Aufgemacht und reinspaziert: Willkommen im Deutschen Jahrbuch 2023!

Rückblick, Ausblick, Einblick und Überblick

Das Deutsche Jahrbuch 2023 wird an unsere treuen Leserinnen und Leser als Abo-Prämie versandt. Auf Wunsch können Sie alternativ auch den 2020 erschienenen ADZ-Reiseführer „Komm mit durch Rumänien“ erhalten. Interessenten melden sich bitte in der Redaktion unter aboservice@adz.ro oder Tel. +40 (0) 21 317 89 18 (rumänisch) bzw. 16 (deutsch). Umschlagfoto: George Dumitriu

Drückt man die apart verschnörkelte Klinke am Portal der evangelischen Stadtpfarrkirche in Bistritz/Bistri]a herunter, dann landet man nicht zwangsläufig im Kirchenschiff... Hier öffnen wir mit der Tür eine ganz andere Welt, die wir jedes Jahr neu gestalten, reflektieren, beschreiben und bedichten, in Bildern einfangen und in Eindrücken festhalten, für uns und für unsere Nachwelt. Ein Stück Geschichte der Deutschen in Rumänien – unsere Geschichten.

Mit zwölf zauberhaften Zeugen des dörflichen Alltags lockt das beginnende Jahr: Nachbarschaftszeichen, Handarbeitskunst, bemalte Häuserfassaden, Instrumente aus Küche und Garten, Musik, Gesang und Wein, zu Weihnachten darf es auch gerne ein Stück Speck oder Würstel sein. Nostalgie von früher, eingefangen von George Dumitriu, aus der Kirchenburgenlandschaft Siebenbürgens. Nächstes Jahr, so viel darf man schon verraten, soll dann Temeswar als Kulturhauptstadt 2023 durch den Bildkalender führen...

Vorfreude auf die Kulturhauptstadt 2023

Ach, Temeswar, du leuchtende Stadt! Endlich mal wieder ein Lichtblick nach drei schweren Jahren... Vorfreude darauf vermittelt die Liebeserklärung an die rumänische Kulturhauptstadt 2023 von Elise Wilk im Kapitel „Reisen und Wandern“.  In „Graffiti statt Grau“ lassen [tefana Ciortea-Neam]iu und Fotograf Zoltan Pazmany die weniger prominenten Häuserfassaden der Begastadt aufleuchten. Und der Geist Temeswars strahlt aus den Interviews mit dem Intendanten des Deutschen Stadtheaters, Lucian Vărșăndan, von Ciortea-Neam]iu und der Vorsitzenden der Rumänisch-Deutschen Kulturgesellschaft, Ana-Maria Dascălu-Romițan, von Raluca Nelepcu. Andreea Oance entlockt Dozentin Alina Mazilu, wie sie die Schauspielabteilung in deutscher Sprache in Temeswar retten will.

Weitere Lichtblicke aus Temeswar sind das Interview von Astrid Weisz mit dem Temeswarer Bischof Josef Csaba Pal über die Bedeutung des katholischen Weltfamilientreffens, die Geschichte von Getta Neumann über Rozalia Roth, eine legendäre Fotografin und bewundernswerte Frau im zwischenkriegszeitlichen Temeswar, und die drei um kreativen Deutschunterricht bemühten Frauen, die Andreea Oance  porträtiert: Zwei ehemalige Lenau-Schülerinnen, heute Lehrerinnen, Oana Eremie und Jacqueline Kohl, die mit Kunst und Kultur für den Deutschunterricht begeistern, und Maria Magiaru mit ihrer kleinen Puppenfa-brik als charmante Lernstätte.

Rückblick auf ein schweres Jahr

„Wir haben ein schweres Jahr hinter uns, vielleicht das schwerste, das die Nachkriegsgenerationen in Europa erlebt haben“, resümiert DFDR-Vorsitzender Dr. Paul-Jürgen Porr. Man hofft auf Frieden und ist froh, dass es Freunde gibt: So standen 30 Jahre deutsch-rumänische Freundschaft im Mittelpunkt zahlreicher Events im scheidenden Jahr 2022, erinnert der deutsche Botschafter Dr. Peer Gebauer in seinem Grußwort.

