Bode vs. Danileț: Zwei Seiten der gleichen Münze?

Cristian Danile] setzt sich für den Rechtsstaat und die Zukunft der Jugend in Rumänien ein. Foto: privat

Politik soll etwas mit Verantwortung zu tun haben. Auch mit der Verantwortung für die Generationen der Zukunft, was in der Bildungspolitik ihren Niederschlag finden sollte. Andrerseits sollte die universitäre wissenschaftliche Forschung der zu erklimmende Mount Everest eines jeden Akademikers sein. In Rumänien erleben wir leider ein anderes Bild: Der Doktortitel, die höchste Anerkennung wissenschaftlicher Forschung, wurde zu einer zu erfüllenden bürokratischen Hürde degradiert. Der rumänische Markt ist von Doktortitelträgern überlaufen. Dieses sehr zum Nachteil derer, die ihre Forschungsarbeit zu ihrem Lebensinhalt gemacht haben und nun feststellen müssen, dass ihre Arbeit ununterbrochen unter dem Damoklesschwert des Plagiatsverdachts steht.

Wenn einem Amtsträger oder Politiker Diebstahl oder Korruption nachgewiesen wird, wird dieser seines Amtes enthoben, es werden ihm zeitweise sogar bürgerliche Rechte entzogen. Wie anders verhält es sich mit dem intellektuellen Diebstahl, dem Plagiat, welches wie ein Kavaliersdelikt gehandhabt wird. An Beispielen dafür mangelt nicht: Von Ex-Premierminister Victor Ponta zu Ex-Bildungsminister Sorin Câmpeanu bis zum amtierenden Premierminister Nicolae Ciuc². Für Schlagzeilen sorgte in letzter Zeit Innenminister Lucian Bode.

Nach einer nicht zu kurzen Wartezeit steht nun das Urteil der Ethikkommission der Babe{-Bolyai-Universität in Klausenburg/Cluj-Napoca fest: Bode hat ganz offensichtlich seine Doktorarbeit plagiiert (ca. 18,5 Prozent der Arbeit sind eindeutig abgeschrieben, dazu kommen weitere 30 unsauber zitierte Stellen usw.). Die Reaktion des Ministers ließ nicht auf sich warten: Der Plagiierende hat inzwischen die Prüfkommission wegen angeblich fehlender Fachkompetenz einiger Mitglieder angezeigt. Sein Doktorvater wirft der Ethikkommission vor, von fremden Interessen instrumentalisiert worden zu sein.

Das Urteil der besagten Kommission ist seinerseits problematisch: „Die UBB bietet für alle Plagiatoren eine rechtliche Lösung für die Zukunft. Es ist das erste Mal, dass ein nachgewiesenes Plagiat, das als solches in einem Urteil festgestellt wurde, als behebbar eingestuft wurde. Das Plagiat wird also nicht als eine Rechtswidrigkeit betrachtet, die drastische Sanktionen nach sich zieht, sondern das Plagiat kann korrigiert, retuschiert, umgeschrieben werden, so als ob das Plagiat im Moment der Entdeckung umgeschrieben worden wäre. Eine solche ‚erneute Prüfung‘ ist jedoch vom Gesetzgeber nicht vorgesehen“, erklärte der Jurist Gabriel Turcu, zitiert von Emilia {ercan auf ihrer Facebook-Seite am 12. Januar 2023. Emilia [ercan ist der Leserschaft durch ihren Kampf gegen plagiatsverdächtige Politiker und Amtsträger bekannt. Verleumdungen, Einschüchterungsversuchen und zuletzt auch Todesdrohungen zum Trotz versucht sie seit Jahren den Plagiatssumpf auszutrocknen, in dem sich eine ganze Reihe amtierende Politiker der rumänischen Regierung wie in ihrem Element zu fühlen scheinen.

In besagtem Posting schreibt [ercan weiter, dass die Klausenburger Universität, nachdem sie A gesagt habe, auch den Schritt zum B wagen müsse und Bode strafgerichtlich verklagen solle, damit ihm sein Doktortitel entzogen werden kann. Leider blieb dieser Schritt aus. Doch wie so oft in Rumänien in den letzten Jahren springt dort, wo alle Stricke reißen, die Zivilgesellschaft ein und bindet diese zusammen: In diesem Fall hat der Verein VedemJust, gegründet von Cristian Danileț, den amtierenden Innenminister Lucian Bode und seinen Doktorvater Adrian Ivan, den amtierenden Rektor der SRI-Akademie, wegen Falschaussage unter Eid angezeigt und verlangt, dass dem einen der Doktortitel, dem anderen das Recht auf Dissertationsbetreuung entzogen wird (die ADZ berichtete darüber).

