Aus der Sicht russischer Archive

Übersetzte Fragmente aus dem Buch zur Deportation in die Sowjetunion (II)

Die am 5. Januar 1945 an den rumänischen Staatschef Radescu gesandte Note Nr. 031 betreffend die Aushebung der Rumäniendeutschen

Teil 1

Zehn Tage nach dem Erlassen des Geheimbeschlusses Nr. 7161 des Staatskomitees für Verteidigung der UdSSR vom 16. Dezember 1944, richteten die drei mit der Deportation der Deutschen aus Osteuropa beauftragten NKWD-Generäle (Apollonow, Gorbatjuk und Sladkewici) einen detallierten Bericht an L. Beria, in dem sie die „Hauptvorgänge zur Vorbereitung der Operation betreffend die Internierung und den Transport der Volksdeutschen in die UdSSR“ vorstellten: das Bilden von 10 operativen Sektoren (sechs davon auf dem Gebiet Rumäniens); das Gründen in Bukarest eines Generalstabs (für das Koordinieren der Operation in den fünf Staaten), der in sieben spezialisierten Strukturen organisiert war (Operation, Schienentransport, Straßentransport, Intendenz, Bewachung und Eskorte, Kommunikation, Einrichten der Lager an den Übergangspunkten der Züge vom europäischen Schmalspur- zum sowjetischen Breitspurschienennetz).

Da sich in Rumänien „75 % der Gesamtsumme der zu verhaftenden Personen deutscher Herkunft“ befanden, vermerkte der Bericht, dass hier „Brigade 23 der NKWD Infanterie (bestehend aus vier Spezialbataillons), 1500 Soldaten und 150 auf Verfügung von Genosse Malinowski aus dem Offizierskorps 133 entsandte Offiziere verwendet werden.“ Desgleichen waren 180 der 300 den NKWD-Strukturen zur Verfügung stehenden operativen Fachkräfte den in Rumänien gebildeten operativen Sektoren zugeteilt worden, während 120 im Bereich der Kommunikation betreffend Schienenverkehr und Bahnhöfe, durch welche die Deportiertenzüge fahren sollten, zugeordnet waren.  
Der im Falle Rumäniens detaillierte Ablaufplan sah vor, dass „der vom Gendarmerieposten designierte Vertreter die für die Mobilisierung zur Arbeit in Frage kommenden Personen deutscher Herkunft aufgrund der bereits erstellten Listen verständigt und ihnen die Liste der von jeder Person verpflichtend mitzunehmenden Gegenstände mitteilt. Die internierten Personen deutscher Herkunft aus den einzelnen Dörfern werden, von Gendarmen und rumänischen Soldaten eskortiert, unter Kontrolle der sowjetischen Fachkräfte in die Sammelzentren gebracht, wo sie unter Wache von den sowjetischen Truppen übernommen werden.

In Ortschaften mit zahlreich zu internierender Bevölkerung deutscher Herkunft wird diese zum Rathaus bestellt, um den Generalbefehl der Mobilisierung bekannt zu machen, wonach die Betroffenen nach Hause gehen können, um ihr Gepäck vorzubereiten und sich danach in den Sammelzentren einzufinden. Im Vorfeld wird, bis zum Ankündigen der Mobilisierung, jede Ortschaft von Gendarmen und Einheiten der Armee umzingelt. Bis zum Fortbringen der internierten Personen wird die Fortbewegung der Bewohner aus einer in die andere Ortschaft verboten. Die Wachen rund um die Dörfer werden aus rumänischen und sowjetischen Militärangehörigen bestehen. In den Sammelpunkten wird die Gegenwart der Personen deutscher Herkunft anhand der vorher zusammengestellten Listen überprüft, um deren Arbeitsfähigkeit festzustellen. Die Arbeitsuntauglichen werden nach Hause geschickt (...)“.