Die Meilensteine des Jahres 2022 lässt Porr vor Hannelore Baier Revue passieren: Etwa die Volkszählung, erstmals mit elektronischer Selbstzählung, wobei das Jugendforum und andere Helfer den weniger computerfitten Senioren beistanden. Denn nur wer sich zählt, der zählt! Ein Erfolg ist, dass sowohl die Gründung des Museums der deutschen Minderheit als auch das Verfassen ihrer Geschichte in einem Buchprojekt begonnen wurden. Ein Meilenstein, der noch vor uns liegt, ist das Super-Wahljahr 2024: „Wir müssen uns zeitgerecht Gedanken machen“, sagt Porr. 2023 wird ein arbeitsintensives Jahr für das deutsche Forum.

Eine Erfolgsbilanz der letzten Jahre ziehen die Parlamentarier und Freunde Ovidiu Ganț (DFDR) und Silviu Vexler (FCER, Föderation der jüdischen Gemeinschaften in Rumänien) mit den Gesetzen zur Entschädigung der Kinder der ehemaligen Deportierten und politisch Verfolgten, der Ausweitung der finanziellen Unterstützung der Verfolgten im Kommunismus und ihrer Nachkommen, etc. Die Gesetzesänderungen kommen etwa 100.000 Menschen zugute. Und damit sich die Traumata der Vergangenheit nicht wiederholen, wurde Holocaustgeschichte endlich Pflichtfach in rumänischen Lyzeen.

Im Dienste unserer Gemeinschaft

Gemeinsam Zukunft stiften, darum geht es Thomas Erös und Rosalia Tom,  Bundesvorsitzender bzw. Vorstandsmitglied der Landsmannschaft der Sathmarer Schwaben. Über ihr Wirken und Werk in Kultur und Sozialem, Nachwuchs und Zukunftspläne berichten sie Arthur Glaser.

Weiter geht es mit dem Festvortrag von Erzbischof em. Dr. Robert Zollisch über das katholische wohltätige Sankt Gerhards-Werk, das sich seit 70 Jahren für kirchliche und kulturelle Belange der Donauschwaben aus den Herkunftsländern Rumänien, Ungarn und dem ehemaligen Jugoslawien in Deutschland einsetzt.

Über Rumäniens Probleme in der Ausbildungspolitik, vor allem in der Berufsausbildung im Tourismus, plaudert Alex Gröblacher mit Nicoleta Pădăluță vom Kolping-Ausbildungszentrum in Kronstadt/Brașov. Und verrät, warum die duale Berufsausbildung nach deutschem Modell trotz einiger handfester Vorteile immer noch das „Aschenputtel“ des Systems ist...

Ihren Energietank auffüllen und sich neu insprieren lassen konnte sich die 34-jährige evangelische Pfarrerin Adriana Florea aus Kronstadt während ihrer Auszeit in Kolumbien. An ihren Erlebnissen– vom Schlafen in Hängematten an der Karibikküste über gefährliche Streifzüge und Begegnungen mit besonderen Menschen ließ sie Laura Căpățână Juller teilhaben.
Um Honigbergs/Hărmans touristische Transformation geht es in „Kirchengemeinde mit tatkräftigem Einsatz“ von Dieter Drotleff: Die Kirchenburg lädt mit Heimatmuseum, Campingplatz, Pfarrhaus mit moderner Küche und Gästezimmern zur friedlichen Eroberung ein.

Die Stationen im Leben der Chorleiterin Maria Schmidt in Sathmar, Mitglied des deutschen Forums in Trestenburg/Tășnad, vermittelt David Hackl. Und einen charmanten, über 90-jährigen Kirchenkurator in Lugosch lässt Astrid Weisz aus dem Nähkästchen plaudern.

