Corona Blues III

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Die große Freiheit! Sie ist am Freitag voriger Woche, dem 15. Mai, angebrochen! Tags darauf wurde sie gehörig gefeiert. Das Wetter lud dazu ein. In Hermannstadt waren sehr viele Leute neugierig, ob sich das Stadtzentrum in den beiden Monaten verändert hat, und flanierten in der Heltauergasse und am Großen Ring. Nichts für ungut, Gedränge gab es nicht. Hingegen waren alle, die über kein Auto verfügen, offensichtlich im Erlenpark und Goldtal. Da war es schon etwas schwerer, 1,5 Meter Abstand beim aneinander Vorbeigehen zu wahren. Um den zu haltenden Abstand kümmerten sich die vielen, in Gruppen versammelten jungen Leute ohnehin nicht. Vermutlich wären sie in den Schulbänken etwas weiter entfernt voneinander gesessen. Dass irgendwelche Ordnungshüter auf irgendwelche Regeln hingewiesen hätten, habe ich nicht bemerkt.
Im Stezii-Tal, dem beliebten Ausflugsziel jener, die mit vollgepacktem Auto an einen Straßenrand fahren „zum grünen Gras“ (la iarbă verde), wo auf Stühlen rund um ein Tischchen gesessen, gegrillt und getrunken wird, das Autoradio laut dröhnt und eventuell ein Ball hin und her gestoßen wird, soll kaum Platz gewesen sein, um ein weiteres „Lager“ aufzustellen. Der andere Teil der Picknicker wird wohl im Zoodttal gewesen sein. Es hat natürlich auch die anderen gegeben, die tatsächlich in die Natur gefahren und gewandert sind, ohne andere Personen zu treffen.

Der Wunsch, nach acht Wochen Hausarrest aus den vier Wänden auszubrechen, ist nachvollziehbar. Nicht dass all diese Leute sonst stets außerhalb dieser Wände gewesen wären, aber da man es nun musste, war das Rausgehen eine willkommene Abwechslung. Ich verstehe auch die Jugendlichen, die mit Freunden zusammenkommen, und dass es in großer Gruppe einfach lustiger zugehen kann als zu dritt. Aber warum sollte die Ansteckungsgefahr in der Schule vorhanden sein – wo Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden müssen – in Parks aber nicht?

Nicht nachvollziehen kann ich den Drang mancher Personen, sich bereits am Samstag die Haare schneiden lassen zu müssen. Was wäre geschehen, wenn die noch zwei Millimeter gewachsen wären?
Voraussehendes Denken und Planen war noch nie eine Eigenschaft rumänischer Regierungen, einmal mehr wurde diese Unfähigkeit unter Beweis gestellt. Nicht bloß in dem abzusehenden Ansturm an der Landesgrenze durch all jene, die die Quarantäne vermeiden wollten und konnten und nun einreisen wollen. Ich meine aber auch, wären die Terrassen eröffnet worden, die Leute wären hin geströmt, wo sie einander in separaten Sesseln an Tischen gegenüber gesessen wären und es hätte keine ad-hoc-Partys oder Pulks bei mitgebrachten Getränken gegeben. Die Restaurant-Inhaber, die zwei Monate auf ihre Einkommen verzichten mussten, hätten endlich wieder Einkünfte gehabt, eine Kontrolle wäre eher möglich.

Völlig daneben waren die „Kommunikatoren“ der neuen Regelungen betreffend das Tragen des Mund- und Nasenschutzes: Die Ankündigung, der Mundschutz ist in geschlossenen Räumen, in Einkaufszentren und Verkehrsmitteln Pflicht, haben die meisten Leute dahingehend verstanden, sonst brauche man keine Maske mehr zu tragen! Völlig falsch. Die Ansteckungsgefahr ist inzwischen größer als vor 6-7 Wochen, es gibt in der Bevölkerung vermutlich Zehntausende asymptomatische Träger und das Virus überlebt auch im Freien bis zu drei Stunden. Wer also mit einem Infizierten auf einen halben Meter Entfernung spricht, kann dessen bei Zischlauten rausgeschleuderten Viren mit der Atemluft inhalieren. Oder man ist selbst Träger, ohne es zu wissen, und prustet das Virus frischfröhlich dem Gegenüber ins Gesicht. Besonders Personen aus Risikogruppen sollten also unbedingt auch im Freien Mund- und Nasenschutz tragen. Wenn das in den südostasiatischen Staaten zur Gewohnheit geworden ist und auch in Deutschland als Pflicht verordnet wurde, hat das doch wohl einen Sinn.

Was in zwei Monaten erkämpft wurde – die geringe Rate der Infizierten und Toten – kann nun sehr rasch zunichte gemacht werden. Zum Glück sind Ärzte und Krankenhäuser nun vorbereitet. Ein Ziel des Lockdown war, das Krankensystem auf den Umgang mit dem aggressiven Neuling einzustellen, nun, da das gelungen ist, wäre es aber verkehrt, die Grenzen des eigenen Gesundheitszustandes und die Reaktion der zwischenzeitlich gefundenen Behandlungsmittel testen zu wollen. Ja, es ist eine schwere Grippe, an der jedes Jahr Tausende Leute sterben, aber versuchen wir, der nicht aus dem Weg zu gehen? Und zum Argument einiger, das Ganze sei ein Fake, sie kennen niemanden, der sich infiziert hat: Ich kenne auch niemanden, der Pest hatte, gegeben hat es sie doch.