Wochenendausstellung trotzte staatlichem Kultursparkurs

Hermannstadt - Die Lange Nacht der Galerien (Noaptea Albă a Galeriilor, NAG) ist herbstlicher Höhepunkt im Terminkalender von Künstlerinnen und Künstlern aus Rumänien, die meist abseits der öffentlichen Museen in Eigenregie sehr viel Zeit und Mühe für ihre Ausstellungen aufwenden. Dass sie von den ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie ungleich heftiger als ihre beim Staat unter Vertrag stehenden Mitstreitenden betroffen sind, dürfte Rumänien nicht zur Ehre gereichen. Dennoch gibt sich die Gilde der freiberuflich Aktiven nicht geschlagen. Die NAG 2020 fand auch in Hermannstadt/Sibiu statt. Ihre Türen standen ab Freitag, dem 2. Oktober, bis Sonntag, den 4.Oktober, jeweils von 18 Uhr bis Mitternacht offen. Zwölf Standorte in der Ober- und Unterstadt am Zibin bürgten künstlerisch für den Namen des Kreditinstituts BRD – Groupe Société Générale, das dem national veranstaltenden Verein Ephemair in elf Städten die notwendige Finanzspritze verabreicht hat.

Die Großzügigkeit der BRD ist nicht von schlechten Eltern. Fotograf Maurizio Marchesini hat Hermannstadt 2003 erstmals besucht und bald darauf einen Narren an der Kulturhauptstadt Europas 2007 gefressen. Am Wochenende war er als Hausbesitzer auf der rural und stressfrei vor sich hin dämmernden Neugasse/str. Nou˛ glücklicher Gastgeber der NAG 2020. Im Innenhof der Casa Marchesini stellte Maria Iulia Ursa ihre Ölbilder in blauen und dunklen Tonfarben aus. Hier wurden sogar Werbematerial und handgemalte Ölbilder kleiner Größe von Brunhilde Böhls Obst- und Apfelbaumschule „Livezile Doamnei Brunhilde“ an eine Türe gehängt.

Dass die Roma es Maurizio Marchesini angetan haben und sich bereitwillig schwarzweiß von ihm fotografieren lassen, konnte am schmucken Wohnort des Antiquitäten-Sammlers in optisch eindrücklicher Art und Weise erfahren werden. Auch das Objektiv und das Grundgerät von Fotografin Valentina Tănase, die aus Constan]a stammt und 2020 aus Großbritannien nach Rumänien zurückgekehrt ist, liegen in professionell verlässlichen Händen, die ganz genau wissen, worauf es mehr denn je ankommt: „Wir müssen mehr auf die Menschen schauen“ (´trebuie să ne uităm mai mult la oameni´). Die Künstlerin mit alternativem Haarschnitt hat zahlreiche Länder weltweit bereist und wohnt von nun an in Hermannstadt. Aus ihren Porträtaufnahmen spricht wahrhaft erzählerische Lebenskenntnis. Valentina Tănase steht für das Motto „Support Art Workers“ ein und hält seit August 2020 auf dem Facebook-Account „Vibratio Lucis Photography“ Kontakt zu ihrem Publikum. Wer sein privates oder berufliches Projekt von einer photographischen Profi-Qualität begleitet wissen möchte, die es künstlerisch in sich hat, dürfte bei Diaspora-Rückkehrerin Valentina Tănase auf der Stelle fündig werden. Und sich in Gesprächen mit selbstständig Berufstätigen der Kunstszene überhaupt an die Kultfigur Pumphutt aus Otfried Preußlers „Krabat“ erinnert fühlen: „Keinen über sich, keinen unter sich – so gefällt ihm das, und so würde mir´s auch gefallen, wenn ich´s mir aussuchen könnte, verdammt noch mal!“