Der dem Archiv im Teutsch-Haus 2001 übergebene Bestand umfasse zum großen Teil nur unvollständige Akten. Erst ab 1965 seien Presbyterial- und Pfarramtsakten komplett vorhanden. Insgesamt 318 Einzeldokumente habe sie erfasst, informiert Bedranowsky, dazu noch 54 Grundrisszeichnungen und Pläne sowie einige Fotos. Die ältesten jetzt erfassten Dokumente seien ein Steuerbuch der Kirche aus dem Jahr 1530 und ein Einnahmebuch des Küsters von 1532, erzählt die 24-jährige Studentin. Zu ihren interessantesten Fundstücken zählt sie das 1821 begonnene Wanderbuch des Bistritzer Rothgerbergesellen Samuel Gottlieb Glandschek.

Wer sich für die Bistritzer Akten interessiere, wisse nun, wo er den größten Teil finde, freut sich Archivleiter Theilemann. Sein Archiv bewahre neben den genannten Akten auch Dokumente des Bezirkskonsistoriums, des Diasporapfarramtes und Reste privaten Schriftgutes. Findbücher können direkt beim Landeskirchenarchiv gegen eine geringe Gebühr angefordert werden.