„5 x Deutschland in aller Welt. Im Spiegel der Migration“ des Fotografen Jörg Müller

Rundgang durch die Fotoausstellung mit dem Künstler

Die Russlanddeutsche Maria Frizkowskij vor ihrem Selbstversorgerhof, den sie gemeinsam mit ihrem Mann Alberd in Litkowka bewirtschaftet. Foto: Jörg Müller

Mit über 150 Fachwerkhäusern und 15 Schützenvereinen wirkt die Stadt Pomerode in Brasilien deutscher als jede Kleinstadt in Deutschland. Foto: Jörg Müller

Die Deutsche Schule in Hermannsburg ist die älteste und renommierteste Schule mit angeschlossenem Internat und wird auch von vielen Kindern und Jugendlichen, die aus der südafrikanischen Mittelschicht stammen, besucht. Foto: Jörg Müller

Traditionelle Mennoniten-Mädchen in den von ihren Müttern selbst genähten langen Kleidern auf einem Wochenendausflug mit Picknick Foto: Jörg Müller

Der deutsche Fotograf Jörg Müller hat das Projekt „5 x Deutschland in aller Welt. Im Spiegel der Migration“ über vier Jahre hinweg entwickelt, dafür zehn Reisen unternommen und vier bis sechs Wochen in  unterschiedlichen von Deutschen besiedelten Orten verbracht – wie Litkowka (Russland), Oberwischau/Vișeu de Sus (Rumänien), Wartburg (Südafrika), Pomerode (Brasilien) und in der Manitoba-Kolonie (Mexiko). Jede fotografierte Ortschaft ist durch etwa 20 Bilder vertreten, die einen Eindruck davon vermitteln, wie die Nachfahren der deutschen Auswanderer in ihrem heutigen Alltag die deutsche Kultur bewahren. Gleichzeitig dokumentiert der Fotograf durch seine 98 Fotos und einem Video eindrucksvoll, wie die Einwanderer sich integriert und in einer anfänglich eher lebensfeindlichen Umgebung einen wirtschaftlichen Aufschwung erreicht haben.

Litkowka, die abgeschiedenste Gemeinde in Sibirien

Das kleine, 1899 von deutschen Siedlern (die aus Wolhynien, im Nordwesten der heutigen Ukraine stammten) gegründete Dorf Litkowka liegt in Sibirien, sechs Autostunden von der nächsten russischen Stadt entfernt. Es ist von einem Sumpfgebiet umgeben, und bei Überflutungen wird die kleine Ortschaft oft wochenlang von der Außenwelt ausgeschnitten.

Im Gegensatz zu manchen verfallenden russischen Dörfern in der Umgebung wirkt Litkowka wie eine Musterkolonie. Die örtliche Kolchose, die eine Milchviehwirtschaft betreibt, sichert das Überleben des Dorfes. Jede Familie betreibt eine eigene kleine Landwirtschaft mit Hühnern, einer Kuh und einem kleinen Acker, auf dem Gemüse selbst angebaut wird. Männer gehen jagen und fischen und das Brennholz kommt aus dem Wald. Neben einer von den Ortsbewohnern selbst gebauten evangelischen Kirche findet sich in der russlanddeutschen Gemeinde eine kleine Krankenstation, ein Kindergarten und eine Mittelschule, in der Deutsch als erste Fremdsprache gelehrt wird. Unterrichtet werden die Kinder von einer Deutschlehrerin, die mit ihrer Familie einige Zeit in Deutschland gelebt hat und, wie einige andere Ortsbewohner auch, wieder nach Litkowka zurückgekehrt ist.

Oberwischau, eine Vielvölkerstadt in Rumänien

Ursprünglich wurden Holzfäller aus Oberösterreich von der österreichischen Monarchie vor etwa 300 Jahren in Oberwischau/Vișeu de Sus angesiedelt, um Holz zu schlagen und von den Bergen ins Tal zu befördern. Zwischen 1796 und 1798 wanderten dann die Zipser ein, deutsche Siedler aus der Zips in Oberungarn, der heutigen Slowakei. Die Zipser wohnten lange Zeit in einem eigenen Viertel, der sogenannten Zipserei. Heute sind etwa 600 der über 15.000 Einwohner von Oberwischau die Nachfahren der deutschsprachigen Siedler.

Bis 1932 wurde das Holz mit Flößen ins Tal gebracht, dann übernahm dies eine dampfbetriebene Schmalspurbahn. Während nun das Holz ins Sägewerk mit Dieselloks sowjetischer Bauart transportiert wird, betreibt heute ein Deutscher die vor 15 Jahren durch eine schweizerische Stiftung restaurierte dampfbetriebene Schmalspurbahn „Mocănița“ und lockt mit ihren Touristenfahrten immer mehr Urlauber und Eisenbahnfans aus der ganzen Welt nach Oberwischau.

