Nachholbedarf Hermannstadts im Vorfeld des Eurorando 2021

Begegnung der Europäischen Wandervereinigung erfordert hohen Qualitätsstandard

Hermannstadt – Rumäniens Berggebiete erstrecken sich über eine Fläche, die den schweizerischen Alpenraum um das Dreifache übertrifft. Die natürlichen Voraussetzungen der Karpaten-Landschaft für die Ausübung der kostengünstigsten, umweltfreundlichsten und gesundheitlich vorteilhaftesten Form touristischer Aktivität könnten nicht besser sein. Hermannstadt/Sibiu ist Hauptstadt einer der bekanntesten Regionen der Südkarpaten. Dennoch stoßen die örtliche Zweigstelle des nationalen Bergrettungsdienstes Salvamont, der Siebenbürgische Karpatenverein (Asociaţia Carpatină a Turiştilor, SKV) und auch weitere lokale Bergsport-Vereine wie bei-spielsweise „Tură in Natură“ auf die Folgeerscheinungen rückläufigen Gemeinschaftsbewusstseins, an dem lokal- und regionalpolitische Behörden teils mit Schuld tragen. Beim Blättern in den Kapiteln der hundert und noch mehr Jahre zurückliegenden Geschichte fällt Ehrenamtlichen und Berufstätigen der Wanderlandschaft auf, dass der Intellektuelle Nicolae Iorga (1871-1940) die um 1919 auf dem Terrain sichtbaren Errungenschaften des 1880 gegründeten SKV schätzte. Bereits 1881 war die Nutzung fünf neu erbauter Schutzhütten am Götzenberg/Măgura (Zibinsgebirge/Munţii Cindrel), Negoi (Fogarascher Gebirge/Munţii Făgăraşului),  Königstein/Piatra Craiului, Godeanu und auf der Poiana Tomi (Călimani-Gebirge/Munţii Călimani) möglich. 1930 zählte der SKV 6000 Mitglieder.

Hermannstadt hat sich für die Ausrichtung der Auflage September 2021 des alle fünf Jahre stattfindenden Wandertreffens Eurorando beworben und den erhofften Zuschlag erhalten. Marcel Şofariu, Geschäftsführer und Vorsitzender des SKV, blickt mit großer Vorfreude auf die Zusammenkunft von mehr als 3000 Einzelmitgliedern der Europäischen Wandervereinigung (EWV) auf leichten, mittelschweren und alpinen Wanderwegen rund um die Kreishauptstadt am Zibin, erinnert an die damals auf der letzten Strecke gescheiterte Bewerbung Kronstadts/Brașov um die Ausrichtung des Eurorando 2016, und schlägt keinen Bogen um Hürden des öffentlichen Raumes, die auch Hermannstadt hinsichtlich Vorbereitung und Durchführung des Eurorando 2021 betreffen. Donnerstag, am 21. November, fand im Hauptsaal des Hermannstädter Kreisrates eine zweistündige Konferenz anlässlich der Beendigung des vom Rathaus geförderten Projektes „Sibiul şi civilizaţia muntelui – trecut, prezent şi viitor“ (Hermannstadt und die Bergwelt – Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) statt. Die Vergabe des Eurorando bedeutet zudem die Übernahme des Titels der Europäischen Wanderhauptstadt.

Adrian David, Leiter der Hermannstädter Salvamont-Einsatzstelle, Mihai Proca, Vorsitzender des Vereins Tură în Natură, und Marcel Şofariu beklagen am allermeisten die Tatsache, dass das Fahren von Enduro-Motorrädern in Rumäniens Naturlandschaft zumeist weder gesetzlich geregelt ist, noch ordnungsgemäß sanktioniert wird, sobald Verbote übergangen werden. Dies trifft vor allem auf das Gelände des Zibinsgebirges zu, dessen Hochweiden Naturschutzgebiet sind, trotzdem mit wachsendem Interesse von Enduro-Motorradfahrern heimgesucht werden und aktuell von dem Ordnungsdienst (Gendarmerie) in hohem Maße unzureichend vor Verunstaltung bewahrt werden. Zusätzlich verstörend erscheint das Detail, dass bereits auch ausländische Motorclubs auf unberührte und öffentlich ungeschützte Landstriche Rumäniens aufmerksam geworden sind und hier Trainingseinheiten veranstalten, so zum Beispiel der im Bundesland Bayern beheimatete Enduro Park Hechlingen.

Zahlreiche vormalige Wanderwege werden zu Forstwegen erweitert oder vom Regen ausgespült, da Geländemotorräder dauerhaft bleibende und tiefe Spuren in der Erdoberfläche hinterlassen. Folglich bieten die Trassen Wanderern ungenügende Erholung und erschweren ohnehin die Routenwahl, weil die Suche nach Einkehr- und Übernachtungsmöglichkeiten durch nicht vorhandene oder zwischenzeitlich gar vom Feuer zerstörte Schutzhütten erheblich erschwert wird. Hinzu kommen der allgegenwärtige Restmüll, dessen unsachgemäße Entsorgung zwar verboten ist, aber viel zu selten geahndet wird und zu unbemerkter Gleichgültigkeit einlädt, sowie ein jeweils denkbar spärlich ausgebautes öffentliches Nahverkehrsnetz, das wenige bis keine Optionen für Anfahrt und Heimreise mit Bahn oder Bus zulässt. Die unterstützende Bereitschaft der Sponsoren WK Group und Sobis Solutions kann finanzielle Mängel decken, nicht aber im Alleingang kulturell bedingte Brennherde löschen, die der Aufsicht durch den Hermannstädter Kreisrat und regionale Filialen öffentlich-nationaler Schutzdienste unterliegen.