„Damit die Menschen sehen, dass jemand sie repräsentiert und für sie spricht“

Ein Interview mit dem Journalisten Cătălin Tolontan

Cătălin Tolontan im Gespräch mit ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht in den Räumlichkeiten der moldauischen Investigativzeitung „Ziarul de Gardă“ in Chișinău. | Foto: ZdG

Screenshots aus dem Film „Colectiv“ („Kollektiv- Korruption tötet“) des deutsch-rumänischen Regisseurs Alexander Nanau. Er erzählt, wie die Recherche einer Gruppe von Journalisten und Journalistinnen, darunter Cătălin Tolontan, zur Aufdeckung des Infektionsmittelskandals führt. Der Film wurde für den Oscar als „Bester internationaler Film“ sowie als „Bester Dokumentarfilm“ nominiert. | Bilder mit freundlicher Genehmigung von Cătălin Tolontan.

Cătălin Tolontan, Journalist der „Libertatea“, wurde vor allem durch seine Investigativrecherchen zur Brandkatastrophe im Bukarester Club „Colectiv“ im Jahr 2015 bekannt. In Chișinău sprach ADZ-Redakteurin Aurelia Brecht mit ihm über Angst vor Fehlern, Grundprinzipen des Journalismus, persönliche Entscheidungen, Standfestigkeit und darüber, was er im Journalismus in Rumänien ändern würde.

Herr Tolontan, wovor haben Sie Angst?


Als Journalist habe ich große Angst vor Fehlern. In einem Interview wurden Richterinnen aus Sizilien, die im Kampf gegen die Mafia tätig waren, gefragt, ob sie Angst um ihr Leben oder vor Drohungen hätten. Eine von ihnen antwortete, dass sie sich normalerweise nicht vor Drohungen fürchte, sondern eher vor Fehlern. Da wurde mir klar, dass wir Journalisten ähnlich denken. 

Ich habe deshalb große Angst vor dem Fehler, weil er häufiger vorkommt. Eine Drohung kommt vielleicht alle sechs Monate einmal vor, wenn man intensiv Investigativ-Recherche betreibt – aber Fehler kann man jeden Tag machen. Dabei geht es nicht darum, dass man selbst seinen Ruf verliert. Natürlich will man keine Fehler machen, denn jeder Fehler ist auch ein Vertrauensverlust. Damit geht ein Stück weit der Glaube an den Beruf der Journalisten verloren – und das setzt stark unter Druck.

Wenn Sie einen Fehler machen, wie reagieren Sie darauf?

Man „versteinert“ irgendwie für den Moment. Das hält eine kurze Weile an – dann greifen die Regeln des Berufs und man muss sich korrigieren. Es geht nicht nur darum, um Entschuldigung zu bitten, sondern darum, dass die Richtigstellung so schnell wie möglich zum Publikum gelangt. Dadurch wird der Fehler zu einer Art „Etappe“ – man hat alles getan, was möglich war. Aber die Menschen werden künftig etwas weniger an das glauben, was man veröffentlicht. 

Daran wird etwas deutlich, worüber auch in entwickelteren Gesellschaften wenig gesprochen wird: Auch die Presse hat das Recht, Fehler zu machen. Die Diskussion kann nicht in dem Moment geführt werden, in dem ein Fehler passiert. Wenn er passiert, muss man ihn und die damit verbundene Kritik akzeptieren. Aber klar ist auch: Eine Presse, die mutig und frech ist, die übertreibt und Fehler machen darf, ist besser als eine Presse, die eingeschüchtert ist, vor Gericht gezerrt wird und sich inhaltlich selbst abschafft. 

Wofür kämpfen Sie?