Hier schließt sich nun der Kreis zwischen Politik-Bildung-Verantwortung. Wie dieses gemacht werden könnte, zeigen die Projekte von VedemJust. Cristian Danile] und die um ihn versammelten Personen halten hartnäckig mit dem Projekt „Educa]ie Juridic²“ (Rechtsbildung) gegen die mangelnde Vermittlung von rechtlichem Wissen schon in frühen Jahren, indem sie einerseits in Rumänien auf die notwendigen Rahmenbedingungen für einen Rechtsstaat hinweisen und andererseits junge Menschen befähigen, grundlegende Rechtsbegriffe und -vorgänge zu verstehen und zu praktizieren.

Mit dem von Danile] entwickelten Curriculum: „Educație juridică pentru elevi“ (Rechtsbildung für Schüler) hat der Verein VedemJust laut der Aussage von Danile] „… in den letzten sieben Jahren über 50.000 Schüler ausgebildet. Die Jüngsten waren in der 4. Klasse, die Ältesten in der 12. Wir erreichten die Hauptstadt Bukarest, große Städte wie Jassy, Temeswar, Klausenburg, Kronstadt, Hermannstadt, Konstanza, aber auch Dörfer und kleinere Gemeinden. Ich persönlich habe 10.000 Schüler erreicht.“ Das dazugehörende Unterrichtsbuch stellt der Verein  kostenlos zur Verfügung, auf Rumänisch, Englisch, Ungarisch, Romanes, Deutsch und Spanisch, wobei der Druck nur aus Spenden finanziert wird. Die Schulen haben die Möglichkeit, bei ihrer Schulbehörde die Zulassung dieses Wahlpflichtfaches und Lehrbuches zu beantragen.

Sein zivilgesellschaftliches Engagement macht für Danile] das Leben nicht unbedingt einfacher: Als Akt vollkommener Willkür erscheint sein Ausschluss aus der „Magistratur“ im Dezember 2021, mit der Begründung, dass er sich als Richter des rumänischen Staates unangemessen verhalten habe, indem er auf Tiktok private Videos gepostet habe, die ihn bei der Ausübung seines Sportes und bei Gartenarbeiten zeigen. Hinter den arbeitsrechtlichen Sanktionen mit der Folge, dass Cristian Danile] seines Richteramtes enthoben wurde, steht die Absicht, ihn mundtot zu machen. Doch er lässt sich nicht zum Schweigen bringen. Er hat gegen die Verurteilungen und disziplinarischen Einschränkungen Klage eingelegt – und bisher in einem Fall Recht gesprochen bekommen.

Wie es um den rumänischen Rechtsstaat steht, beobachtet Danile] anhaltend und teilt seine Analysen der Öffentlichkeit regelmäßig mit. So hat er allein oder gemeinsam mit anderen immer wieder die Einmischung der Exekutive in die Judikative kritisiert. Ende November stellte er als Mitglied einer Delegation der rumänischen Zivilgesellschaft in Brüssel bei einem Treffen mit Europarlamentariern aus Deutschland, Ungarn und Rumänien die aktuelle Lage und Gefährdung des rumänischen Rechtsstaates vor. „Im Gegensatz zu dem, was wir in der Schule gelernt haben, erkennt das Verfassungsgericht (CCR) den Vorrang des Rechts der Europäischen Union nicht an. Obwohl es drei Entscheidungen des Gerichtshofs in Luxemburg gibt, in denen erwähnt wird, dass der rumänische Richter die Entscheidung des CCR, die gegen EU-Recht verstößt, aufheben kann, scheuen sich die Richter, diese umzusetzen, um zu vermeiden, dass gegen sie so wie gegen ihre Kollegen ermittelt wird“, erklärte Danile] während des Treffens, welches auf Initiative von Laurentiu [tef²nescu und Traian Paparete (beide Mitglieder der Bewegung EuRoCivica) und mit Unterstützung des Europarlamentariers Nicolae Ștefănuță organisiert wurde und an dem Vertreter der rumänischen Zivilgesellschaft aus Temeswar, Hermannstadt, Jassy, Pite{ti und Bukarest, sowie aus der rumänischen Diaspora in Schweden und Deutschland teilnahmen.

So sehen wir nun beide Seiten der gleichen Medaille: Auf der einen hat Präsident Klaus Johannis „România educat²“ (Gebildetes Rumänien) über das Bildnis von Ciucă, Bode, Câmpeanu and Co. geschrieben; auf der anderen die Menge an zukünftiger Erwachsenen, die dank Menschen wie Cristian Danileț und dem von ihnen vermittelten Wissen ein anderes Rumänien schaffen können.