Historische Highlights und Kulturerbe

Die 200-jährige Erfolgsgeschichte des Kronstädter Familienunternehmens Scherg hat Wolfgang Wittstock ausführlich erforscht und spannend beschrieben. Historisch  geht es weiter mit „700 Jahre Meschendorf, Deutsch-Kreuz und Klosdorf“ von Thomas [indilariu und einer alten Urkunde aus dem Jahre 1322. Klaus Philippi öffnet die Tore ins Batthyaneum, der ältesten Dokumentationbibliothek Siebenbürgens in Karlsburg/Alba Iulia, doch beileibe kein Museum.

In „Geheimbefehl 7161 und Geheimsache Kanal“ setzt sich Elise Wilk mit der Deportation und Zwangsarbeit der deutschen Minderheit künstlerisch auseinander.  Und Denkmalschützer Christoph Machat verrät, warum die 13 eine Glückszahl für das Kulturerbe Rumäniens war. Humorvoll blickt er auf 50 Lebensjahre im Denkmalschutz und seine Kindheit in Schäßburg/Sighișoara zurück.

Aufs Land und über Stock und Stein

„Der Graf hat sich für Zabola entschieden“ verrät Ralf Sudrigian: Gregor Roy Chowdhury, Erbe des 50 Hektar großen Anwesens in Covasna, mit uralten Bäumen, Wiesen und Teichen, hat das alte Schloss in ein charmantes Luxushotel verwandelt.

Für das Dorfleben entschieden haben sich auch die Städter, die Krisztina Molnar dokumentarisch begleitet– mit all ihren (auch enttäuschten) Hoffnungen, viel Idealismus und Energie: Landhäuser renovieren, Scheunen ausbauen, Fensterläden und Fassaden restaurieren. Eine Deutsche hat sich sogar in eine Kirchenburg verliebt, immer wieder zieht es sie nach Großkopisch/Copșa Mare zurück, wo sie und viele andere Helfer dann die Ärmel hochkrempeln...

Man muss nicht gleich aufs Land ziehen, um sich in der Natur zu erholen: Alternativen zu überlaufenen Stränden an der Schwarzmeerküste verrät Dr. Klaus Fabritius. Und Veronika Zwing ist die Via Transilvanica ein Stück weit abgelaufen  und hat neben vielen  heiteren Geschichten in einem abgelegenen Dorf erfahren, warum man als Katzenbesitzer unbedingt eine Sturmhaube tragen sollte!

Lesespaß? Literatur!

In letzter Minute mussten wir das „Lesespaß“-Kapitel umbenennen, denn die meisten der Autoren befassen sich diesmal mit recht schweren historischen Themen –  den Schattenseiten des Kommunismus, oder der Russland-Deportation. „Die Perle mit dem Kobaltstrahl“ von Joachim Wittstock, „Der Morgen, an dem sie Mutter holten“ von Dagmar Dusil, „Die geheimen Seiten des Lebens“ von Karin Gündisch rollen immer wieder neue Seiten aus dem Kapitel unserer düsteren Vergangenheit auf.

Schmunzelnd lesen wir dann weiter, wie Balthasar Waitz als Knirps in den Kirchenchor aufgenommen wurde, gefolgt von Gedichten von Carmen Elisabeth Puchianu, Dietfried Zink, Matthias Buth und Ernest Wichner.

Wissenschaftlich beginnt das Kapitel über „Heimat, Brauchtum und Mundart“ mit der  Frage um das Sein oder Nichtsein der rumäniendeutschen Literatur, aufgerollt von Carmen Elisabeth Puchianu, und den siebenbürgisch-sächsischen Wortbildungen der Schulsprache auf Basis lateinischer Lexeme von Sigrid Haldenwang. Anton Sterbling unternimmt schwer philosophische Wanderungen rund um den Begriff Heimat. Mit charmanten Banater Mundartgeschichten, gesammelt von Helen Alba – „De Oma ihre Spinnrad“, „Di weißi Kuh“, „Kukrutzpuppe“ und viele mehr – bringen wir unsere Schwäbischkenntnisse auf Vordermann, bevor wir das mit 341 Seiten diesmal recht gewichtig ausgefallene Lese-Universum durch das Schnurgässchen wieder verlassen. Immer zuhalten auf das Licht am Ende des Tunnels: Ein gutes Neues Jahr 2023!