Ich dachte eine ganze Weile, dass wir Journalisten kämpfen, bis mir eines Tages klar wurde, dass der Beruf etwas sehr „Verfahrenstechnisches“ hat. Da gibt es nichts Heldenhaftes. Aber wir haben einen inneren Antrieb. Wir müssen stetig dafür kämpfen, dass wir als Journalisten unsere Arbeit nicht erklären müssen und dass die Pressefreiheit gewahrt bleibt, weil oft von außen interveniert wird. 

Denn es gibt keinen besseren Weg für eine Firma oder einen Politiker, oder für jemanden, der möchte, dass man über seine Probleme spricht, als dass er versucht, die Presse zu zensieren. In diesem Moment wird in der entsprechenden Redaktion eine Wut losgetreten – eine legitime Wut würde ich sagen, die dazu führt, dass sie einerseits die Redaktion voranbringt, weil sie sich dagegen wehren muss, und andererseits dazu führt, dass das Thema mehr aufgeblasen wird.

Was ist guter Journalismus?

Journalismus ist gut, wenn er neugierig ist. Eine Investigativrecherche ist dann gut, wenn sie vorurteilsfrei ist und wenn man nicht weiß, wohin sie einen führt.

Für wen schreiben Sie?

Lassen Sie mich ein emotionales Bild zeichnen: Für die Leute in ihren kleinen Dorfhäusern, wie es sie überall in Osteuropa gibt. Die um eine Zeitung herumstehen, zwei, drei von ihnen, meist ältere Menschen, und die die Zeitung aufmerksam durchblättern. Das Abo bei einer Zeitung oder der Gang zum Kiosk ist ein besonderes Treueverhältnis, das es so im Internet nicht gibt. Ich denke, für diese Leute, die vor ihrem Haus die Zeitung lesen, schreibe ich. Für sie zählt das enorm.

Wie sehen Sie ihre Rolle als Journalist?

Es geht nicht darum, populär zu sein. Ich hatte mehr Glück als manche meiner Kollegen und bin etwas bekannter. Aber es ist eine Sache, bekannter zu sein, und eine andere, populär zu sein, so dass einen die Leute lieben. Das ist nicht das Ziel. Ich möchte, dass die Menschen mit mir zurückhaltend sind, auch reserviert, kritisch und verstehen, dass es nicht die Rolle eines Journalisten ist, zu gefallen und ihre Glaubenssätze zu bestätigen. Unsere Aufgabe ist es, Informationen zu geben, damit man das Leben und Zusammenhänge besser verstehen kann.

Was hat Sie als Journalist beeinflusst?

Vor allem die Presse im Ausland, besonders aus dem anglophonen Raum. Ich schaue mir die Mechanismen von Zeitungen anderer Länder an, durchaus auch von der Bild-Zeitung beispielsweise. Ich habe keine diskreditierende Meinung zu Zeitungen wie „Bild“. Denn es ist nicht so einfach, schnell und akkurat zu sein, sonst glauben einem die Leute nicht. 

Es ist übrigens auch nicht einfach, sich kurz zu fassen so wie sie. Jeder kann lange Texte schreiben – nur wenige können kurz schreiben. Vorbilder sind für mich aber Zeitungen wie die „New York Times“ oder „The Guardian“. Da gibt es jedoch auch Enttäuschungen, wenn zum Beispiel bekannt wird, dass bei der „New York Times“ Artikel zurückgezogen werden, weil die vertretene Meinung die eigenen Leser verärgern könnte. Aber ich möchte nicht werten; denn wir haben in Rumänien noch eine Menge zu lernen. Im Bereich der Investigativrecherche sind wir gut aufgestellt, aber wir sind nicht genauso gut in Reportagen oder Interviews und Nachrichten, wenn ich es mit dem Ausland vergleiche.

Warum?

Zunächst einmal, weil wir nicht die nötige Ausbildung und Vorbereitung im journalistischen Bereich bieten wie in Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien oder den USA. Und weil wir aus Gesellschaften kommen, die hinterherhinken, was den professionellen Bereich anbetrifft. Das ist kein Minderwertigkeitskomplex, sondern eine realistische Sichtweise. Wir folgen nicht grundlegend anderen Prinzipien oder treffen andere Entscheidungen, aber wir machen unsere Sache nicht gleich gut. 