Eine jahrhundertealte identitätsstiftende Tradition, das Herodes-Spiel, lockt wiederum an Weihnachten Zipser von weit her in ihre ursprüngliche Heimat. Dabei ziehen 12 bis 14 Personen in einem urtümlichen Schauspiel, verkleidet als Hirten im Schafspelzmantel, Händler, Polizisten, Josef und Maria durch die Stadt. Jeweils am ersten Weihnachtsfeiertag wird das Stück in der katholischen Kirche aufgeführt.

Wartburg, die Nachfahren deutscher Missionare

Während einer großen Hungersnot in den Jahren 1846/47 kämpften insbesondere unausgebildete deutsche Handwerker und Hilfsarbeiter um ihre Existenz. Durch eine Schulung am Missionsseminar Hermannsburg schaffte es der lutherische Pfarrer Ludwig Harms, perspektivlose Handwerker für einen Dienst in der Mission in Afrika zu gewinnen. Die Missionare bauten an der Grenze zwischen Natal und Zululand ihre erste Missionsstation Neu Hermannsburg und weitere wie Wartburg (die mit ca. 1000 Einwohnern größte Gemeinde), Harburg, Lilienthal und New Hanover in Südafrika auf, die Jörg Müller für das Fotoprojekt (außer Lilienthal) bereist hat.

Den meisten ursprünglichen Missionsorten gemein ist eine Kirche und in der unmittelbaren Nähe eine Schule, in der Deutsch gelehrt wird. Auch heute noch ist die wichtigste Einnahmequelle der deutschen Landwirte der Zuckerrohranbau,  gefolgt von der Holzindustrie. Eine beliebte Freizeitbeschäftigung ist das Posaunenspiel in einem der kirchlichen Posaunenchöre, die bei allen kirchlichen, aber auch vielen weltlichen Festen auftreten.

Mennoniten in Mexiko

Die in Mexiko ansässigen wohllebenden Mennoniten sind die Nachfahren einer vor 500 Jahren aus Deutschland wegen religiöser Verfolgung ausgewanderten Glaubensgemeinschaft, die erst nach Polen, dann nach Russland und weiter nach Kanada ausgewandert ist. Manche von ihnen haben sich schließlich 1922 im mexikanischen Bundesstaat Chihuahua niedergelassen, dank eines günstigen Landangebotes der mexikanischen Regierung. Dort, in einer Halbwüste, haben sie Äpfel angebaut.

Ihre entlang der Schnellstraße Corridor Commercial Mennonita nördlich der Stadt Cuauthémoc gelegenen kleinen Gemeinden sind aufgeteilt in traditionelle (75 Prozent) und progressive (25 Prozent) Mennoniten. Die progressiven Familien sprechen auch Hochdeutsch, Spanisch und Englisch, tragen normale Kleider, verfügen über Internetanschluss, moderne Landwirtschaftsgeräte, amerikanische Pickups und schicken neuerdings ihre Kinder zum Schüleraustausch und Studieren nach Deutschland, während die traditionsgebundenen Mennoniten nichts anderes als „Plautdietsch“ sprechen, ein alter plattdeutscher Dialekt, und kein Alkohol trinken.

Pomerode, die deutscheste Stadt Brasiliens

In der letzteren Ortschaft ist dagegen die Nachfrage nach Bier sehr hoch und das Bierbrauen ein beliebtes Hobby vieler Männer. Daher sind auch viele örtliche Brauereien entstanden. Pomerode, eine 1861 von pommerschen Siedlern gegründete prosperierende deutsche Kleinstadt, liegt mitten in Brasilien, etwa 1000 Kilometer südlich von Rio de Janeiro. Dieses kleine Stück Deutschland zählt heute 30.000 Einwohner und ist der Sitz von eben Brauereien, aber auch Textilfabriken, Kunststoff- und Spielzeugherstellern sowie Auslandswerken von deutschen Firmen. Die Arbeitslosenquote liegt bei null Prozent und der Stadthaushalt kennt seit vielen Jahren nur Überschüsse. Die Einwohner von Pomerode leben aber nicht nur von der Industrie, sondern auch vom boomenden Tourismus, denn die deutschen Feste locken viele Touristen aus ganz Brasilien an. Das wichtigste Fest bleibt das Pomerfest, eine jährlich stattfindende, dem Oktoberfest nachgebildete Feier, die zwölf Tage lang dauert, wie Jörg Müller zum Schluss erklärte.


Die Wanderausstellung von Jörg Müller gastiert nur noch bis morgen, den 27. Januar, im Bukarester Goethe-Institut (Calea Dorobanți 32) und kann von 15 bis 19 Uhr besucht werden. Die Fotos sowie Unterrichtsmaterialien und eine Ausstellungs-Ralye für Schüler sind auch online unter goethe.de/de/spr/eng/dmi/5xd.html? wt_sc=5xdeutschland aufrufbar.