Hoffnung auf Qualitätstransfer von Theater zu Bildschirm

Hermannstadt – Über 500 Veranstaltungen hätten Mitte Juni als Dauerregen des internationalen Kultursektors durch Hermannstadt und Umgebung rauschen sollen. Noch Ende Februar standen die Zeichen für die 27. Auflage des Internationalen Theaterfestivals Sibiu (FITS) gut. Keine sechs Wochen später gab Intendant Constantin Chiriac die Absage des FITS 2020 bekannt. Die Corona-Pandemie bestätigt seine Entscheidung noch immer, kann ihre Rechnung aber dennoch nicht ohne den einnehmenden Theater-Wirt und Chef des Radu-Stanca-Theaters Hermannstadt (TNRS) machen.

Es besteht kein Grund zur Sorge wegen Streichung des linearen FITS ohne jede Aussicht auf Ersatz. Das Festivalprogramm 2020 ist zwar stark beschnitten worden, hat sich jedoch für die Durchführung im virtuellen Raum zurechtschneiden lassen. Unter gegebenen Umständen kommt es einer noch nie dagewesenen Großaufgabe gleich, an zehn Tagen die Qualität der digitalen Übertragung aller 138 beibehaltenen Einzelangebote sicherzustellen. Erstmals seit langen Jahren in der Geschichte des FITS wird es möglich sein, sämtliche vorab für lohnend befundenen Veranstaltungen zu verfolgen. Auf dem Online-Spielplan ist keine terminliche Überlappung zweier oder mehrerer Vorstellungen zu finden.

Die Generalprobe begann mit einiger Verspätung und lief nicht wie am Schnürchen. Donnerstag, am 28. Mai, betrat Berufsschauspieler Constantin Chiriac in knallrotem T-Shirt und schwarzem Sakko den menschenleeren Zuschauersaal des TNRS. Zur Pressekonferenz auf der letzten Strecke im Vorfeld des FITS nahm er Platz an einem Tischchen und setzte seine bis in den letzten Buchstaben hinein deutliche wie virtuose Redensart auf. Grußworte nationaler und internationaler Persönlichkeiten wurden eigens auf Großbildschirm zugeschaltet.

Die Vielfalt des FITS 2020 fällt vergleichsweise knapp aus, feiert aber trotzdem Begegnung mit klangvollen Namen der Szene. Octavian Saiu und George Banu werden als Theaterwissenschaftler täglich online zur Stelle sein. Emmanuel Demarcy-Mota und das Théâtre de la Ville Paris haben 2019 eine reich mit Applaus belohnte Vorstellung des „Belagerungszustands“ (L´État de sičge) von Albert Camus geboten und sind auch diesmal mit von der Partie. Peter Stein und Thomas Ostermeier vernetzen Berlins Schaubühne mit der Online-Bühne des FITS. Auch eine Inszenierung von US-Amerikaner Peter Sellars, der spätestens seit Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle europäische Berühmtheit erlangt hat, ist im Spielplan vorgesehen.

Regisseur Silviu Purcărete und das Ensemble des TNRS hätten ihrerseits 2020 eine große Reise nach Japan unternehmen und sich als Gäste am Kulturprogramm der Olympischen Sommerspiele beteiligen sollen. Leider hat Corona die Fahrt nach Fernost zunichte gemacht.