Als ich 22 Jahre war, habe ich eine renommierte Sportzeitung, die „Gazeta Sporturilor“ verlassen. Eine Kollegin und ich hatten eine Recherche zum Thema Doping gemacht. Wir fanden heraus, dass das Doping, das noch zu Zeiten des Kommunismus angewendet wurde, auch im Kapitalismus weitergeführt wurde. 

Der Text wurde uns vom Chef mit Korrekturen zurück gesandt, und wir erkannten die Handschrift. Es war die des Regierungsverantwortlichen für Sport. Wir kannten ihn und haben oft Papiere gesehen, die von ihm unterzeichnet waren. Dann sind wir zu unserem Chefredakteur und haben ihn zur Rede gestellt. Er sagte, naja, da sind einige Ungenauigkeiten drin. Und wir haben entgegnet: Sie geben unsere Texte aus der Redaktion nach außen? Wir sind dann dafür eingetreten, dass unser Text ohne Veränderungen veröffentlicht wird und wir andernfalls die Redaktion verlassen. Darauf hat er erwidert: Wo wollt ihr denn hingehen? Ihr seid bei einer der größten und erfolgreichsten Zeitungen, habt eigene Kolumnen. Aber wir sind hart geblieben. 

Ich würde immer wieder gehen, wenn so etwas passiert – auch wenn es heute noch schwieriger wäre. Aber der Beruf ist zu stressig, um ihn unter solchen Bedingungen auszuüben.

Was sind Ihrer Meinung nach die Schwierigkeiten im Investigativjournalismus in Rumänien?

Ein Problem ist, dass die großen Medien kein Budget für den Investigativjournalismus bereitstellen. Es gibt einige kleine Redaktionen, die sehr gute und erfolgreiche Recherchen machen wie „RISE Project“, „Recorder“ oder „Dela0.ro“ beispielsweise. Auch in der Republik Moldau gibt es einige. Es gibt noch zwei, drei größere Zeitungen wie die „Libertatea“ oder die „Gazeta Sporturilor“, die für diesen Bereich eine bestimmte Summe vorsehen und eigens dafür Leute anstellen. 

Aber dort, wo es viele Ressourcen gibt, sieht es so aus: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio verschlingt 200 Millionen Euro pro Jahr. Die gesamte restliche Presse, inklusive Privatfernsehen, zusammen mit dem großen Sender PROTV, hingegen etwa 500 Millionen. Das öffentliche Fernsehen und Radio haben etwa jeweils 2000 Mitarbeiter. Wir dagegen sind etwa 80 Leute in der Redaktion. Diese Schlacht ist auf lange Sicht verloren, wenn wir als Gesellschaft die Ressourcen der öffentlich-rechtlichen Medien nicht mobilisieren können. 

In Deutschland, Frankreich oder in Großbritannien bei der BBC gibt es in dieser Hinsicht Standards. Über die Colectiv-Recherche hat die BBC damals einen Film gedreht und sie machten sich Sorgen, weil Budgets bei der BBC gekürzt wurden. Dazu habe ich gesagt: Es ist legitim, dass die britische Gesellschaft wissen möchte, was die BBC kostet. Aber die britische Gesellschaft weiß – zu ihrem Glück! – nicht, was es kostet, keine BBC zu haben. Wir als hiesige Gesellschaften wissen, was es kostet, keine BBC zu haben. Ein Problem bei uns ist, dass keine Gelder locker gemacht werden, um eine akribische Recherchearbeit zu ermöglichen.

Was sind Grenzen des Investigativjournalismus?