Für den Transport der Deutschen aus den Sammelpunkten bis zu den Deportationsorten war der Bedarf von 5677 Waggons (davon 4145 für Rumänien, 1092 für Jugoslawien, 420 für Ungarn und 20 für die CSSR), zusammengesetzt in 103 Zügen, berechnet worden. Die über 100 Konvois mit den Deportierten – die in die Ostukraine sowie das mittlere und südwestliche Russland gelangen sollten – verließen nach dem Transit durch Rumänien das Land aus den Bahnhöfen Socola-Jassy/Ia{i (24 Züge mit 1258 Waggons), Adjudul Nou (27 Züge mit 1496 Waggons), Foc{ani (11 Züge mit 671 Waggons) und Galatz/Gala]i (41 Züge mit 2252 Waggons). 
Unter dem Druck der in Bukarest gebildeten operativen NKWD-Strukturen zwecks Koordinierung der Deportation der Personen deutscher Herkunft gaben die rumänischen Behörden ihren untergeordneten Institutionen Anordnungen (Befehl Nr. 32.137/31. Dezember 1944 des Unterstaatssekretärs der Polizei, Befehl Nr. 32.475 S/3. Januar 1945 des Generaldirektors der Polizei, telegraphischer Befehl Nr. 32.974/8. Januar 1945 des Direktors der Sicherheitspolizei, telefonische Befehle Nr. 33.224/10. Januar 1945 und Nr. 34.883-S/24. Januar 1945 der Generaldirektion der Polizei, usw.) (...).

Die Deportation

(...) Am 5. Januar 1945 sandte Generalleutnant Winogradow an den Ministerpräsidenten Rumäniens, Armeekorps-General Nicolae R²descu, die Note Nr. 031, mit der er – aufgrund des Beschlusses des sow-jetischen Oberkommandos –orderte: „In der Zeitspanne 10. – 20. Januar 1945 führen Sie die Mobilisierung zur Arbeit aller arbeitsfähigen Personen deutscher Volkszugehörigkeit, ganz gleich welcher Staatsbürgerschaft, Männer im Alter von 17 bis 45 Jahren, Frauen von 18 bis 30 Jahren, durch. (...)“
(Es folgen in der Studie Abschnitte zur Haltung der rumänischen Behörden angesichts der Deportation der Personen deutscher Herkunft, aus den Gesuchen um Befreiung von der Deportationsmaßnahme, die von Familien, ausländischen diplomatischen Vertretungen in Bukarest sowie Organisationen von ethnischen Minderheiten an die sowjetischen Behörden gerichtet worden sind.)

Meldungen von Übergriffen

Eine erste Meldung der Gendarmerie betreffend die Übertretung der festgelegten Regeln bei der Internierung der Rumäniendeutschen ist das Schreiben Nr. 52.211 vom 17. Januar 1945, gezeichnet von Oberstleutnant S. Teodorescu, dem Direktor des Dienstes Sicherheit und öffentliche Ordnung. Es informiert Oberst Alexjew von der Alliierten Kontrollkommission, dass „Herr Major Racikow, der Delegierte der Alliierten Kontrollkommission für die Aushebung der Deutschen im Verwaltungskreis Roman, von der Gendarmerielegion verlangt hat, alle Personen deutscher Herkunft – die Männer bis zum Alter von 50 Jahren und die Frauen bis 35 Jahren – zu überstellen, entgegen den von Ihnen erteilten Anordnungen ...“ (...)

Infolge der zahlreichen Meldungen von Übergriffen, was die Regelungen der von der Deportation auszuschließenden Personenkategorien angeht, wurde am 29. Januar 1945 ein von Oberst Efremow gezeichnetes und an Oberst Jitkow (in Râmnicu S²rat), Oberstleutnant Egorow (in Adjudul Nou) und Oberst Popkow (in Socola - Jassy) gerichtetes Telefonogramm mit folgendem Inhalt gesandt: „Alle zivilen Deportierten (...), die in Züge verladen oder sich in Lagern befinden und den Kategorien Pfarrer, Mönche, Nonnen, chronisch Kranke (einschließlich mit Geschlechtskrankheiten), Frauen, deren Schwangerschaft die vier Monate überschritten haben und die für physische Arbeit unfähig sind, WERDEN BEFREIT (mit Majuskeln im Original). (...)

Die Personenlisten oder Namen der Personen, deren Befreiung von der Deportation genehmigt wurde, werden den sowjetischen Kommandostellen an den Strecken mitgeteilt, die die Züge mit den rumänischen Staatsbürgern beim Transport zur Zwangsarbeit in die UdSSR zurücklegen, um sie aus den Zügen, die Richtung Ostgrenze fahren, herauszuholen.“ (...)
Die von den Übergriffen der sowjetischen Truppen hervorgerufene Spannung kann auch an dem protokollwidrigen Ton festgestellt werden, den die rumänischen Behörden in der Korrespondenz an die NKWD-Vertreter in Bukarest verwendet haben (...).
Am 3. Februar 1945 verfasste Oberst P.R. Efremow eine Synthese aller bis zum 2. Februar von rumänischen Behörden, in Bukarest akkreditierten diplomatischen Vertretungen und Familien der Betroffenen an General Winogradow gerichteten Anträge, rumänische Staatsbürger von der Deportation auszuschließen, aus der hervorgeht, dass nur im Falle von 4,4 Prozent Anordnungen für deren Aussonderung bei den Sammelstellen erlassen wurden und weniger als 2,7 Prozent aller Ansuchen die Befreiung der bereits Ausgehobenen zur Folge hatten (...).

