Hoffnung auf mehr Aufmerksamkeit für Hagia Sophia

Online-Vortrag wirbt um Achtung des christlichen Ostens

Hermannstadt – Philosoph Dr. Florian George Călian, wissenschaftlicher Forscher am Institut für Ökumenische Forschung Hermannstadt/Sibiu (IÖFH), liest am Montag, den 14. Dezember, um 19 Uhr auf der digitalen Plattform Zoom in englischer Sprache einen Vortrag über die Wiederrückführung der Hagia Sophia in Istanbul zu einer Moschee. Gastgeber des Online-Vortrags mit dem Titel „Hagia Sophia and the Rise of Neo-Ottomanism“ ist das Zentrum für Evangelische Theologie Ost (ZETO), auf dessen Homepage www.zeto-sibiu.net freier Zugang zu der akademischen Analyse von Dr. Florian George Călian bestehen wird. Der ausgewiesene Fan klassischer Sprachen und vortragende Religionswissenschaftler aus Hermannstadt macht keinen Gebrauch von polemischen Interpretationstricks, dringt aber mit seinem fein ausgebildeten Spürsinn bis an die überaus reizbare geistliche Feuerstelle der kosmopolitischen Metropole am Bosporus vor.

Die Hagia Sophia wurde 537 n. Ch. als „Kirche der Göttlichen Weisheit“ erbaut und bis ins 15. Jahrhundert hinein als Hauptkirche des Byzantinischen Reiches und religiöses Zentrum der Orthodoxie genutzt. Ehe sie 1453 infolge der Eroberung Konstantinopels durch die Osmanen zur Moschee umfunktioniert wurde, hatte ihr Hauptaltar noch am 16. Juli 1054 als amtliche Bühne für die Große Kirchenspaltung zwischen Ost und West dienen müssen – es war der Tag, an dem der päpstliche Legat Humbert von Silva Candida genau hier und an keinem anderen Ort der christlichen Welt das Bannschreiben über Patriarch Michael Kerullarios verhängte. Somit hat nicht erst Mustafa Kemal Atatürk die Hagia Sophia 1935 durch Statuierung als Museum zum symbolträchtigen Ort erhoben – was der Gründer der modernen Türkei in der Zwischenkriegszeit mit der Hagia Sophia tat, war nichts weiter als eine Maßnahme, die den laizistischen Staat für die Zukunft festigen sollte. Als Staatschef Recep Tayyip Erdogan sich im vergangenen Sommer erdreistete, den Museumsstatus der Hagia Sophia für nichtig zu erklären, und am 24. Juli 2020 in ihrem Innenraum das erste muslimische Freitagsgebet nach achteinhalb säkularen Jahrzehnten abhalten ließ, wurden auf dem alten Kontinent bald öffentliche Warnrufe einzelner christlicher Würdenträger laut. Der Diskurs um die Umwidmung der Hagia Sophia hat seine Brisanz bis heute nicht eingebüßt.

In der aktuellen Ausgabe 03/2020 des Ökumene-Rundbriefs der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) kann eine Stellungnahme der Exekutive der Evangelischen Mittelost-Kommission (EMOK) der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD) nachgelesen werden, worin „an die demokratisch gesonnene türkische Zivilgesellschaft sowie an alle im interreligiösen Dialog Aktiven appelliert wird, zur Mäßigung im Verhältnis der Religionen zueinander beizutragen und sich für den Schutz religiöser und ethnischer Minderheiten stark zu machen.“ Dieselbe Rundbrief-Ausgabe führt auch eine Erklärung von Erzpriester Radu Constantin Miron an: Für den in Köln und Frankfurt wohnenden Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) „bedeutet der 24. Juli das Ende einer Epoche.“

Eine auch Laien verständliche Vorstudie für den Vortrag „Hagia Sophia and the Rise of Neo-Ottomanism“ von Dr. Florian George Călian ist leicht auf der Homepage www.contributors.ro zu finden, wo der am 14. Dezember online aus Hermannstadt Vortragende bereits am 25. August 2020 einen auf Rumänisch verfassten Artikel mit der Überschrift „De ce conteaz˛ Hagia Sophia“ veröffentlicht hat. Der wissenschaftliche Forscher am IÖFH befindet, dass Reaktionen der säkularen Kräfte Europas vor den neo-ottomanischen Kräften Erdogans verblassen.