Da gibt es zwei Denkweisen. Die meiner Generation stellt in erster Linie zwei Fragen: Ist die Sache wahr? – Ja. Ist die Sache von Interesse für die Öffentlichkeit? – Ja. Dann veröffentlichen wir! Die junge Generation von Journalisten fügt weitere Fragen hinzu: Wen treffen wir mit dieser Veröffentlichung? Gibt es schutzbedürftige Gruppen, denen man durch eine Veröffentlichung schadet? Ist der soziale Beitrag für die Gesellschaft, den man mit einer Veröffentlichung erreichen will, kleiner als das Vorurteil, das kollateral bei gewissen Leuten durch die Veröffentlichung entsteht? 

Mir erschien diese Herangehensweise zunächst übertrieben, aber ich habe im Austausch jüngeren Kolleginnen und Kollegen viel gelernt. Wir müssen uns heute diese Fragen stellen. Für mich ist das nicht einfach, weil man zwischen beiden Sichtweisen vermitteln lernen und in einer Redaktion einen Konsens dazu finden muss. Aber der Journalismus verändert sich und man muss damit umgehen. Eine andere Entwicklung der letzten Jahre ist, dass Journalisten mehr auf das Wissen aus dem akademischen und dem NGO-Bereich zurückgreifen. 

Man kann dieses Wissen in einem gesetzten Rahmen, den der Journalismus zulässt, einbeziehen. Aber es ist als Journalist nicht einfach, weil man eigentlich immer die Abkürzung zu den Fakten nehmen, sie überprüfen, dann loslegen muss. Wenn man zu viel Kontext bietet, wird alles schwieriger. Aber dieses Vorgehen führt auch zu besseren Investigativrecherchen, die die Dinge systemisch verändern können.

Was sind für Sie No-Gos bei der Recherche?

Es ist banal, aber aus dem Alltag gegriffen: Man darf niemals auf seiner Idee bestehen, sondern muss immer dorthin gehen, wo einen die Fakten hinführen. Nie darf man auf dem beharren, was einem am Anfang interessant oder gültig erschienen ist. Die handelnden Personen können sich im Laufe einer Recherche verändern – auf fantastische Art und Weise. Einer der sich schlecht verhalten hat, kann plötzlich beginnen, vernünftig zu handeln, und der, der zu Beginn einer Recherche als Held erschien, kann sich als jemand entpuppen, der öffentliche Gelder veruntreut.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Journalismus in Rumänien in den letzten 30 Jahren?

Zu Beginn handelte es sich mehr um eine Art Alphabetisierung – die uns allen gut getan hat. Durch internationale Verlagshäuser kamen hier Standards an – man begann einen Unterschied zwischen Meinung und Information zu machen. Das wurde vorher vermischt. Und man ging gegen Journalisten vor, die Anzeigen verkauften – so etwas gab es auch. 

Wir, die nicht in den Genuss des Kontakts zu internationalen Verlagshäusern gekommen sind, lernten Anfang der neunziger Jahre aus Handbüchern der „Open Society“. Auch aus amerikanischen Filmen, in denen die Presse eine Rolle spielte. So haben wir gemerkt und waren erstaunt, dass die Grundprinzipien gut funktionierten. Danach folgte eine Phase, in der wir immer noch sind, in der manche den Prinzipien folgen und andere nach einer Macht streben, die die Presse eigentlich nicht hat. 

Die Presse hat dann Macht, wenn wir sie nicht für uns verwenden. Viele Chefs und Angestellte versuchen aber, diese Macht zu pervertieren und für sich zu nutzen. Und das führt im Endeffekt aber dazu, dass sie Macht einbüßen.

Was denken Sie über das Bild Rumäniens in westlichen europäischen Medien?

Dadurch, dass es nicht mehr so viele Korrespondenten vor Ort gibt oder es sich vielleicht um Korrespondenten handelt, die schlechter bezahlt sind oder die mehreren Tätigkeiten nachgehen, werden viele Klischees in der Welt verbreitet. Aber das gilt nicht nur für Rumänien, sondern auch für andere Länder. 

