Klausenburg büßt medizinisches Sonderimage ein

Pandemie nimmt keine Rücksicht auf Ehrerbietung alter Zeiten

Klausenburg – Kai Frithjof Brand-Jacobsen, der 2001 die Nichtregierungsorganisation Peace Action Training and Research Institute of Romania (PATRIR) in Klausenburg/Cluj-Napoca gegründet hat und ihrem Department of Peace Operations als Geschäftsführer voransteht, hat am Dienstag, den 24. November, in englischer Sprache auf seinem Facebook-Account einen aus der Patientenperspektive verfassten Covid-19-Erlebnisbericht veröffentlicht, worin er seinem Unmut über die mangelhafte Aktionsbereitschaft der ärztlichen Belegschaft am Universitätsklinikum Klausenburg Luft macht.

„Ich bin auf eine Art und Weise krank, wie ich es in meinem bisherigen Leben selten gewesen bin“, schreibt der aus Norwegen gebürtige und in Klausenburg lebende Friedensaktivist, der nach der Diagnose seiner Infektion mit SARS-CoV-2 „ganze neun Stunden Wartezeit in einem mobilen Container außerhalb des Krankenhausgebäudes“ verbringen musste. „Sie (die Ärzte und Krankenpfleger, Anm. d. Red.) haben mich dem Covid-Test unterzogen und gesagt, dass ich mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit infiziert bin, aber erst einem Bett zugewiesen werden kann, wenn morgen nach 14 Uhr die Bestätigung der Diagnose eintrifft – vielleicht sogar erst zu nächtlicher Zeit. Dies ist weder medizinische Aufmerksamkeit noch Fürsorge. Es ist ein typisch extremes Versagen von Medizin und Patientenbehandlung – und bringt Menschen in diesem Land um ihr Leben (...) Ich huste so extrem und intensiv, dass mir das Atmen schwerfällt (...) Ich erhalte keine Behandlung und werde komplett aufgegeben zurückgelassen, weil ich in einem Krankenhaus bin (…) Just vor dem Schreiben dieser Zeilen war ich noch in die Triage-Zone des Krankenhauses vorgedrungen, wo ein Dutzend Ärzte und Krankenschwestern beisammen saßen. Ich sagte ihnen, dass ich seit neun Stunden hier bin und von ihnen selbst einige Stunden zuvor mit einem Krankheitsbild diagnostiziert worden sei, das mir das Verlassen des Krankenhauses nicht erlaubt. (…) Ich sagte zu ihnen, dass ich sowohl ihre enorme Beanspruchung als auch das, was sie tun, respektiere, dies aber Vernachlässigung ist, wonach ich ging. (...) Nachdem ich zurück im Container außerhalb des Krankenhausgebäudes war, suchten sie mich binnen zwei Minuten auf und gaben mir Arzneien für Lungenentzündung. Das Prozedere hat ihnen insgesamt drei Minuten abverlangt und hätte ebenso zu jedem beliebigen Zeitpunkt in all den Stunden vorher getan werden können (…). Ja, das völlig entsetzliche Ausmaß des medizinischen Systems in diesem Land macht einen großen Teil der Herausforderung aus. Die (...) Vernachlässigung der letzten 30 Jahre und jetzt auf der Höhe der Pandemie ist kriminell. Die andere Seite der Sache entspricht der Kultur der Medizin, wo medizinische Belegschaften derart stark in ihrer Abhärtung gewachsen sind, dass sie sich manchmal einfach damit abfinden und dem System schaden, statt sich zu befleißigen, ihren Job zu tun. Meinen Respekt für die Ärzte und Krankenschwestern Rumäniens (...) habe ich oft zum Ausdruck gebracht. Aber dies hier war jetzt schlecht“, so das Fazit von Pazifist Kai Frithjof Brand-Jacobsen am Dienstag, dem 24. November.

Einen Tag später meldete sich Brand-Jacobsen erneut auf seinem Facebook-Account zurück – diesmal jedoch von der Behandlungsstation des Universitätsklinikums: „Ich habe Covid und Lungenentzündung. Sie sagen, dass ich für zwei Wochen Therapie zugelassen wurde, aber ich hoffe, schon nach einer Woche nach Hause kommen zu können. Der Husten ist noch immer extrem, doch komme ich ab jetzt hoffentlich davon runter (…) Danke euch allen für eure schönen und förderlichen Nachrichten, die mir viel bedeuten.“

Noch im Juli 2017 hatte Dr. Paul-Jürgen Porr, Facharzt für Gastroenterologie und Vorsitzender des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR), der jetzigen interimistischen ADZ-Chefredakteurin Nina May während des größten Treffens der Siebenbürger Sachsen aller Zeiten ein Interview gewährt: „Es gibt hier Unikliniken, die haben westliches Niveau. Man wird in Klausenburg genauso gut wie in Göttingen oder Heidelberg behandelt! Doch je tiefer man hinabsteigt – in Kreisspitäler, Stadtspitäler, Dorfarztpraxen – umso mehr herrscht großer Nachholbedarf.“ („Hoffnung ist immer“, siehe ADZ vom 30. Oktober 2017 und Deutsches Jahrbuch der ADZ für Rumänien 2019).

Im Artikel „Ministrul pandemiei noastre“ der Ausgabe Nr. 41 (Herbst 2020) der unabhängigen Zeitschrift DOR (Decât o Revistă) kommt Iris Aszalos, Fachärztin im letzten Ausbildungsjahr am Universitätsklinikum Klausenburg, zu Wort: „Wir haben Spitäler, die für die Krankheiten von heute zu alt sind. Wenn wir fortfahren werden, mit ein und demselben Personenaufzug sowohl Covid- als auch Nicht-Covid-Patienten, das Personal, Angehörige sowie auch den Restmüll zu befördern, geht die Partie verloren. In einem um 1900 gebauten Spital kannst Du keinen Lift improvisieren. Bleibt Nelu Tătaru Minister, erwarte ich von ihm, dass er den nächsten Schritt tut. Einen Strich zieht. So kann es nicht mehr weitergehen.“