„Begegnung – Geschichte – Kultur“

23. Heimattag der Banater Schwaben in Ulm / Ehrungen für Ovidiu Ganț und Dr. Bernd Fabritius

Festzug mit Trachtenträgern und Honorationen entlang des Donauschwabenufers

Traditionelle Kranzniederlegung am Ulmer Auswandererdenkmal

Literarische Lesestunde mit den Banater Autoren Magdalena Binder und Johann Lippet
Fotos: die Verfasserin

Pfingstgottesdienst der Banater Landsleute in der Wengenkirche

Anders, festlich, emotional, motivierend, etwas ganz Besonderes – das waren die Schlagwörter der Banater Landsleute, die ihre Eindrücke vom Pfingsttreffen der Landsmannschaft Banater Schwaben in Ulm am Wochenende beschrieben. Das Programm wurde tatsächlich knapper als in den vorpandemischen Auflagen gehalten, die Zahl der geladenen Gäste und Teilnehmer war kleiner. Es sollte ein Lebenszeichen sein und ein Aufbruch zu neuem, lebendig gestaltetem Verbandsleben – und das war der Heimattag 2022 in Ulm allemal.

Für viele war der öffentliche Auftritt von über 60 Trachtenpaaren aus den verschiedensten Gliederungen der Landsmannschaft (und aus den unterschiedlichsten Ortschaften im Banat stammend) in der Ulmer Fußgängerzone das schönste Erlebnis. Gekommen waren Tänzer aus Singen, Spaichingen, Esslingen, Karlsruhe, Augsburg, Ingolstadt, München, Nürnberg und Würzburg. „Die Pandemie hat vielen Tanzgruppen den Boden unter den Füßen weggezogen, die Mitglieder geraubt, weil man sich so lange nicht treffen konnte, nicht üben konnte, weil es auch keine Anlässe gab, zu denen man hätte auftanzen können und es entsprechend auch an der Motivation zum Proben fehlte,“ berichtete Patrick Polling, der Vorsitzende der Deutschen Banater Jugend und Trachtengruppen aus Deutschland (DBJT). Nebst den farbenfrohen, schönen und minutiös hergerichteten Banater Trachten waren es die Blaskapellen der Weinbergmusikanten aus Metzingen unter der Leitung von Johann Frühwald und der „Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen“, dirigiert von Johann Wetzler, die viel Beifall nach den Gemeinschaftstänzen „Veilchenblaue Augen“, Do-nauschwaben-Walzer, Kathi-Ländler und „Mein Banater Land“ ernteten, sowohl von den angereisten Banater Schwaben, als auch von den Ulmern und Touristen, die bei herrlichem Sonnenwetter am Samstag in der Innenstadt und am Donauufer unterwegs waren.

An Pfingsten veranstaltet die Landsmannschaft der Banater Schwaben  seit 48 Jahren ihren Heimattag in Ulm an der Donau, seit 1998 Patenstadt der Banater Schwaben. Entsprechend empfing „der Patenonkel“, Oberbürgermeister Gunter Czisch, eine Abordnung der Festgemeinde im Rathaus. Czisch begleitete die Banater auch beim Umzug zum Donauufer, wo beim Auswandererdenkmal traditionell die Kranzniederlegung stattfand, sprach am Abend zur Festveranstaltung ein Grußwort und wohnte auch dem Pfingstgottesdienst bei: „Ich glaube, dass solche landsmannschaftliche Verbindungen mit der Patenstadt, die auf eine dreihundertjährige Geschichte gründet, heute wichtiger und aktueller denn je sind. Wer tiefe Wurzeln hat und sich derer gewiss ist – und das sind unsere gemeinsamen Wurzeln entlang der Donau – bleibt auch in Zeiten, wo in der Ukraine Krieg herrscht, fest verankert und miteinander verbunden, um solche Stürme zu überstehen. Freundschaft und Begegnung sind Werte, die wir pflegen. Frieden, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gründen auf diesen Werten und auch auf die Erfahrung von Krieg, Flucht und Vertreibung, die unsere Geschichte prägen“, sagte Czisch, der auch immer wieder auf das international ausgerichtete Donaufest in Ulm und das Donaujugendcamp hinwies, an dem sich jährlich auch Jugendliche aus Rumänien beteiligen. Bei der traditionellen Gedenkfeier mit Kranzniederlegung seitens der Landsmannschaft und diesmal auch des rumänischen Generalkonsuls aus Stuttgart, Radu-Dumitru Florea, hielt DBJT-Vorsitzender Patrick Polling die Gedenkansprache am Auswandererdenkmal am Donauschwabenufer.