Die Recherche zum Club „Colectiv“ und dem Dokumentarfilm, der dazu entstanden ist, war dahingehend positiv. Die westliche Presse hat den Film gesehen und mit Erstaunen wahrgenommen, dass es auch hier in Rumänien funktionierende demokratische Prozesse gibt: Zum Beispiel die Pressekonferenz, die gezeigt wird. Dass Verantwortliche gegebenenfalls zurücktreten müssen. Oder dass eine Regierung nicht einfach das Ergebnis einer Labor-Analyse unter den Tisch kehren kann. 

Und plötzlich entstand eine erstaunte Anerkennung: Sie haben sich sehr in diesen demokratischen Abläufen wiedergefunden, die im Film dargestellt werden, weil institutionalisierte Prozesse gezeigt wurden, die in Amerika, aufgrund von Social-Media, Polarisierungen und allem, was mit Trump dazu kam, nach und nach verloren gingen. Die Presse kam zu dem Schluss, dass es keinen aktuelleren Film über das Amerika der Jetzt-Zeit gäbe als den Film „Colectiv“.

Wie unterscheidet sich die Arbeit eines Journalisten in Osteuropa heute von der eines Journalisten in Westeuropa?

Wir haben generell weniger Ressourcen. Aber es geht nicht nur um die finanzielle Seite, sondern wie gesagt auch um Kenntnisse und Bildung. Es gibt aber einen Vorteil in Osteuropa. Dazu schrieb die CNN in einem Leitartikel etwas sehr Treffendes: „Manchmal sind die, die keine Freiheiten gehabt haben, die eifrigsten Verteidiger der Freiheit.“ Unsere Generation hier im Osten hat gelernt, ohne Freiheit zu leben. Unsere Eltern und Großeltern erinnern sich noch an den Krieg und an die Diktatur. 

Aber in manchen Generationen in westlichen Gesellschaften glaubt man – auch unter Journalisten –, dass der demokratische Prozess abgeschlossen ist. Wir sind da etwas entschlossener und akzeptieren bestimmte Dinge deshalb nicht, weil wir eine Zeit erlebt haben, in der wir keine Freiheit hatten. 

Bei Kriegsausbruch in der Ukra-ine war mein erster Gedanke: Um Gottes Willen, der Kommunismus kommt zurück! Diese Reaktion gab es überall in Osteuropa. In den baltischen Staaten, in Tschechien, in Polen. Die Menschen haben demonstriert, weil sie gespürt haben, dass die Rücksichtslosigkeit gegenüber dem menschlichen Leben fröhliche Urständ feiert.

Manchmal verteidigen wir mehr und wissen hier eher, was wir zu verlieren haben. Wir sind Verteidiger, wenn es um bestimmte journalistische Regeln geht. Wir sind schwächer auf gewissen Ebenen, aber in anderen Bereichen standfester. 

Woran merken Sie, dass die Presse im Ausland sich nicht so sehr wehrt, wenn es um die Verteidigung ihrer Freiheiten geht?

Meiner Meinung nach geben sie eher nach. Ich sehe, dass meine Vorbilder nicht sehen, wie groß die Gefahr ist. 

Die „New York Times“ hat beispielsweise eine Karikatur entfernt, weil sie zu verletzend gewesen sei. Das schmerzt mich. Die Karikatur hat ja eine Rolle: Sie beleidigt. Ja – das ist ihr Prinzip. Deswegen wird sie gemacht. Aber sie hilft auch, weil sie Kritik transportiert. 

Wenn ich karikiert werde, auch durch Worte, kann mir das zeigen, was an mir selbst vielleicht nicht gut ist.

Auf Deutsch gibt es den Begriff der „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“. Könnte es sein, dass Institutionen in Rumänien oder auch der Republik Moldau nicht genau wissen, was kommuniziert werden kann und was nicht? 

