Fred Nuss und Publikum verbeugten sich voreinander

Ausstellungsraum im Herzen Hermannstadts platzte bei Vernissage aus allen Nähten

Hermannstadt – „Es ist schwer, sowohl Fotograf als auch Dichter zu sein und beides mit stetiger Erfindungsgabe zu nähren“, so Fred Nuss am Montagabend, dem 11. November, im Terrassensaal des Begegnungs- und Kulturzentrums Friedrich Teutsch der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien (EKR) in Hermannstadt/Sibiu zum Zeitpunkt der Vernissage der von ihm selbst gezeichneten Ausstellung „Alfa und Omega. Freies Thema“. Mehr als hundert Farb- und Schwarzweißfotos aus dem Privatarchiv des bekannt hageren Hermannstädters, der seit 57 Jahren als Pressefotograf durch Ort, Region und Lande streift und trotz seiner beträchtlichen Körpergröße die Kunst beherrscht, sich im öffentlichen Raum dem Blickfeld der Mitmenschen weitestgehend zu entziehen, aber dennoch sprechende Bildnachrichten aus nächster Nähe einzufangen vermag, sind bis einschließlich 3. März 2020 im Landeskirchlichen Museum der EKR der eingehenden Betrachtung zugänglich. Sollte der Publikumsandrang eine Verlängerung der Ausstellungsdauer erfordern, wären Veranstalter und Autor bereit, auf besagten Wunsch einzugehen.

Dreizehn Jahre alt war Beatrice Ungar, als sie Fred Nuss kennenlernte. Die derzeitige Chefredakteurin der Hermannstädter Zeitung moderierte die bis auf den letzten Stehplatz ausgebuchte Vernissage und vergaß nicht, Museumsdirektorin Heidrun König nach vorne zu bitten und im selben Zuge zu erklären, dass Kulturreferentin Dr. Gerhild Rudolf allein aufgrund kurzfristiger Erkrankung nicht an dem Ereignis teilnehmen könne. Fred Nuss ist seit vielen Jahren jeweils auch im Dauerauftrag der HZ mit Grundgerät, Objektiv und optionalem Blitz von Ort zu Ort unterwegs, doch seinen ersten und bis heute anhaltenden Beschäftigungsvertrag unterzeichnete er für die Redaktion der lokalen Tageszeitung „Tribuna“.

Der heute 85 Jahre alte Pressefotograf gibt an, dass Fotoreporter „auch an Ruhetagen aktiv“ sind. „Aber dann entstehen immer ganz andere Fotos, die nicht zwangsläufig zur Veröffentlichung bestimmt sind. Um so ein Foto zu schießen und auch aus scheinbar gewöhnlichen Bildausschnitten der Umgebung Außerordentliches herauszuholen, braucht man wache Augen. Sämtliche hier aufgereihten Fotos habe ich für meine eigene Seele gemacht.“ Fred Nuss unterscheidet klar zwischen Fotografie allein für das Auge und „Bildern mit Aussagekraft, die unser Innerstes ansprechen“. Und natürlich erwähnt er auch die abstrakte Fotografie, die heikelste Disziplin schlechthin, die zwar wie ein Experiment zu handhaben, aber nicht mit beliebigem Betätigen des Auslösers zu verwechseln sei.

„Das große Verdienst von Fred Nuss besteht darin, uns dahin zu bringen, dass wir hinter die Fotos schauen“ – Gastredner Constantin Necula, orthodoxer Priester und Privatdozent an der Theologischen Fakultät „Andrei Şaguna“ der Lucian- Blaga-Universität Hermannstadt (ULBS), war voll des Lobes für den bescheiden auftretenden Autor der Ausstellung. Man habe sich vor Augen zu führen, dass auch die Fotos auf einen selbst blickten und Neugierde nicht nur aufnähmen, sondern sie gleichfalls zurückwerfen. Der redefreudige Geistliche des orthodoxen Erzbistums Hermannstadt und Freund des Fotografen Fred Nuss setzte gleichwohl auch Sinnsprüche in den Raum: „Unter Russen gilt die Redewendung, dass man sich seine Präsidenten und Anverwandten nicht aussuchen könne, die Freunde dagegen schon“.