Im Mittelpunkt des Banater Heimattags stand die Festversammlung. Das 70-jährige Bestehen der Landsmannschaft der Banater Schwaben e.V. wurde mit einem Festakt am Abend im Stadthaus am Münsterplatz mit zweijähriger Verzögerung nachgefeiert. 1950 wurde nämlich die Landsmannschaft mit dem Zweck gegründet, die Eingliederung zu fördern, den Heimatgedanken und das Kulturgut der Banater Schwaben zu pflegen und für Völkerverständigung zu werben. Vorstände der landsmannschaftlichen Gliederungen und Vereine fanden sich nebst Ehrengästen ein, um unter anderem zwei Landsleute zu ehren. Die höchste Auszeichnung der Landsmannschaft der Banater Schwaben, die Prinz-Eugen-Nadel, bekamen Ovidiu Ganț, Abgeordneter des Demokratischen Forums der Deutschen im rumänischen Parlament, und Dr. Bernd Fabritius, Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen und ehemaliger Bundesbeauftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, für ihre außerordentlichen Verdienste um die Förderung der Landsmannschaft der Banater Schwaben und ihrer Gemeinschaft. Die Laudationen sprach der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft, Peter-Dietmar Leber. Ovidiu Ganț nahm die Ehrung dankend an, auch im Namen der Mitarbeiter und Kollegen im Demokratischen Forum der Deutschen in Rumänien, sowie des jüdischen Abgeordneten, Silviu Vexler, und des ehemaligen serbischen Abgeordneten im rumänischen Parlament, Slavoliub Adnagi, mit denen er gemeinsam Gesetze entworfen hatte, die der banatschwäbischen Gemeinschaft zu Gute kommen. „Ich deute diese Auszeihnung auch als Ausdruck der sehr guten Zusammenarbeit zwischen der Landsmannschaft und dem Deutschen Forum. Es ist eine großartige Idee gewesen, Bernd Fabritius und mich in dieser gemeinsamen Zeremonie zu ehren – es hat symbolischen Wert und gibt mir die Möglichkeit, Bernd Fabritius öffentlich für seine Unterstützung als Bundesbeauftragter herzlich zu danken“, so Ganț. Er erwähnte die gute Zusammenarbeit mit anderen deutschen Gemeinschaften in Rumänien und im Ausland, die jahrelange Unterstützung durch die Bundesregierung, das Land Baden-Württemberg, die Länder, die Paten- und Partnerstädte, aber auch der Kommunen, in denen Banater Landsleute heute leben. Rührend wurde es zum Schluss der Dankrede, als Ganț die Ehrung seiner Familie widmete, seiner Mutter, die dem Festakt zusammen mit dem Sohn des Abgeordneten beiwohnte, und der Großmutter, „die alles getan haben, damit wir unsere schwäbische Identität nicht verlieren“, wie auch Frau und Kindern, „die die langen Abwesenheiten von zu Hause akzeptiert haben“, so dass er seine Pflicht erfüllen konnte.

Die Dankrede von Bernd Fabritius fiel etwas vehementer aus, zumal er Kürzungen von über einer Million Euro für Kulturpflege der deutschen Heimatvertriebenen ansprach und auch Gesetzesinitiativen (Fremdrentengesetz), die zur Diskriminierung von bestimmten Aussiedlergruppen beitragen, wenn die Landesregierungen nicht achtsam mit deren Ausführung umgingen. Davor überbrachte er jedoch die schönsten Grüße und Gratulationen zum 70. Jubiläum der Banater Landsmannschaft vom rumänischen Staatspräsidenten Klaus Werner Johannis, der an dem Tag in Hof den europäischen Karlspreis der Sudetendeutschen Landsmannschaft bekommen hatte. Auch die langjährige bayrische Sozialministerin und Landtagspräsidentin, Barbara Stamm, ließ „ihren Banater Schwaben“ Glückwünsche übermitteln. Fabritius betonte die Auszeichnung auch für die Gemeinschaft der Deutschen aus Rumänien im In- und Ausland anzunehmen, die durch ihren Zusammenhalt dafür sorgen müssen, dass man um die kulturelle Identität der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen in Deutschland weiß. Die Prinz-Eugen-Nadel sei eine Zwischenstation für weiteren Einsatz, ein Ansporn, um wie Prinz Eugen, der für das, was ihm wichtig war, auf dem Schlachtfeld gekämpft hat, weiterhin mit Vehemenz für die Interessen der deutschen Gemeinschaften aus Rumänien zu kämpfen.