Die Beobachtung ist korrekt. Und das gilt für öffentliche Behörden genauso wie für Privatfirmen. Sie haben die Auflage, dass sie transparent sein müssen. 

Eine Medikamentenfirma kann beispielsweise nicht nur für Profit eintreten und Informationen verweigern. Als die Firma die Genehmigung bekommen hat, hat sie sich verpflichtet, dass sie ihr Handeln in den Dienst der öffentlichen Gesundheit stellt. Deswegen hat sie die Lizenz erhalten. Ich denke, es geht hier weniger um Böswilligkeit als um Unwissenheit. 

Sicher gibt es auch diejenigen, die etwas zu verbergen haben. Aber viele handeln so, weil sie gar nicht verstehen, dass sie etwas schulden. 

Sehen Sie in Bezug auf den Journalismus in Rumänien und der Republik Moldau Unterschiede?

Ja. Die, die stärker leiden sind oftmals auch mutiger. Sie unterscheiden in der Republik weniger zwischen Meinung und Information. Aber was den Mut oder die Initiative betrifft, sind sie manchmal besser aufgestellt.

„Pas cu pas“ hat der Präsident Rumäniens gesagt. Welche Entwicklungen in Rumänien gehen Ihnen zu langsam?

Die Verbesserung und Professionalisierung bürokratischer und behördlicher Abläufe. Damit es nicht mehr wichtig ist, zu welchem Arzt, in welches Krankenhaus oder zu welchem Schalter am Finanzamt man geht. 

Es hat sich schon viel getan, aber hier hängt nach wie vor viel von dem jeweiligen Menschen ab, auf den man trifft. Bürokratie bedeutet Dienst am Bürger, unabhängig davon, um welchen Bürger es sich handelt. Sie bedeutet auch das Verschwinden der Seilschaften, die in Osteuropa und im Orient immer bestanden und die Regeln gemacht haben – teilweise auch heute noch.

Wir haben hier eine verzögerte Entwicklung. Und diese Grundsätze des Dienstes am Bürger fehlen mir – wenn ich die Situation mit Westeuropa vergleiche.

Wenn Sie die Möglichkeit hätten, etwas am Journalismus in Rumänien zu ändern, was wäre das?

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen und Radio. Im Moment werden sie nicht mehr durch eine Gebühr der Bürgerinnen und Bürger finanziert, sondern durch das Budget des Finanzministeriums. Das wurde vor einigen Jahren verändert, und die Menschen finanzieren das System „indirekt“. Wenn den Menschen nicht klar ist, dass sie es finanzieren, dann interessiert es sie auch nicht mehr, was dort passiert, und wissen es nicht mehr zu schätzen.

Ich würde es so einrichten, dass die Leute merken, dass sie das System finanzieren, indem sie direkt eine Gebühr für die öffentlich-rechtlichen Medien bezahlen. Im Gegenzug wäre das Versprechen, eine sehr gute Qualität zu bieten: Wenn wir in jedem Kreis Recherchen durchführen könnten – meine Güte, was man in diesem Land alles verändern könnte! Damit könnte eine richtige Veränderung der öffentlichen Mentalität erreicht werden: Dass die Belange der Menschen verteidigt werden und sie merken, dass das Radio und Fernsehen für sie spricht.

Ich würde jeden Tag einen Reporter mit Kamera vor Geheimdienst-Institutionen schicken und dort oft nachhaken. Ich würde nach Interviews, nach Pressekonferenzen fragen. Nach dem Motto: Bisher hat keiner geantwortet – und hartnäckig bleiben. 

Ich würde versuchen mit der Presse Druck auf verschiedene Institutionen auszuüben und schauen, wie diese Institutionen sich dazu verhalten. Damit die Menschen sehen, dass jemand sie repräsentiert und für sie spricht. Aber gleichzeitig würde ich sensibilisieren, indem ich sage: Das kostet es – und das bekommt ihr dafür. Aber das ist eine Utopie.