Das Schicksal der Zivilinternierten in der UdSSR

Die Namenslisten mit den Deportierten deutscher Herkunft aus Rumänien werden im staatlichen russischen Militärarchiv aufbewahrt und wurden in 40 Mappen/Dossiers zusammengefasst, meistens aufgrund der zwischen dem 15. und 30. Januar 1945 gebildeten Transporteinheiten/Züge.
Um die Übernahme, das Einwaggonieren und den Transport der Deportierten auf dem Schienennetz rechtzeitig vorzubereiten, wurde den Leitern der operativen Sektoren des NKWD (in der Regel 7-10 Tage vor Beginn des Zusammenstellens der ersten Transporteinheit) die Bahnstation und die täglich zur Verfügung gestellte Anzahl der Waggons mitgeteilt. So wurde Oberst Kojewnikow, dem Leiter des operativen NKWD-Sektors in Hermannstadt/Sibiu, mit dem von General Sladkewici gezeichneten Telefonogramm Nr. 6145/1 vom 6. Januar 1945 der „Verladeplan auf Transporteinheiten des Sonderkontingentes“ mitgeteilt: 

o    Zug 47.640, in Fogarasch/Făgăraț, Einsteigen am 13. Januar;
o    Zug 47.644, in Fogarasch, mit 17 Waggons, Einsteigen am 14. Januar; 
o    Zug 47.645, in Freck/Avrig, Einsteigen am 14. Januar;
o    Zug 47.647, in Hermannstadt, Einsteigen am 15. Januar;
o    Zug 47.648, in Heltau/Cisnădie, Einsteigen am 15. Januar;
o    Zug 47.657, in Hermannstadt, Einsteigen am 17. Januar;
o    Zug 47.661, in Hermannstadt, Einsteigen am 18. Januar;
o    Zug 47.662, in Mediasch, Einsteigen am 18. Januar;
o    Zug 47.666, in Schäßburg, Einsteigen am 19. Januar; (...)
o    Zug 47.686, in Elisabethstadt/Dumbrăveni, mit 50 Waggons, Einsteigen am 23. Januar;
o    Zug 47.688, in Agnetheln/Agnita, Einsteigen am 24. Januar;
o    Zug 47.689, in Blasendorf/Blaj, Einsteigen am 24. Januar;
o    Zug 47.691, in Marktschelken/Șeica Mare, mit 40 Waggons und in Blasendorf mit 11 Waggons, Einsteigen am 25. Januar; (...)
o    Zug 47.701, in Karlsburg/Alba Iulia, Einsteigen am 24. Januar und in Mühlbach/Sebeș-Alba mit 30 Waggons, Einsteigen 27. Januar (...).

Mit einem gemeinsamen Bericht, den die drei für die Koordinierung der Deportation zuständigen NKWD-Generäle (Apollonow, Gorbatjuk und Sladkewici) zeichneten, wurde L.P. Beria am 3. Februar 1945 informiert: „In den Ablauf der Operation waren 664 Offiziere und operative Fachkräfte des NKWD (Innenministerium) und NKGB (Staatssicherheit), 10.443 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten aus den Sondertruppen des NKWD sowie 1030 Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten der Roten Armee einbezogen.“ 

Anders gesagt, an der am 2. Februar 1945 abgeschlossenen Operation haben 12.137 sowjetische Militärangehörige (je 10 auf hundert Deportierte) teilgenommen. Desgleichen wurden 317 LKWs des Regimentes, 40 Autos, 90 LKWs der Einheiten der 2. und 3. Ukrainischen Fronten und 212 LKWs der teilnehmenden NKWD-Truppen verwendet.
Bis zum 22. Februar 1945, 24.00 Uhr, waren die Deportierten aus den fünf von Anordnung Nr. 7161ss vom 16. Dezember 1945 betroffenen europäischen Staaten in 74 Züge einwaggoniert worden (mit 112.480 Personen), von denen 59 (mit 90.992 Personen) bereits auf das Territorium der UdSSR eingefahren waren (s. Tabelle).

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