Zu Beginn der Festveranstaltung hielt Thomas Strobl, Stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister des Patenlandes Baden-Württemberg, auch aus seiner Position des Landesbeauftragten für Vertriebene und Spätaussiedler eine Ansprache, in der er den Beitrag der Banater Schwaben zum Aufbau des Landes würdigte, gefolgt von der Grußbotschaft, die Michael Fernbach, stellvertretender Botschafter Rumäniens in Berlin, seitens der Rumänischen Regierung übermittelte, und dem Grußwort der Vorsitzenden des Demokratischen Forums der Deutschen im Banat, Dr. Johann Fernbach, das verlesen wurde. An dem Heimattag in Ulm beteiligten sich aus dem Banat DFDB-Vorstandsmitglieder Dietlinde Huhn aus Großsanktnikolaus, Diözesanarchivar Dr. Claudiu C²lin und die Unterschreibende, sowie der Bürgermeister von Lenauheim, Ilie Suciu. Der Festvortrag „Landsmannschaft. Auf der Suche nach Zugehörigkeit“ des Tübinger Historikers Dr. habil. Mathias Beer vom Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde fiel sehr wissenschaftlich, doch nicht minder spannend aus. Musikalisch gestaltete das Lehár-Ensemble unter Leitung von Dr. Franz Metz die Festveranstaltung, bestückte diese mit Vertonungen von Lenau-Gedichten und gab zum Abschluss ein Konzert mit Operettenarien von Franz Léhar, die mit kräftigen und andauernden Beifall belohnt wurden.

Das Kultur- und Dokumentationszentrum der Landsmannschaft der Banater Schwaben in Ulm, im zweiten Stock der Donaubastion, über dem Donauschwäbischen Zentralmuseum, war am Pfingstsonntag Austragungsort zweier sehr gut besuchten Veranstaltungen: Der Vortrag „Es war ein rechtes Elend unter den Leuten – Banater Anfänge aus familienkundlicher Perspektive“ von Dr. Hertha Schwarz, vom Arbeitskreis donauschwäbischer Familienforscher, erweckte interessierte Gespräche, während am Nachmittag der Veranstaltungsort für die Lesungen der Banater Autoren Magdalena Binder und Johann Lippet fast zu klein war für das zahlreich erschienene Publikum. Die Moderation mit umfangreich dokumentierter und freundschaftlicher Einführung übernahm Journalistin und Literaturkritikerin Katharina Kilzer, die die Lesungen auch mit aktuellen Bildern aus dem Banat illustrierte. Magdalena Binder las aus ihrem 2021 im Berliner Anthea Verlag erschienen Roman „Unter den Akazien – Banater Familienchronik“, während Johann Lippet ebenfalls aus seinen neuesten Werken vorlas: „Franz. Franzi. Francisc: Romanfragment. (Nebst Arbeitsnotizen und Annotationen)“ (2019) und „Beziehungs-weise(n): Gedichte & Geschichten“ (2021), beide im POP-Verlag Ludwigsburg erschienen.

Ein besonderes Erlebnis war für die Teilnehmer des Heimattags der Besuch des Donauschwäbischen Zentralmuseums mit Führungen durch die neue Ausstellung „Donau. Flussgeschichten“ und die neu konzipierte Dauerausstellung „Donauschwaben. Aufbruch und Begegnung“, die Direktor Christian Glass und Kulturreferentin Dr. Swantje Volkmann anboten.

Zumal man in diesem Jahr auf das große Schwabentreffen in den Ulmer Donauhallen aus Risikogründen (gesundheitlich und finanziell) verzichtet hatte, fand die Heilige Messe zum Pfingstfest schlicht mit Heimatpfarrer Markus Krastl in der Kirche St. Michael zu den Wengen in der Ulmer Innenstadt statt. Rund 100 Landsleute beteiligten sich daran. Ein Bläserquintett der „Original Donauschwäbischen Blaskapelle Reutlingen“ sorgte für die festliche, musikalische Gestaltung.